Humoristisch-satirische Plauderei von Freiherr von Schlicht
in: Frauen!
So oft ich des Abends das Lokalblatt auch zur Hand nahm, um meiner Frau daraus die städtischen Neuigkeiten vorzulesen, während sie selbst ihre Handarbeit machte, immer wieder stieß ich im Inseratenteil auf eine große, fettgedruckte Annonce: „Hat der Mensch einen freien Willen?”(1) Das war der Titel einer Broschüre, die eine Mark fünfzig kostete. Der Ankauf wurde immer aufs neue warm empfohlen und für eine Mark fünfzig konnte jeder erfahren, ob der Mensch einen freien Willen habe oder nicht.
„Willst du dir das Buch nicht einmal kommen lassen?” fragte mich eines Abends meine Frau.
Aber ich widersprach: „Warum? Ob der Mensch im allgemeinen einen freien Willen hat oder nicht, interessiert mich nicht im mindesten. Außerdem habe ich etwas gegen Probleme, die schon für eine Mark fünfzig gelöst werden. Da ist die Lösung wahrscheinlich ebenso viel wert, wie die Frage selbst. Und im übrigen, was geht es mich an, ob die anderen Menschen einen freien Willen haben oder nicht? Mein Wissensdrang ist damit befriedigt, daß ich weiß, daß ich keinen freien Willen habe.”
Meine Frau legte ihre Stickerei beiseite und sah mich ganz erstaunt an: „Du hast keinen freien Willen, aber seit wann denn nicht?=”
„Seitdem ich dich heiratete, du Perle aller Frauen,” gab ich zur Antwort.
Meine Frau machte ein ganz böses Gesicht: „So etwas darfst du auch nicht im Scherz behaupten, denn das hört sich ja so an, als könntest du nicht tun und lassen, was du wolltest und du kannst doch nicht leugnen, daß ich bei jeder Gelegenheit zu dir sage: Mach, was du willst.”
„Gewiß sagst du das,” stimmte ich meiner Frau bei, aber schon, daß du es sagst, beweist mir immer aufs neue, daß ich keinen freien Willen mehr habe, denn wenn du sagst: „Mach, was du willst,” so heißt das mit anderen Worten: Schön, tu was du willst, aber lieber wäre es mir, du tätest nicht das, was du willst, sondern lediglich das, was ich will.”
Meine Frau schwieg eine ganze Weile, dann meinte sie endlich: „Ich meine es doch nur gut mit dir.”
„Das weiß ich ja,” gab ich zur Antwort, „und gerade deshalb tue ich ja auch nie mehr, was ich will, sondern lediglich das, was du willst.”
„Aber ich tue doch auch nur stets das, was du willst,” warf meine Frau ein.
Das war nu zwar ganz gewiß nicht wahr, aber gerade deshalb stimmte ich meiner Frau schnell bei: „Gewiß, so ist es bisher immer gewesen und so wird es hoffentlich auch stets bleiben.”
Und es wäre vielleicht auch immer so geblieben, wie es nach der festen Überzeugung meiner Frau war, wenn nicht am nächsten Morgen die Einladung zu einem Diner mit anschließendem Ball gekommen wäre. Ich schwärme für gute Diners, für meine Frau gibt es kein größeres Vergnügen, als zu tanzen, und so war es denn für mich beschlossene Tatsache, daß wir zusagen wollten, aber meine Frau widersprach: „Wenn du mir einen Gefallen tun willst, dann sage ab.”
Ich glaubte, nicht recht gehört zu haben und so fragte ich denn: „Ich soll absagen, aber warum denn nur? Warum willst du denn nicht auf diese Gesellschaft gehen?”
„Weil ich nicht will,” lautete die Antwort.
„Aber du mußt doch einen Grund haben, nicht zu wollen?” fragte ich.
„Warum denn nur?” meinte meine Frau ganz verwundert. „Und wenn du denn absolut meinen Grund hören willst, dann habe ich ihn dir doch schon gesagt, ich will eben nicht.”
„Schön,” stimmte ich meiner Frau bei, „du hast zwar gestern selbst erklärt, du wolltest immer das, was ich auch wollte, aber trotzdem, um jeden Streit darüber zu vermeiden, werde ich mich also fügen und absagen. Aber unter welchem Vorwand?”
Meine Frau überlegte einen Augenblicl, dann meinte sie: „Schreibe einfach, ich fühlte mich nicht ganz wohl und der Arzt hätte mir vorläufig jede Gesellschaft verboten.”
„Das geht nicht,” widersprach ich, „erstens siehst du Gott sei Dank wie die Gesundheit selbst aus, dann ist unser Hausarzt aber zugleich auch der Hausarzt unserer Gastgeber. Der verkehrt in dem Hause auch gesellschaftlich. Wenn er auf dem Diner gefragt werden sollte, was dir denn eigentlich fehle, dann kommt die Ausrede an den Tag.”
„Dann schreib doch einfach, wir erwarteten Besuch,” meinte meine Frau.
„Auch das geht nicht,” gab ich zur Antwort, „unsere Freunde kennen unser Haus ganz genau, die wissen, daß wir Gott sei Dank kein Fremdenzimmer haben, aber davon ganz abgesehen, würden sie, liebenswürdig und gastfrei wie sie sind, uns bitten, unseren Besuch mitzubringen; du mußt dir also schon etwas anderes ausdenken.”
Meine Frau fing an, nervös zu werden, dann meinte sie: „Mein Gott, du hast in deinem Leben schon so viel Bücher geschrieben, da wirst du doch wohl eine schriftliche Absage fertig bringen, ohne daß ich dir dabei helfe.”
„Ich glaube nicht,” gab ich zur Antwort und dann sagte ich: „Selbstverständlich liegt mir nichts ferner, als dir zuzureden, die Gesellschaft zu besuchen, wenn du sie nicht besuchen willst. Besteht aber wirklich der einzige Grund deines Nichtwollens darin, daß du nicht willst?” Und von einer plötzlichen Erleuchtung befallen, fragte ich: „Hast du vielleicht nichts anzuziehen?”
Meine Frau machte ein ganz beleidigtes Gesicht: „Bitte sehr, ich habe immer etwas anzuziehen. Ich habe noch drei neue Kleider im Schranke hängen, die selbst du noch nicht kennst und von denen das eine immer hübscher ist als das andere.”
„Na also,” meinte ich, „da kommst du ja nicht in Verlegenheit.”
„Davon kann doch gar nicht die Rede sein,” stimmte meine Frau mir bei und dann fragte sie plötzlich: „Was meinst du, wenn wir nicht abgesagt hätten, ich betone ausdrücklich, wenn — — — —”
„Aber wir haben doch noch gar nicht abgesagt,” rief ich schnell.
„Aber du wirst absagen,” rief meine Frau und dann fragte sie nochmals: „Was meinst du, wenn wir nicht abgesagt hätten, ob ich dann das schwarze Kleid mit den Spitzeneinsätzen angezogen hätte, oder lieber das Voilekleid, oder die weiße Toilette mit dem echten Spitzenkraen?”
Jeder Mann muß die Gabe besitzen, selbst auf die sonderbarste Frage schnell eine Antwort zu geben und so sagte ich denn auf gut Glück rasch: „Soweit ich dich kenne, hättest du sicher das Voilekleid gewählt.”
Meine Frau blickte eine ganze Weile nachdenklich vor sich hin, dann fragte sie: „Glaubst du wirklich? Ich glaube, ich hätte die schwarze Toilette gewählt, oder vielleicht die weiße.”
„Oder vielleicht doch das Voilekleid,” neckte ich sie.
„Auf keinen Fall,” widersprach meine Frau, „das ist ganz ausgeschlossen,” bis sie dann nach kurzem Besinnen hinzusetzte: „Möglich wäre es allerdings doch gewesen. Aber aller Wahrscheinlichkeit nach hätte ich keine von den neuen Toiletten gewählt, sondern wieder das Satin Riche. Ich habe es ja zwar schon sehr oft angehabt — —”
Ich blickte meine Frau ganz verwundert an, dann fragte ich: „Du sagst, du hättest es schon sehr oft angehabt, ja, hast du es denn überhaupt schon einmal getragen?”
Meine Frau wandte sich schmollend ab: „Da sieht man es wieder. Wir Frauen können uns für Euch Männer putzen und schmücken, so viel wir wollen, Ihr seht es gar nicht, Ihr wißt überhaupt nicht, was wir anhaben, denn sonst könntest du mich doch nicht allen Ernstes fragen, ob ich das Kleid schon jemals getragen hätte. Wie oft ich es schon anzog, weiß ich wirklich nicht, ich will dich nur an einen Abend erinnern: an deinen Geburtstag, da trug ich es.”
Ich schlug mich mit der Hand vor die Stirn: „Richtig, richtig, wie konnte ich das nur vergessen. An dem Abend hattest du die Robe zum ersten Mal angelegt, aber wenn ich ganz offen und ehrlich sein darf, ich glaube, auch zum letzten Mal.”
Meine Frau lachte etwas nervös auf: „Aber ich bitte dich, wie kannst du so etwas auch nur im Scherz behaupten, ich werde doch ein so teures Kleid nicht beiseite legen, nachdem ich es nur einmal trug, das tue ich doch nie, dazu bin ich doch viel zu sparsam und selbst wenn ich zuweilen eine Toilette nur einmal anziehe, weil sie mir doch nicht so steht, wie ich es eigentlich erwartete — — — — — — gerade dieses Kleid aber habe ich bis zum Überfluß getragen. Laß mich mal rechnen. Auf deinem Geburtstag, dann bei dem Regierungsrat, nein, da nicht, da trug ich das Duchesse Mousseline, aber auf deinem Geburtstag, das sind schon zweimal und dann bei deinem Verleger, nein, da auch nicht, da hatte ich das Crépon Rayé gewählt, aber auf deinem Geburtstag das sind schon dreimal und dann bei der Exzellenz, nein, da trug ich, wenn ich mich nicht sehr irre, das Rayé Directoire, aber auf deinem Geburtstag, das sind schon viermal und dann bei dem Geheimrat, nein, doch nicht — — — — aber auf deinem Geburtstag bestimmt, das sind schon fünfmal,” und dann plötzlich mit dem Zählen aufhörend, setzte sie hinzu: „Na, bei den vielen Gesellschaften, die wir mitmachen, kann ich mich im Augenblick nicht darauf besinnen, welche Toilette ich an jedem einzelnen Abend wählte, aber so viel weiß ich bestimmt, sechsmal habe ich das Kleid sicher angehabt und wenn ich es mir nochmals reiflich überlege, dann glaube ich doch, daß ich auf der bevorstehenden Gesellschaft das schwarze Kleid mit den Spitzeneinsätzen angezogen hätte.”
Eine Frau sagt bei der geringsten Gelegenheit: „Bitte, mach mich nicht nervös.” Aber ein Mann darf niemals nervös werden, denn dazu gibt eine Frau dem Mann niemals Veranlassung — — — — — — — sagt die Frau.
So wurde auch ich nicht nervös, wohl aber ging ich für einen Augenblick in mein Schlafzimmer, um mir Watte in die Ohren zu stopfen und als ich dann zurückkam, hörte ich wie aus ganz weiter Ferne, daß meine Frau zu mir sagte: „Weißt du, da wir die Gesellschaft ja doch nicht besuchen, hat es ja auch gar keinen Zweck, weiter darüber nachzudenken, aber ich glaube doch, daß ich an dem Abend wieder das grüne Samtkleid gewählt hätte. Grün und lila sind ja jetzt so modern.”
Meine Frau hat mehr Kleider als ein Schneider ihr zu liefern vermag, so läßt sie bei dreien arbeiten, aber auch das nur, weil sie den vierten noch nicht gefunden hat. Empfohlen sind ihr genug, die alle in Frage kämen, aber es ist nicht so leicht, da einen Entschluß zu fassen ! Halb und halb war sie sich schon einig, aber vorläufig schwankte sie noch.
Frauen schwanken immer. Sie schwanken vom frühen Morgen bis zum späten Abend, aber gnade Gott dem Mann, wenn er einmal schwankt, das darf er nicht einmal nach dem üppigsten Diner.
Und da meine Frau immer noch schwankte, welche Toilette sie gewählt haben würde, wenn sie wirklich der Einladung Folge geleistet hätte, ging sie in ihr Ankleidezimmer und machte ihre Kleiderschränke auf.
Wann aber würde sie die wieder zumachen?
Darüber konnte eine lange Zeit vergehen, eine Stunde gewiß, wenn nicht zwei. Und so benutzte ich denn diese Gelegenheit, um einen weiten Spaziergang zu machen. Und als ich dann endlich zurückkam, stand meine Frau immer noch vor den Kleiderschränken.
„Bist du denn immer noch nicht fertig?” erkundigte ich mich.
Meine Frau sah mich ganz verständnislos an, dann fragte sie: „Immer noch nicht?” Und dann sagte sie: „Es ist ja in mancher Weise sehr schmeichelhaft für mich, daß du es keine fünf Minuten ohne mich aushältst und daß du nicht einen Augenblick allein in deinem Zimmer sitzen kannst, aber schließlich mußt du mir doch einmal eine Sekunde gönnen, die ich für mich habe.”
„Schön,” stimmte ich meiner Frau bei, „ich will dir sogar noch fünf Sekunden gönnen, aber wenn die herum sind, dann hole ich dich.”
„Nein, laß nur,” widersprach meine Frau, „ich komme schon von allein.”
Und sie kam wirklich, als die fünf Sekunden schon fünfzehnhundertmal vorüber waren und ganz stolz sah sie mich an: „Siehst du, wie flink ich wieder bei dir bin? Du mußt mich nur in Ruhe lassen und mich nur nicht fortwährend fragen, wann ich komme, dann dauert es nur länger,” und dann meinte sie plötzlich: „Weißt du, ich habe eben einmal ganz flüchtig in meinen Kleiderschränken nachgesehen, ich habe doch eigentlich wundervolle Toiletten.”
„Gewiß hast du sie,” stimmte ich ihr bei, „und darum oder gerade deshalb habe ich vorhin, als ich spazieren war — — — —”
Meine Frau starrte mich ganz verwundert an, dann fragte sie: „Du bist spazieren gewesen, aber wann denn nur?”
Ich durfte meine Frau jetzt (2) erzürnen, so sagte ich denn: „Ich habe einen Brief zum Postkasten getragen.”
„Aha, die Absage,” meinte meine Frau glücklich, „ich wußte es ja, daß dir schon etwas einfallen würde.”
„Gewiß,” stimmte ich ihr rasch bei, „das ist ja leider Gottes mein Geschäft, daß mir etwas einfallen muß und so ist mir auch dieses Mal glücklicherweise etwas eingefallen.” Und dann, als hätte ich die Absage wirklich fortgeschickt, bat ich: „Nun wirst du es mir hoffentlich doch sagen können, warum du die Einladung nicht annehmen wolltest?”
„Weil ich nicht will,” gab meine Frau auch dieses Mal zur Antwort.
Aber ich wollte und in glühenden Farben schilderte ich ihr plötzlich, wie schön der Abend verlaufen wäre, wenn wir die Einladung nicht abgeschlagen hätten. Ich stellte ein Diner zusammen, bei dem der selige Lucullus sich alle zehn Finger geleckt hätte, ich ließ die Geigen klirren und singen, die Walzerklänge ertönen, schöne Frauen rauschten in verführerischen Toiletten im Saale auf und ab, aber meine Frau war natürlich die Schönste, sie hatte die kostbarste Robe, alle huldigten ihr, sie war die Königin des Abends.
Ich nahm meine ganze Phantasie zusammen, um das Fest so glänzend wie nur möglich zu schildern, und ich kam mir vor, als wäre ich eine der Sirenen, die den Odysseus zu verführen versuchten, und ich sah es mit Freude und mit stiller Genugtuung, meine Frau fing an zu schwanken.
Wenn eine Frau schwankt, zu welchem Schneider sie gehen soll, dann schwankt sie lange. Wenn eine Frau aber schwankt, ob sie auf einen Ball gehen soll, dann ist sie bereits fest entschlossen.
Aber eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als daß eine Frau zugibt, daß sie in ihrem Entschluß schwankend geworden ist. So war ich denn auch klug genug, dieses Geständnis nicht zu verlangen, sondern ich meinte nur: „Ich begreife es natürlich vollständig, daß du auch jetzt die Gesellschaft nicht besuchen willst, aber gerade deshalb möchte ich dich noch einmal fragen, warum du denn eigentlich nicht willst?”
Jedes Geständnis einer Frau ist eine Anklage gegen ihren Mann und so sagte sie denn endlich: „Weißt du, ich habe mich neulich so rasend über dich geärgert.”
Männer ärgern sich zuweilen rasend über ihre Frauen, Frauen aber ärgern sich stets so rasend über ihre Männer.
Das weiß ich schon lange, deshalb wundert ich mich auch gar nicht über das, was meine Frau sagte und was sie dachte, und nur, um sie dahin zu bringen, weiter zu sprechen, fragte ich anscheinend ganz verwundert: „Aber warum denn nur?”
„Weil du gestern Abend behauptetest, du hättest keinen freien Willen mehr, trotzdem ich doch immer zu dir sage: Mach, was du willst. Und da habe ich mir vorgenommen, wenn du schon behauptest, keinen eigenen Willen mehr zu haben, dann wollte ich dir bei der ersten besten Gelegenheit beweisen, daß ich den wenigstens noch habe und daß ich genau das tue, was ich will und daß ich selbst aus Liebe zu dir nicht das tue, was du willst, sondern lediglich das, was ich will. So, nun weißt du es, warum ich nicht auf die Gesellschaft gehen wollte und wenn ich jetzt anders darüber denke, so geschieht das nicht, weil du mich überzeugt hättest. Das darfst du dir nicht einbilden, denn auch ohne daß du es mir vorhin schildertest, weiß ich natürlich ganz genau, wie herrlich ich mich amüsieren werde. Auf jeden Fall aber mußt du unter irgend einem Vorwande die Absage wieder rückgängig machen.”
„Ich habe ja noch gar nicht abgesagt,” beeilte ich mich, meine Frau zu beruhigen, „das sagte ich doch nur so, weil ich es ganz genau voraussah, daß du doch Lust bekommen würdest, sobald die Absage fortgeschickt sei.”
Meine Frau wußte, daß ich Recht hatte, und gerade deshalb wurde sie böse: „Und wenn ich nun wirklich nicht gewollt hätte, ich meine natürlich wenn ich meinen Willen nicht geändert hätte?”
Anstatt gleich zu antworten, zog ich meine Frau zu mir auf den Schoß, dann bat ich: „Gib einmal der Wahrheit die Ehre, hättest du wirklich auf deinem Willen bestanden, wo du soch sahst, wie ich mich auf das Fest freute? Hättest du da mir zuliebe nicht doch noch deinen Willen geändert?”
Meine Frau schwieg eine ganze Weile, dann meinte sie endlich, ihren Kopf an meine Schulter lehnend: „Vielleicht — aber auch nur vielleicht.”
Wenn eine Frau „ja” sagt, dann heißt das eigentlich immer so viel wie „nein”, aber wenn sie „vielleicht” sagt, heißt das stets „ja”.
Ich zog meine Frau zärtlich an mich, dann sagte ich: „Wie ich sonst dir, so hast du heute mir zuliebe nachgegeben und ohne, daß wir deshalb auf unser altes Gespräch zurückkommen wollen, möchte ich dich doch fragen, glaubst du auch heute noch, daß der Mensch in der Ehe einen freien Willen hat?”
Da sah meine Frau mich ganz ruhig an und meinte völlig gelassen: „Ihr Männer nein, aber wir Frauen ja, denn nun kann ich es dir ja gestehen, ich habe von Anfang an die Einladung annehmen wollen.”
„Aber warum hast du denn fortwährend erklärt, du wolltest das Fest nicht besuchen?” fragte ich ganz verwundert.
Eine ganze Weile saß meine Frau nachdenklich da, sie war auf diese Frage nicht vorbereitet und ich merkte ihr deutlich an, daß sie um eine Antwort verlegen war. Bis sie sie dann doch gefunden haben mußte, denn plötzlich sah sie mich mit dem Ausdruck des höchsten Erstaunens an, um mich gleich darauf zu fragen: „Weißt du das wirklich nicht?”
Und um nicht zu verraten, daß sie es selbst auch nicht wußte, setzte sie mit dem Brustton tiefinnerster Überzeugung hinzu: „Bist du aber dumm !”
(1) Es gibt zwei zeitgenössische Werke mit diesem Titel:
„Hat der Mensch einen freien Willen?” von Victor Lipski, 1905, Breslau, 23 S.
„Hat der Mensch einen freien Willen oder der wissenschaftliche Beweis von der Existenz der Seele” von Johann Böttcher, 1909, Weimar, 93 S.
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(2) Fehlt hier vielleicht das Wörtchen „nicht” ? (Zurück)