Humoreske von Graf Günther Rosenhagen.
in: „Zeitung für Stadt und Land”, (Riga), vom 16. und 17.5.1894,
in: „Kieler Zeitung” vom 30.5.1894,
in: „Badische Presse” vom 30. und 31.5.1894 (jeweils Mittags u. Abends)
in: „(Linzer) Tages-Post” vom 1.6.1894,
in: „Leipziger Tageblatt und Anzeiger ” vom 2.6. 1894,
in: „Stralsundische Zeitung” Sonntagsbeilage vom 10.6.1894,
in: „Humoresken” und
in: „Humoresken und Erinnerungen”.
Darüber waren sich alle Freunde, Verwandten, Familienangehörigen und wer sonst noch nach seiner Meinung ein Wort in der wichtigen Angelegenheit mitzusprechen hatte, von Anfang an einig gewesen, daß die Verbindung zwischen dem Assessor Brunau und Fräulein Elsa Rautenberg nie und nimmer gut ausfallen könne. Ein Assessor — heirathen? Unglaublich! Ja, wenn er wenigstens noch dicht vor dem Regierungsrath gestanden hätte, aber er war der Drittjüngste, und lange, lange Jahre standen ihm noch bevor, ehe er in die höhere Gehaltsstufe einrücken konnte. Merkwürdiger Weise schien dies jedoch den Assessor Brunau wenig zu beunruhigen, im Gegentheil, als eine seiner vielen Tanten ihm dies eines Abends wieder in beredten Worten auseinandersetzte, hatte er sie unwillig unterbrochen: „Aber ich begreife Euch gar nicht; warum wollt Ihr mich denn absolut älter haben, als ich nun einmal bin? Freut Euch mit mir über meine Jugend, daß ich das Leben noch genießen kann.”
Verwundert hatte die gute Tante die langen Locken geschüttelt und war dann in ihrem Innersten tief beleidigt davongegangen. Dem war nicht zu helfen, der muß sich erst ordentlich die Hörner ablaufen und erst gehörig vom Leben hin- und hergeschüttelt werden, dann würde ihm wohl mit der Zeit die Erkenntniß kommen, wie recht die alten Tanten hätten, die er jetzt verlachte und verspottete; die Tage würden schon noch kommen, wo er sich vergebens darnach sehnte, sich von den ihm lästigen Fesseln zu befreien. Kommen mußte der Tag; denn, so rechneten die Tanten, er hat Nichts und sie hat Nichts; addirt man zwei Nullen, so ergiebt das eine großen Null, und davon kann heutzutage selbst der bescheidenste Mensch nicht leben.
Zuerst mit Aerger und Verdruß, dann aber mit heimlichem Vergnügen hörten die beiden Verlobten die offenen und versteckten Anspielungen und thaten schließlich, was sie von Anfang beabsichtigt hatten: sie heiratheten sich. Mit einer Miene, als gelte es, einen geliebten Todten unter die Erde zu bringen, hatten die Verwandten die Einladung zur Hochzeit angenommen; sie mußten sie ja annehmen, das waren sie nach ihrer Meinung dem Ansehen der Familie schuldig. Mit Grabesstimme hatten sie nach der Trauung dem jungen Paar: „Werdet glücklich!” zugerufen. Das hatte so dumpf und schaurig geklungen, daß selbst die Neuvermählten für einen Augenblick zurückbebten; aber nur für einen Augenblick, dann ging es zu dem Hochzeitsmahl und wenige Stunden später auf die Reise.
Drei Jahre lebte der Assessor Brunau nun schon mit seiner jungen Frau in der denkbar glücklichsten Ehe. Das von den Verwandten, Freunden und Bekannten prophezeite Unglück war ausgeblieben, und drei Jahre des seligsten, reinsten Glücks lagen hinter ihnen; nicht ein einziger Mißklang hatte bisher die Harmonie gestört, nicht ein einziges böses oder unfreundliches Wort war in der ganzen Zeit zwischen ihnen gefallen.
Seit einigen Tagen aber war der Frieden plötzlich gestört, und erleichtert athmeten die Tanten auf, als sie, von einem Besuch bei Brunaus heimkehrend, ihre Bemerkungen darüber austauschten, daß irgend etwas dort nicht in Ordnung sei. Ueber das „Was” waren sie sich noch nicht einig, das war ja auch nebensächlich, die Hauptsache war doch, daß das lange geweissagte Unglück endlich gekommen war. Und es war da, das ließ sich nun nicht mehr leugnen; vergebens hatte „er” versucht, seine schlechte Laune zu verbergen, und „ihr” merkte man trotz des starken Puders, den sie aufgelegt hatte, sofort an, daß sie geweint hatte.
Während die Tanten sich über die Ursache des Streites in allerlei Vermuthungen ergingen, bei denen das fehlende Geld natürlich die Hauptrolle spielte, saß das junge Ehepaar, nachdem die Gäste es verlassen, sich grollend in dem hellerleuchteten Salon gegenüber. Die unvermeidliche Cigarre im Munde und leichte Dampfwolken von sich stoßend, lehnte Brunau in einer Sophaecke, aufmerksam den Kronleuchter betrachtend, während seine Frau auf einem kleinen rothen Sessel saß und zerstreut das Muster des persischen Teppichs studirte.
Elsa war es, die nach einer langen Pause endlich das Schweigen brach:
„Und wenn ich Dich nun nochmals bitte, nur dieses eine Mal „Ja” zu sagen —”
„Nein und in des drei Teufels Namen nein,” brauste er auf, „mit meinem Wollen und mit meiner Einwilligung geschieht es nie und nimmer.”
Die Augen seiner jungen Frau füllten sich mit Thränen.
„Aber Ernst, so nimm doch Vernunft an, denk' doch nicht immer nur an Dich, sondern auch einmal an mich —”
„Das ist immer Eure beliebte Ausrede,” lachte er höhnisch, „man kann der denkbar beste Ehemann sein und Euch jeden Wunsch aus den Augen ablesen, es ist Alles vergebens; denn sobald wir Euch auch nur ein einziges Mal eine Bitte abschlagen — gleich sind wir „immer unfreundlich”, „immer gräßlich”, „immer egoistisch”.”
„Ernst,” bat sie weinend, „Du thust mir Unrecht, Du bist ungerecht, Du weißt, daß ich noch nie so zu Dir gesprochen habe —”
„Aber vielleicht desto öfter gedacht!” unterbrach er sie gereizt, „und das ist ebenso schlimmn, wenn nicht noch viel schlimmer.”
„Pfui, Du bist garstig,” antwortete sie, zornig mit dem Fuß auf den Boden stampfend.
Wieder schwiegen sie eine ganze Weile, und wieder brach Elsa zuerst das Schweigen.
„Was nur die Tanten von uns denken sollen! Glaubst Du vielleicht, daß sie Dir Deine schlechte Laune und mir meine Thränen nicht angemerkt haben? Du kennst sie noch besser als ich; eine größere Freude, als wir es gethan, hätten wir ihnen gar nicht bereiten können. Pass' auf, morgen weiß es die ganze Welt, daß wir in der denkbar unglücklichsten Ehe mit einander leben.”
„Laß sie,” antwortete er gleichgiltig, „man muß den Menschen ihr Vergnügen nicht rauben.”
Aber sein Gleichmuth entflammte von Neuem ihren Zorn. „So, meinst Du? Mir aber ist es nicht einerlei, was die Leue sich von uns erzählen.”
„Aber Kind,” bat er, „rege Dich doch nicht unnöthig auf, das ist die ganze Sache doch nicht werth.”
„Nenne mich nicht Kind,” rief sie auf das Höchste gereizt, „ich bin nicht Dein Kind, sondern Deine Frau, und als solche habe ich ebenso gut Rechte hier im Hause wie Du. Um Dir das zu beweisen, werde ich jetzt sofort an meine Freundin schreiben, daß wir Beide, verstehst Du, wir Beide, uns unendlich freuen würden, wenn sie uns auf einige Tage besuchte.”
„Das wirst Du nicht thun.”
Sie war aufgestanden und hatte sich, ohne ihm zu antworten, an den Schreibtisch gesetzt und die Feder ergriffen, aber mit einem jähen Sprung stand er hinter ihr und faßte ihre Hand.
„Elsa, ich bitte Dich, mach' mich nicht rasend, es kann Dein Ernst nicht sein, uns das ganze Haus voll Besuch zu laden.”
„Laß mich los,” sagte sie kurz und bestimmt.
Verzweifelt fuhr er sich mit beiden Händen durch die Haare: „Aber so sei doch vernünftig und sage mir doch nur um Gottes willen, wo Du diesen Bescuh, den Du Dir leichtsinnigerweise eingeladen hast, unterbringen willst! Weißt Du eine Ecke in unserer kleinen Miethswohnung, in der wir ein Bett, das wir außerdem nicht besitzen und uns erst kaufen müssen, aufschlagen könnten? Oder soll Deine Freundin etwa mit den Mäusen in der Speidekammer hausen?”
„Darüber laß Dir nur keine grauen Haare wachsen,” entgegnete sie, „gieb mir nur das zur Anschaffung der Sachen nöthige Geld, das Weitere findet sich dann ganz von selbst.”
„Muß es denn wirklich sein?” fragte er, „kannst Du nicht noch irgend einen Vorwand erfinden und abschreiben?”
Aber sie setzte allen seinen Bitten ein energisches „Nein” entgegen, und als er endlich einsehen mußte, daß jeder weitere Widerstand vergebens war, schleuderte er mit einem Fluch die Cigarre in die Ecke.
„So schreib denn in des Kuckucks Namen „Ja”. Das aber sage ich Dir: es ist einmal und nicht wieder.”
„Liebe Erna,” lauteten die Zeilen, die Elsa schrieb, nachdem ihr Gatte sie wuthschnaubend verlassen hatte, „durch die liebenswürdige Annahme meiner Aufforderung, mich einmal hier zu besuchen, hast Du meinem Mann und mir eine große, aufrichtige Freude bereitet. Wie ich mich danach sehne, meine liebste Jugendfreundin wieder zu sehen, so brennt mein Mann vor Begierde, Dich, von der ich ihm so viel erzählt habe, endlich persönlich kennen zu lernen. Ich erwarte Dich bestimmt am Freitag, also in drei Tagen, mit dem Mittagszug. Auf frohes Wiedersehen! Deine Elsa.”
Mit einem Seufzer der Erleichterung schloß sie das Billet: ihr Mann hatte ja Recht, es war ein Leichtsinn von ihr gewesen, die Freundin einzuladen, aber nun, da dieser einmal „Ja” gesagt hatte, mußte die Sache ihren weiteren Lauf nehmen, lange würde sie hoffentlich nicht bleiben. Der Widerstand ihres Gatten war endlich gebrochen, nun galt es nur noch, das Fremdenzimmer einzurichten. Das Fremdenzimmer, wie stolz das klang, aber das Innere des Raumes entsprach nicht dem hochtrabenden Namen, den es führte. Es war nur ein kleines, halbdunkles Zimmer, dessen einziges Fenster nach dem winzigen Hof hinausging. Das Zimmer war mit Schränken, überflüssigen Kisten und Körben bis obenhin angefüllt, an Möbeln war in dem ganzen Raum sonst nichts zu entdecken.
Als Elsa einige Augenblicke später das gemeinsame Schlafzimmer betrat, fand sie auf dem neben ihrem Bette stehenden Nachttisch einen Hundertmarkschein liegen. Erstaunt und fragend blickte sie ihren Gatten an: „Wo kommt dies Geld her und wofür ist es?”
„Für den Logierbesuch,” entgegnete er mürrisch, „schaffe Dir davon an, was Du brauchst, aber richte Dich, bitte, so ein, daß Du damit reichst, mehr giebt es nicht.”
„Aber ich bitte Dich, das ist ja viel zu viel, die Hälfte hätte vollständig genügt, soll ich Dir nichts wieder zurückgeben?”
Aber er lehnte ab, der Frieden war geschlossen, wenngleich auch etwas theuer erkauft, und Ernst wurde mit einem Kuß für seine Freigebigkeit belohnt.
Als Brunau am nächsten Tage zu später Stunde aus dem Gerichtssaal, wo ihn eine lange Sitzung festgehalten hatte, heimkehrte, fand er seine Frau in Thränen aufgelöst.
Erschrocken eilte er auf sie zu: „Um Gotteswillen, Kind, was ist Dir?”
Endlich gelang es ihm, sie soweit zu beruhigen, daß sie ihm ihr Leid klagen konnte: „Denk' Dir nur,” jammerte sie, „das Geld, das Du mir gestern Abend gabst, ist schon alle. Wo's geblieben ist, kann ich selbst nicht sagen. Zu ertragen und zu erschwingen sind die Preise überhaupt nicht mehr, denke Dir nur, allein das Bettgestell kostet fünfundsechzig Mark, und in dem Gestell allein kann Erna doch auch nicht schlafen, da fehlten noch Matratze, Kopfkissen, Decken, ferner für die Zimmereinrichtung noch ein Waschtisch, Spiegel, Stühle, Toilette —”
Die Zornesader schwoll auf seiner Stirn, aber plötzlich besann er sich, griff in die Tasche und mit einer Art Galgenhumor reichte er ihr den zweiten Hundermarkschein: „Hier nimm ihn hin, er sei Dein, meinen Segen obenein.”
Aber sie legte die Hände auf den Rücken und trat einen Schritt zurück: „Nein, nie und nimmermehr! Behalte nur den Schein. Wie ich diese Erna hasse! Ist es nicht zu gräßlich, ihretwegen das schöne Geld so in vollen Haufen ausgeben zu müssen? Wie viele Wochen kann ich da nicht wieder an allen Ecken sparen!”
„Aber Kind,” bat er, „denke doch nicht immer nur an Dich.”
Sie überhörte die Anspielung, die in seinen Worten lag. Fast mit Gewalt zwang er ihr das Geld auf, aber kaum im Besitz desselben, eilte sie auch schon wieder zur Stadt, denn die allen Frauen innenwohnende Lust zum Kaufen ließ sie den vorigen Aerger ganz vergessen.
Freudestrahlend kehrte sie nach einigen Stunden zurück: „Nein, zu sagen ist es überhaupt nicht, wie schöne Sachen man heut zu Tage kaufen kann! Wundervoll, einfach wundervoll und denk' Dir mal, gar nicht theuer! Eigentlich wollte ich nur achtzig Mark ausgeben, aber weißt Du, mich lockten die vier Prozent Rabatt, und deshalb habe ich mir Alles gleich recht hübsch gekauft. Und hier sind die vier Mark Rabatt, das ist doch immer eine große Ersparniß, was können wir uns da nicht Alles für kaufen, da können wir bequem die Handwerker von bezahlen.”
Erstaunt horchte er auf. „Ah, Handwerker kommen auch noch — sehr angenehm, wirklich sehr angenehm, und wann darf ich die Leute bei mir begrüßen?”
„Morgen früh,” entgegnete sie ruhig, „ich habe mit Willen die Arbeiter zu morgen Vormittag bestellt, damit Du von dem Bringen und Aufstellen der Sachen gar nichts merkst. Wenn Du morgen Mittag zu Tisch kommst, ist Alles fix und fertig.”
Als Ernst am nächsten Mittag heimkehrte, glich seine Wohnung einem Meublesmagazin, in dem Arbeiter geschäftig hin- und hereilten. Der ganze Fußboden war mit Stroh und Papier bedeckt, an dem Garderobeständer hatten die Handwerker ihre Hüte und Mützen aufgehängt und aus dem Fremdenzimmer tönte ein betäubendes Hämmern und Klopfen. Neugierig öffnete er die Thür, aber ein energisches „Nanu, kann er denn nicht sehen,” ließ ihn sich sofort wieder zurückziehen, denn fast hätte er einen auf der obersten Sprosse einer schwankenden Trittleiter stehenden Arbeiter umgeworfen. Schleunigst wich er von dannen, um mit einem „Verflucht noch mal” gegen die Wand zu taumeln; einen Augenblick später sauste der Ausgußeimer, über den er beinahe gefallen wäre, von einem kräftigen Fußtritt geschleudert die in das Souterrain führende Treppe hinunter, und das Wasser ergoß sich in Strömen über die Treppenstufen.
Noch in Hut und Mantel betrat er das Eßzimmer, um bei dem Anblick des noch nicht einmal gedeckten Tisches zurückzutaumeln. Wie ein Wahnsinniger stürzte er auf die elektrische Glocke zu, und gleich darauf erschien das Mädchen.
„Wo ist meine Frau?”
„Die gnädige Frau ist rasch zur Stadt gefahren, es fehlten noch 20 Centimeter Band für eine Rosette am Toilettentisch.”
„Und wo ist das Essen?”
„Die gnädige Frau meinten, der Herr würde es wohl nicht übel nehmen, wenn es heute einen Augenblick später würde, die Handwerker haben sich auch verspätet.”
„Es ist gut, Sie können gehen,” winkte er ihr zu, zog Hut und Mantel ab und warf Beides auf einen Stuihl. Dann begann er mit großen Schritten das Zimmer zu durchmessen: War es nicht überhaupt, um aus der Haut zu fahren und um rasend zu werden? Das war nun der Dank dafür, daß er „wie gewöhnlich” wieder nachgegeben hatte, das ganze Quartier voll Schmutz, Lärm und Unruhe, und nicht einmal etwas zu essen!
Er sah nach der Uhr, schon eine volle Stunde war verstrichen, wo blieb nur seine Frau? Wieder klingelte er dem Mädchen: „Hat meine Frau Ihnen nicht gesagt, wann sie zurückkehren würde?”
„Die gnädige Frau wollte spätestens in einer Viertelstunde wieder hier sein, auch mir ist es unerklärlich.”
„So decken Sie den Tisch für mich allein, ich will essen.”
Da ertönte durch die Wohnung der schrille Ton der elektrischen Glocke und einen Augenblick später stürmte Frau Elsa in das Zimmer, erregt und hochroth im Gesicht von der Anstrengung des schnellen Gehens. Ermattet sank sie, nachdem sie ihren Mann flüchtig begrüßt, in einen Stuhl nieder.
„Nein, zu sagen ist es überhaupt nicht, denk' Dir nur, ich habe nicht einmal dasselbe Band bekommen können. Kannst Du Dir so etwas überhaupt vorstellen? Wenigstens in zwanzig verschiedenen Läden und Geschäften bin ich gewesen, zu sagen ist es überhaupt nicht, wie geschmacklos die Farbenzusammenstellungen heutzutage sind, und die Preise sind überhaupt nicht zu erschwingen.”
„Du änderst Deine Ansichten recht häufig,” entgegnete er, „was Dir gestern schön erschien, ist heute nach Deiner Meinung gräßlich. Nun aber laß uns bitte zu Tisch gehen. Wie lange glaubst Du übrigens, daß die Arbeiter noch zu thun haben werden?”
„Sie haben mir fest versprochen, wenn irgend möglich, noch heute Alles fertig zu machen.”
Sein Gesicht wurde recht lang, als er erwiderte: „Du sprachst gestern doch nur von einigen Stunden?”
„Ja, ja,” antwortete sie lebhaft, „das hatte ich auch geglaubt, aber die Thätigkeit der Handwerker besteht heut zu Tage ja nur noch im Frühstücken, von Arbeiten ist gar keine Rede. Die Fremdenstube ist doch nur so klein, aber man ahnt gar nicht, wie viel es doch darin zu thun giebt. Denk' Dir nur, die Arbeiter bestehen darauf, daß die große Truhe auf den Corridor gestellt wird.”
„Gewiß, gewiß,” brauste er auf, „damit man sich das Genick bricht, wenn man auf dem dunklen, schmalen Gang dagegen läuft, gewiß, macht nur Alles so, wie Ihr es wollt! Ich erlebe das Ende dieses Logirbesuches doch nicht, entweder hast Du mich bis dahin verhungern lassen oder das Hämmern der Tischler hat mir eine Gehirnerschütterung beigebracht!”
Mit dem Glockenschlage sechs Uhr trat einer der Arbeiter ein und meldete, daß sie mit dem Aufräumen, Packen und Einrichten des Zimmers nicht fertig geworden wären, aber morgen Mittag wäre Alles parat, da könne der Herr sich hoch und heilig darauf verlassen.
Und die Arbeiter hielten Wort: als der Assessor Brunau am nächsten Mittag um zwölf Uhr heimkehrte, um seine Frau zum Bahnhof abzuholen, stand einer der Handwerker schon seiner wartend vor der Thür und überreichte ihm für Lohn, Auslagen und Kleinigkeiten eine Rechnung von vierzig Mark. In der Freude seines Herzens, die Quälgeister endlich los zu sein, bezahlte er ohne Sträuben und betrat mit einem „Beeile Dich Elsa, wir haben keine Zeit mehr,” das Zimmer seiner Frau. Aber die Stube war leer, nur ein kleines, blaues Billet lag eröffnet auf dem Tisch. Schon wollte er neugierig die Hand danach ausstrecken, als seine Frau in das Zimmer trat.
„Noch im Schlafrock, Elsa, was bedeutet das?” fragte er erstaunt.
„Das heißt,” erwiderte sie, „denk' Dir nur, Erna hat abtelegraphirt. „Kommen unmöglich, Brief folgt!” Sage selbst, ist das nicht mehr als ungezogen? Erst nimmt sie meine gar nicht ernsthaft gemeinte Einladung an und hinterher sagt sie wieder ab. Aber die Welt kann untergehen, ehe ich wieder Jemanden einlade.”
Mit einem Jubelschrei schloß er sie in seine Arme: „Gott lohne Dich für dieses Wort, das selbst mit zweihundert und vierzig Mark nicht zu theuer erkauft ist.”
Als nun Freitag Abend die Tanten zu ihrer gewöhnlichen Whistpartie kamen, waren sie auf das Höchste überrascht, das junge Ehepaar wieder im besten Einvernehmen zu finden, ihr Erstaunen aber wuchs, als Brunau ihnen das neueingerichtete Fremdenzimmer zeigte.
„Kinder, was wollt Ihr nur damit?” fragte Tante Auguste.
„Ja, das weiß ich auch nicht,” antwortete Elsa, „aber Ernst hatte es sich nun einmal fest vorgenommen. Natürlich widersprach ich und deshalb hatten wir uns das letzte Mal, als Ihr hier wart, gezankt; denn das Geld ist doch eigentlich fortgeworfen.”
Tante Auguste stand einen Augenblick in tiefes Sinnen versunken, dann sagte sie plötzlich: „Kinder, mir fällt ein Stein vom Herzen, seit acht Tagen denke ich schon vergebens darüber nach, wo ich mein müdes Haupt hinlegen soll, wenn meine Wohnung in der nächsten Woche neu tapeziert wird. Was meint Ihr, wenn ich so lange als Euer erster Logirbesuch hier einzöge?”
Eine Secunde waren sie Beide sprachlos, dann sagten sie, aber die Worte kamen seltsam abgebrochen vor:
„Es wird uns — eine Ehre — und ein Vergnügen — sein!”