Kompagnie-Exerzieren.

Militär-Humoreske von Freiherr von Schlicht,
in: Neue Hamburger Zeitung” vom 26.8.1898,
in: „Das Manöverpferd” und
in: „Vom köstlichen Humor”


Schon zu Josephs Zeiten waren sich die Schaffner der elektrischen Straßenbahnen darüber einig, daß zwischen einer Litfaßsäule und einem Saugpfropfen für ungeborene Zwillinge absolut keine Ähnlichkeit vorhanden sei, und ebenso einig sind im aufgeklärten neunzehnten Jahrhundert alle Menschen sich darüber, daß das Soldatenleben wenig oder gar keine Abwechslungen bietet.

Das Leben des Soldaten
Ist an Zerstreuung knapp,
Erst nimmt man Gewehr über —
Dann nimmt man Gewehr ab.

Schön ist der Vers ja gerade und ungerade nicht geworden, aber es ist doch wenigstens einer — und einer ist für manche alte Jungfer immer besser als keiner, besonders wenn er hübsch, jung und reich ist.

Doch nicht davon wollte ich sprechen, sondern von etwas anderem.

Kürzlich saß ich mit einem früheren Kameraden beim Pilsener Bier; wer mich persönlich kennt, weiß, daß ich solche Sitzungen sehr ernst und gewissenhaft nehme. Also wir saßen und saßen und tranken und tranken und sprachen von Lust und Liebe, von Hunden und jungen Pferden, nein, von Pferden und jungen Hunden, und wie das Leben doch so traurig sei und wie die Anna süß wäre und wie schön die Bertha tanzte und wie herrlich es doch eigentlich sei, Offizier zu sein.

„Du meinst, weil alle kleinen und großen Mädchen sich in Euch verlieben?” fragte ich.

„O nein,” gab er zur Antwort, „deshalb nicht, aber ich kann mir keinen schöneren Stand denken, keinen Beruf, der mehr Abwechslungen bietet, als gerade das Offiziersein.”

„Nanu?” fragte ich und machte ein Gesicht wie die Kuh, die aus Versehen den Milcheimer, in den sie gemolken werden soll, verschluckt hat.

„Das ist doch ganz klar,” sagte mein Visavis, „zuerst exerzieren wir Rekruten, dann exerzieren wir im Zug und dann in der Kompagnie, um später im Bataillon und bald darauf im Regiment und in der Brigade zu exerzieren; sind wir damit fertig, fängt das Manöver an, und ist das Manöver aus, fangen wir mit den Rekruten wieder an. Mehr Abwechslung kann man doch nicht verlangen.”

„Ist das Dein Ernst?” fragte ich.

„Natürlich,” sagte er, „glaubtest Du, es wäre mein Friedrich?”

„Solche Witze verbat schon Methusalem sich und Alexander wurde schon wegen derselben Redensart aus einem Bierhaus hinausgeworfen,” rief ich empört, „nun aber sage mir, bei welchem Teil Eures abwechslungsreichen Programms seid Ihr denn jetzt angekommen?”

Da warf er sich stolz in die Brust, daß die Knöpfe des Waffenrockes beinahe sprangen, und sagte wichtig, wie es nur ein Leutnant sagen kann: „Jetzt exerzieren wir in der Kompagnie. Kellner, noch ein Pilsener.”

„Nummer sechzehn,” sagte der Piccolo, als er das frisch gefüllte Glas wieder hinsetzte — da begriff ich, daß mein Begleiter etwas sonderbare Ansichten hatte.

Nach einer weitere Stunde erhoben wir uns.

„Länger kann ich leider nicht bleiben, jetzt ist es drei Ur, um sieben Uhr treten wir schon an.”

„Trete glücklich,” gebe ich zur Antwort.

„Kommst Du nicht ein bißchen heraus, um Dir die Sache anzusehen?”

Ich winkte dankend ab. „Kennen wir, nihil novi subter solem, das heißt auf deutsch: ein Soolei ist kein Nilpferd. Nein, mit gehe ich nicht, aber im Geiste will ich Dich begleiten, wenn auch nicht bis an der Welt Ende, so doch bis ans Ende des Exerzierplatzes.”

Ein schwerer Seufzer entringt sich seiner Brust: „Du, der ist lang.”

„Ich weiß, sechzehnhundert Meter, ich kenne ihn, oft genug bin ich sprungweise über denselben gelaufen.”

Er faßt meine Hand: „Bitte, sprich jetzt nicht davon, laß mich wenigstens bis morgen früh um sieben Uhr glücklich sein.”

Ich bin kein Unmensch, wenn ich auch kein Engel bin — ich lasse ihn glücklich sein bis sieben Uhr.

Jetzt ist es sieben.

Es thut mir leid für den Schläfer, aber ich kann nicht länger warten, denn sonst wird dies Feuilleton noch länger als es so wie so (man kann auch sagen: wie so so) schon wird.

Als die Herren Leutnants um sieben Uhr den Kasernenhof betreten, rangiert der Feldwebel die Kompagnien.

„Zu vieren abzählen!”

„Eins, zwei, drei, vier, eins, zwei, drei, vier, eins, zwei, drei, vier,” geht das mit der Geschwindigkeit einer durchgehenden Sekundärbahn vom rechten bis zum linken Flügel.

So, nun ist alles in Ordnung, die Züge, Halbzüge und Sektionen sind eingeteilt, das Spiel kann beginnen.

Die Herren Leutnants stehen vor der Front und warten auf den Herrn Hauptmann.

„Wollen wir nicht den Anzug nachsehen?” fragt der jüngere den älteren.

„I wo,” lautet die Antwort, „ist ja Unsinn, besser wird der Anzug davon doch nicht, ich habe keine Lust, aber wenn es Ihnen Vergnügen macht —”

„Absolut nicht.”

„Na, dann sind wir uns ja mal wieder einig, bitte, stehen Sie einmal einen Augenblick still, damit ich Sie auf Vordermann aufbauen kann.

Eins, zwei, drei, nun linksum kehrt,
Seht da naht das Hauptmannspferd,
Oben drauf ein kühner Reiter,
Wie geht dieser Vers nun weiter?

Der Herr Oberleutnant hat diesen alten Reim seinem jüngeren Kameraden vorgesagt, und läßt er „stille stehen” und meldet.

„Ich danke sehr, haben die Herren den Anzug nachgesehen?”

Beide deuten durch ihres Gesten an, daß sie die Sache unbegreiflicherweise total vergessen hätten.

„Bitte, denken die Herren in Zukunft daran, heute wollen wir es nur so lassen. Ich bitte, einzutreten.”

„Stillgestanden, das Gewehr über — mit Sektionen vom rechten Flügel abmarschiert — Bataillon — marsch!”

„Es marschiert die Kompagnie zum Thore hinaus — ade,
Kameraden, die schauen zum Fenster hinaus — ade,
Und wenn es soll exerzieret sein,
Laß Deine Kompagnie es sein — ade, ade, ade.”

Nach den Klängen des Federviehs geht es durch die Straßen der Stadt, endlich kommt das Kommando: „Abgeschlagen, Marschordnung.”

Das heißt auf deutsch:

„Jetzt alle Mann die Pfeifen 'raus,
Denn Tabak ist ein Götterschmaus.”

Die Herren Leutnants zünden sich eine Cigarre an; um Feuer zu bekommen, gehen sie, dem Verbote entgegen, auf den Bürgersteig, bleiben dort einen Augenblick stehen, zünden sich ein Streichholz an und gehen dann auf dem Trottoir weiter.

„Meine Herren, das geht nicht, Sie müssen auf dem Fahrdamm gehen.”

Dem Herrn Oberleutnant ist das sehr unangenehm: erstens hat er sehr chice Lackstiefel an, zweitens hat er sehr wenig chice Hühneraugen und drittens hält er es unter seiner Würde, auf dem Fahrdamm zu wandern und sich von vorüberrollenden Wagen bespritzen und beschmutzen zu lassen.

Ein Oberleutnant ist manchmal noch frecher als Oskar.

„Herr Hauptmann, verboten ist es ja zwar, aber es sieht ja keiner.”

„Es könnte aber jemand sehen, meine Herren, ich muß sehr bitten, den Bürgersteig freizumachen.”

Dem Herrn Oberleutnant ist plötzlich die Cigarre ausgegangen; er bleibt stehen, er will den Abstand zwischen sich und seinem Hauptmann verringern, aber der Capitano ist schlauer, als sein Unterthan glaubt, er hält sein Roß an und bleibt neben seinem Leutnant stehen.

„Nicht wahr, Herr Oberleutnant, Sie kommen auf den Fahrdamm und zwingen mich nicht, Ihnen den Befehl hierzu erteilen zu müssen?”

Dann hilft das nichts, also herein mit den Lackstiefeln in den Straßenschmutz.

Nach einer Stunde hat man den Exerzierplatz erreicht — so weit das Auge reicht, kein Mensch da.

Der ganze Platz ist leer.

Die Ansichten bei diesem Anblick sind verschieden; der Herr Hauptmann denkt: „Na, nun kann ich meine Kompagnie einmal ordentlich exerzieren;” die Herren Leutnants denken: „Das wird ein genußreicher Vormittag werden;” die Unteroffiziere sehen sich verständnisinnig an, und ein braver Musketier sagt zu seinem Nebenmann: „Hein, mi dhaun nu all mine Knaken weh” (Heinrich, mir thun jetzt schon meine Knochen weh).

„Aufhören zu rauchen,” ruft der Herr Hauptmann.

Jeder macht noch einige gewaltige Züge, so daß die Kompagnie für einen Augenblick in eine dichte Dampfwolke gehüllt ist, dann trennt er sich schweren Herzens von seinem Nasenwärmer.

„Bitte, die Herren, einzutreten — Tritt gefaßt. Links, links, links. Hö-ö-ö-her, das-ist-gar-nichts-links-links-so-wird's-werden. Meier, tragen Sie Ihr Gewehr besser — links, links, runter mit den Fußspitzen, wozu habt Ihr denn die Dinger, links-links — Herr Leutnant, Sie gehen nicht geradeaus, das ist nichts, das ist noch weniger als gar nichts, das wollen wir noch einmal machen — zurück, marsch, marsch.”

Und der Hauptmann jagt seine Kompagnie nach dem Eingang des Exerzierplatzes zurück.

„Ohne Tritt — marsch. Tritt — gefaßt, Jungens, daß Ihr Euch anstrengt! Und wenn es zwölf Uhr abends wird, ich gehe nicht eher mit Euch nach Hause, als bis die Sache so geht, wie ich es haben will.”

Diese Aussicht ist wenig verlockend, denn so mancher hat sich mit seinem Rautendelein zum Abend am Brunnen verabredet und findet den Aufenthalt dort angenehmer und leichter als hier auf dem Exerzierplatz.

So spucken sich die Jungens denn heimlich auf die Beine und werfen die linken Kommißbeine, daß es kracht.

Und voll Bewunderung sieht der Häuptling, wie seine Leute sich anstrengen, wie ihnen der Schweiß auf der Stirne perlt, und voll Selbstgefühl sagt er zu sich: „Ich bin doch ein ganzer Mann!”

„Marschiert auf —”

Leutnants, Unteroffiziere und Mannschaften stöhnen in unnennbarem Weh; sie wissen, was jetzt kommt. Der weise Mann sucht das kommende Unheil abzuwenden, der Soldat kann das nicht, der hält still, wie der Vorgesetzte will, er neigt sein Haupt und macht sich auf das Kommende gefaßt.

„Marsch, marsch.”

Der Herr Oberleutnant setzt sich in Bewegung, es wird ihm sauer, er ist nicht mehr der jüngste, aber laufen muß er, als wenn er zwanzig wäre, er stöhnt wie eine Lokomotive, der die Puste ausgegangen ist, aber was hilft's, er muß mit, und so kommandiert er sich denn im stillen: „Eskadron — Galopp — marsch.”

Und wie er, so laufen, mit Ausnahme der ersten Sektion, die geradeaus weiter marschiert, alle anderen Mitglieder der Kompagnie — Vergnügen dran hat ki-ka-keiner.

Nun kommt der mit Recht so beliebte Frontmarsch.

Den kann keiner.
Den kann auch keiner können.
Aber man soll ihn können können.
Hilf! Samiel Hilf!

„Der Meier, der Lümmel, geht wieder nicht geradeaus.”

Der Meier, der Lümmel, will es so gerne, aber sein rechter Nebenmann schubbst ihn nach links und der linke schubbst ihn mit einem Bannfluch nach rechts; so schwankt nicht nur sein Charakterbild, sondern der ganze Kerl in der Geschichte, und die „Geschichte” taugt nach Ansicht des Herrn Hauptmanns gar nichts.

„Feldwebel, schreiben Sie mal den Meier zum Nachexerzieren auf.”

Ein angenehmerer Auftrag konnte dem Feldwebel gar nicht zu teil werden, er hat nämlich schon lange keinen „Spaß” mehr.

So steckt er denn seinen „Spieß” in die Erde, holt möglichst umständlich sein Notizbuch heraus, spitzt sich die Bleifeder an und bringt den Fall zu Papier.

Die Kompagnie marschiert unterdes ruhig weiter.

In angemessener Entfernung folgt der Feldwebel.

„Den Hansen auch,” ruft der Hauptmann.

Ein zufriedenes Lächeln umspielt den Mund der Mutter der Kompagnie, nun ist er „fein heraus”, nun ist der „Alte” in Fahrt, nun hagelt es nur so mit dem Nachexerzieren, alles muß der Feldwebel aufschreiben — folglich kann er nicht eintreten.

„Bataillon — Halt. Gewehr — ab. Rührt Euch.”

Die Kerl schieben sich ihren „Affen” zurecht, den sie auf dem Buckel tragen, lüften für einen Augenblick den Helm, schnappen nach Luft und bereiten sich auf neue Heldenthaten vor.

„Stillgestanden. — Rührt Euch.”

„Das Stillstehen taugt nichts,” tadelt der Herr Hauptmann, und die Kerls denken: „Da hat er recht, das Stillstehen taugt nichts, das Ruhen ist viel bequemer.”

„Stillgestanden.”

„Das war schon besser, aber schön ist es noch lange nicht. Das Gewehr über. Ohne Tritt marsch.”

Die Kompagnie tritt an, die Leute wissen ganz genau, was jetzt kommt, nun kommt „das Formieren der verschiedenen Formationen.”

Nun geht's los.

„Kompagnie-Kolonne — formiert — marsch, marsch.”

„Marschiert auf — marsch, marsch.”

„Rechts Kompagnie-Kolonne formiert — marsch, marsch.”

„Links marschiert auf — marsch, marsch.”

„Es ist ein altes, aber wahres Wort,” stöhnt der Herr Oberleutnant, „der Soldat hat auf Erden keine Ruhe, er hat keine Stelle, wo er sein müdes Haupt hinlegen kann. Bald ist man hier, bald dort, man wird in der Welt herumgeschickt, als hätte man ein Rundreisebillet, aber man hat auf keiner Station Aufenthalt —”

„Bitte, Herr Leutnant, schlafen Sie nicht.”

Schlafen? Schlafen bei dem Tempo, in dem er seit fünf Minuten wie ein ins Rollen gekommener Sirupstopf über den Exerzierplatz fährt?

Und doch hat er gedöst, er hat nach dem letzten Kommando nur halb hingehört, so ist er für seine Person ganz allein rechts aufmarschiert, während die ganze übrige Kompagnie nach links lief.

„Aber, Herr Leutnant,” tadelt der Herr Hauptmann.

„Mein Gott, warum soll ich nicht auch einmal eine Dummheit machen,” denkt der Herr Oberleutnant, „wenn ich Ihnen jedesmal, wenn ich mit Ihrem Thun und Treiben nicht einverstanden bin, ein ,aber, Herr Hauptmann,' zurufen würde, müßte ich mir alle acht Tage auf Kompagniekammer neue Sprachwerkzeuge verpassen.”

„Kerls, seid nicht so dösig,” donnert der Capitano.

Der Zug des Herrn Oberleutnant hat erst jetzt bemerkt, daß sein Anführer nach rechts gelaufen ist, die Leute sind zu wohl erzogen, um ihrem Herrn und Gebieter eine Dummheit zuzutrauen, so denken sie, wo der Leutnant ist, da wohnt das Glück, da ist es richtig, und sie machen sich auf den Weg, um sich um ihren Führer zu scharen.

„Ihr seid ja dümmer als dumm.”

Diese wenigen Worte nimmt der Herr Oberleutnant sehr übel, denn seine Leute wollen doch nur das thun, was auch er gethan hat, und daß seine Thaten vor versammeltem Kriegsvolk so beurteilt werden, ist ihm sehr unangenehm.

„Rührt Euch.”

Dieses Kommando söhnt ihn wieder mit seinem Geschick aus — der Hauptmann ist doch ein ganz verständiger Beamter.

Aber selbst das Rühren eines Eierkuchens dauert nicht ewiglich, geschweige denn das Rühren eines Soldaten.

„Stillgestanden. Wir wollen jetzt die Griffe durchnehmen, wenn sie gehen, gehen wir in einer halben Stunde nach Haus.”

Als der Herr Oberleutnant das Wort „Griffe” hört, denkt er: Der Capitano ist nicht nur ein verständiger, sondern sogar ein sehr verständiger Beamter.

Er steckt sein Schwert in die Scheide und tritt aus der Front.

Verwundert sieht sein Hauptmann ihn an: „Ich bitte einzutreten, Herr Leutnant; ich erinnere mich nicht, das Gegenteil befohlen zu haben.”

„Das hast Du allerdings nicht,” denkt im stillen der Herr Leutnant, „aber es ist doch bei jedem einigermaßen verständigen Hauptmann Mode, daß die Offiziere bei den Griffen austreten. Was ich dabei noch lernen soll, ist mir noch dunkler als das Telegraphieren ohne Draht, von dem ich genau so viel verstehe wie ein Buschmann von der flüssigen Luft. Seit vierzehn Jahren bin ich nun schon Leutnant und habe die besten Aussichten, es auch noch einige Jahre zu bleiben. Wenn ich nun noch nicht mit meinem Sabul ,Gewehr über, Gewehr ab' nehmen kann, müßte ich ja wirklich wegen Überfluß an geistigem Blödsinn ins Irrenhaus gesperrt werden.”

„Herr Leutnant, Sie halten Ihren Säbel falsch, die Schneide muß genau nach vorn zeigen.”

Während der Herr Oberleutnant im Innern seines Herzens das Blaue vom Himmel und seinen Vorgesetzten beinahe vom Pferd herunterräsonniert, hat er mechanisch einen Griff nach dem anderen gemacht, leider ohne sich die Zufriedenheit seines Hauptmanns zu erwerben.

Das ärgert den Herrn Oberleutnant gewaltig, besonders als sein Capitano nun auf ihn zureitet und ihm die Griffe vormacht.

Nun ist er zum zweiten Male vor versammeltem Kriegsvolk blamiert.

„Werden Sie es nun können, Herr Leutnant, oder soll ich es Ihnen noch einmal zeigen?”

Der Hauptmann merkt ganz genau, daß sein Leutnant ihn ärgern will, aber wenn er auch von seiner Schulzeit her nicht mehr viel behalten hat, so kennt er dennoch das Wort: „Wie Du mir, so ich Dir.”

So ärgern sie sich gegenseitig an.

Endlich ist die halbe Stunde vorüber.

„Und nun, Jungens, noch einen Parademarsch, nur einen einzigen, aber einen guten, dann gehen wir auch ganz bestimmt nach Haus.”

„Die Botschaft hör' ich wohl,
Allein mir fehlt der Glaube,”

denken die Leutnants mit für ihre Leute, die von „Faust” weiter nichts wissen, als daß man dafür beim Militär „Müllschüppe” sagt.

Ich bin wohlerzogen genug, um wegen dieses furchtbar schwachen Versuches, einen Witz zu machen, um Verzeihung zu bitten.

„Nur ein Parademarsch, aber ein guter,” ebensogut könnte man sagen: Nur einen Luftballon, aber einen lenkbaren, oder nur ein „Schmücke” ohne „Dein Heim”.

Das giebts aber nicht auf dieser Thränenwelt, wo es so vieles giebt, was es nicht giebt.

Als die Kompagnie sechzig Parademärsche gemacht hat, fängt den Beteiligten die Sache an langweilig zu werden.

Wer es ihnen verdenken kann, werfe den schwersten Stein auf sie.

„Nun, es geht eben nicht, es geht nicht,” tröstet sie der Hauptmann, „das schadet aber nichts, das werden wir schon noch lernen, da könnt Ihr ganz ruhig sein, und zwar lernen wir es heute noch. Feldwebel, was ist heute mittag für Dienst angesetzt?”

„Von zwei bis vier Uhr Turnen, Herr Hauptmann.”

„So melden Sie Dienstveränderung; schreiben Sie: ,Heute mittag zwei Uhr Abmarsch der Kompagnie nach dem Exerzierplatz zum Exerzieren und Parademarschüben.'”

Der Hauptmann spricht, der Feldwebel schreibt, und alles stöhnt. — — —

Lieber Pilsener Bierbruder, hätst Du noch Deine Behauptung aufrecht, daß kein Beruf so reich an Abwechslungen sei als der Deinige?

Dann ist Dir nicht zu helfen, aber auf Dein Haupt müßte eine Prämie gesetzt werden, mit der, frei nach Schiller, einer armen Familie geholfen werden könnte.


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