Von Freiherr von Schlicht.
in: „Simplicissimus”, 8.Jahrgg., Nr.7, S.50, 12.5.1903
in: „Neue Hamburger Zeitung” vom 20.6.1903,
in: Kaisermanöver,
in: Die Frau Oberst,
in: Rekrutenbriefe und
in: Das lustige Salzer-Buch
Marcell Salzer, Band 3
Fassung Schlicht
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Fassung Salzer
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Leutnant von Pechwitz hatte einen physischen Jammer, nicht den gewöhnlichen Wald-, Feld-, Flur- und Wiesenkater, den man sich für billiges Geld kauft, und den man für billiges Geld, mit einem Glas Pilsner oder einer Grätzer wieder los wird, o nein, den nicht, sondern den anderen. Und der andere ist leider Gottes ganz anders. |
Leutnant von Pechwitz hatte einen physischen Jammer, nicht den gewöhnlichen Wald-, Feld-, Flur- und Wiesenkater, den man sich für billiges Geld kauft, und den man für billiges Geld, mit einem Glas Pilsner oder einer Grätzer wieder los wird, o nein, den nicht, sondern den anderen. Und der andere ist leider Gottes ganz anders. |
Leutnant von Pechwitz lag regungslos, alle viere lang ausgestreckt, mit offenen Augen in seinem Bett und starrte die Decke an, oder richtiger gesagt: die Decke starrte ihn an, denn er selbst konnte garnichts sehen. Seine fünf Sinne befanden sich Gott weiß wo, nur nicht bei ihm, und am weitesten weg war sein Denkvermögen. Wäre es zur Stelle gewesen und hätte Pechwitz überhaupt etwas denken können, so wäre dies nur gewesen: o Gott! Er hatte gestern in Zivil eine Bummelreise gemacht, er war — — — ja, wo war er nur gewesen, und wo war er nicht gewesen? Wenn jemand von ihm verlangt hätte, er solle sein Alibi von gestern nachweisen, so hätte er leicht den schönsten aller Meineide schwören können. |
Gestern hatte Leutnant von Pechwitz eine Bummelreise gemacht, heute aber lag er regungslos, alle viere lang ausgestreckt, mit offenen Augen in seinem Bett und starrte die Decke an, oder richtiger gesagt: die Decke starrte ihn an, denn er selbst konnte garnichts sehen. Seine fünf Sinne befanden sich Gott weiß wo, nur nicht bei ihm. Hätte Pechwitz überhaupt etwas denken können, so wäre dies nur gewesen: o Gott! |
Eine Viertelstunde nach der anderen verrann, Pechwitz rührte sich nicht, ihm fehlten die Kräfte dazu. Da öffnete sich die Thür und sein Bursche trat herein: „Herr Leutnant — — — aufstehen.” |
Eine Viertelstunde nach der anderen verrann, Pechwitz rührte sich nicht. Da öffnete sich die Thür und sein Bursche trat herein: „Herr Leutnant — — — aufstehen.” |
Erst beim zehntenmal hörte der Herr Leutnant den Ruf, erst beim zwanzigstenmal begriff er ihn, aber er stand nicht auf, o nein, er sah seinen Peter Petersen nur mit einem wahnsinnig-dummen, blöden, irrsinnigen Lächeln an. Dann aber wurde er grob: „Sie wollen mich wohl uzen, was? Aber wenn Sie glauben, daß ich mich uzen lasse, dann irren Sie sich. Wissen Sie überhaupt, wer ich bin? Ich bin der Leutnant von Pechwitz, jawohl, der bin ich, und wenn Sie mir zu nahe kommen, dann können Sie was erleben, verstanden?” |
Erst beim zehntenmal hörte der Herr Leutnant den Ruf, beim zwanzigsten begriff er ihn, aber er stand nicht auf, o nein, er sah seinen Peter Petersen nur mit einem wahnsinnig-dummen, blöden, irrsinnigen Lächeln an. „Sie wollen mich wohl uzen, was? Wissen Sie überhaupt, wer ich bin? Wenn Sie mir zu nahe kommen, dann können Sie was erleben, verstanden?” |
Peter Petersen war Kummer und Elend gewöhnt, mit starkem Arm ergriff er seinen Leutnant, hob ihn aus dem Bett, stellte ihn vor den Waschtisch und zog ihm das Nachtgewand ab. Dann ergriff er einen Riesenschwamm, tauchte ihn in eiskaltes Wasser und drückte ihn über seinem Herrn und Gebieter derartig aus, daß diesem das Wasser vom Genick über den Rücken und die anderen sterblichen Körperteile floß. Das war Peter Petersens Trick, um seinen Leutnant nach durchschwärmten Nächten „dienstfreudig” zu machen. Für gewöhnlich half das auch, dann sprang der Leutnant wie ein Wilder im Zimmer hin und her und rief: „Peter Petersen, ich ermorde dich!”, aber heute blieb diese Wirkung aus. Da nahm der Bursche seinen Leutnant, stellte ihn in die niedrige Badewanne, ergriff einen Eimer kalten Wassers und goß ihm diesen vom Genick aus den Körper entlang. |
Peter Petersen war Kummer und Elend gewöhnt, mit starkem Arm ergriff er seinen Leutnant, hob ihn aus dem Bett, stellte ihn vor den Waschtisch und zog ihm das Nachtgewand ab. Dann ergriff er einen Riesenschwamm, tauchte ihn in eiskaltes Wasser und drückte ihn über seinem Herrn und Gebieter derartig aus, daß diesem das Wasser vom Genick über den Rücken und die anderen sterblichen Körperteile floß. Das war Peter Petersens Trick, um seinen Leutnant nach durchschwärmten Nächten „dienstfreudig” zu machen. Für gewöhnlich half das auch, dann sprang der Leutnant wie ein Wilder im Zimmer hin und her und rief: „Peter Petersen, ich ermorde dich!”, aber heute blieb diese Wirkung aus. Da nahm der Bursche seinen Leutnant, stellte ihn in die niedrige Badewanne, ergriff einen Eimer kalten Wassers und goß ihm diesen vom Genick aus den Körper entlang. |
Was er wohl dazu sagt? dachte Peter Petersen. Und was der Leutnant dazu sagte, faßte er zusammen in die Worte: „Auch über den Kopf.” |
Was er wohl dazu sagt? dachte Peter Petersen mit Schrecken. Was der Leutnant dazu sagte? „Ooch über den Kopf.” |
Und Peter Petersen tat, wie sein Herr wünschte. Nach einer halben Stunde hatte Peter Petersen seinen Leutnant angezogen und ihm eine Tasse Thee eingeflößt, aber zum Essen war er nicht zu bewegen, schon bei dem Anblick der Brötchen gab er einen ganz eigentümlichen Gutturalton von sich, sodaß Peter Petersen es vorzog, seinem Herrn den Brotkorb höher zu hängen. Das that er auch und stellte ihn oben auf den Schrank. |
Und Peter Petersen tat, wie sein Herr wünschte. Nach einer halben Stunde hatte Peter Petersen seinen Leutnant angezogen und ihm eine Tasse Tee eingeflößt, aber zum Essen war er nicht zu bewegen. Huuh! |
Als der Herr Leutnant sich endlich anschickte, das Zimmer zu verlassen, wandte er sich in der Thür nochmals um und sah seinen Burschen mit verglasten Augen an: „Peter Petersen, ich glaube, ich bin noch betrunken.” Das kam Peter Petersen auch so vor, aber er hütete sich, seine Ansicht zu äußern. |
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„Mein Gott, wie sehen Sie denn aus?” fragte der Hauptmann, als Pechwitz um einige Minuten später mit sterbender Stimme sich bei ihm zur Stelle meldete. „Sind Sie krank?” |
„Mein Gott, wie sehen Sie denn aus?” fragte der Hauptmann, als Pechwitz mit sterbender Stimme sich bei ihm zur Stelle meldete. „Sind Sie krank?” |
„Sehr, Herr Hauptmann,” stöhnte Pechwitz. „Der Herr Hauptmann kennen mich, ich bin gewiß kein Drückeberger, aber wenn der Herr Hauptmann mich heute davon dispensieren wollten, mit nach dem großen Platz auszurücken — — —” „Aber was fehlt Ihnen denn?” „Offen gestanden, Herr Hauptmann, ich habe einen Jammer.” |
„Sehr, Herr Hauptmann. Der Herr Hauptmann kennen mich, ich bin gewiß kein Drückeberger, aber wenn der Herr Hauptmann mich heute davon dispensieren wollten, mit nach dem großen Platz auszurücken — — —” „Aber was fehlt Ihnen denn?” „Offen gestanden, Herr Hauptmann, ich habe einen Jammer.” |
Der Vorgesetzte lachte laut auf. „Weiter nichts? Die frische Luft wird Ihnen sehr gut thun, kommen Sie nur mit.” |
„Ha — ha — ha! Weiter nichts? Die frische Luft wird Ihnen sehr gut tun, kommen Sie nur mit.” |
„Das ist mein Tod,” stöhnte Pechwitz, dann trat er ein und unter den Klängen der Trommler und Pfeifer ging es zum Thor hinaus. Endlich wurde abgeschlagen und Pechwitz, der an der Queue der Kompagnie marschierte, rief sich den Fähnrich heran: „Sind Sie gestern ganz solide gewesen?” |
Und unter den Klängen der Trommler und Pfeifer ging es zum Tore hinaus. „Fähnrich,” rief Pechwitz leise, „sind Sie gestern ganz solide gewesen?” |
„Zu Befehl, Herr Leutnant, ich habe schon um neun im Bett gelegen.” „Das ist brav, so muß es auch sein, man kann überhaupt nicht solide genug leben, nur nicht bummeln, und vor allen Dingen nicht kneipen — — — merken Sie sich das, Fähnrich. Der Suff ist ein Laster, nur Thoren behaupten, ein schönes, und dann erst der folgende Tag, der Lendemain, den hat der Satan erfunden. So, nun geben Sie mir Ihren Arm, ich weiß nicht, mir ist heute so schwindlig, und dabei bin auch ich so früh zu Bett gegangen, schon kurz nach halb. Na, ich will versuchen, ob ich im Gehen ein bischen schlafen kann, sonst will ich wenigstens dösen, wenn wir draußen sind, wecken Sie mich.” Und der Herr Leutnant schloß die Augen. |
„Zu Befehl, Herr Leutnant, ich habe schon um neun im Bett gelegen.” „Das ist brav, so muß es auch sein. Der Suff ist ein Laster, merken Sie sich das. Ich bin heute ooch früh zu Bett gegangen. Schon kurz nach halb. Sie Fähnrich! Wissenschaft halber möchte ich heut' mal probieren, ob man nicht auch im Gehen ein bißchen schlafen kann. Wenn wir draußen sind, wecken Sie mich.” „Zu Befehl, Herr Leutnant!” |
Der Hauptmann sah, wie sein Leutnant duch die Welt zog und in seiner Seele rührte sich etwas wie Mitleid. Es ist ja eigentlich grausam, sagte er sich, aber es giebt nur ein Mittel, um Pechwitz wieder gesund zu machen, er muß laufen, daß ihm die Augen übergehen, da geht der Alkohol zum ersten zum Teufel, er soll Wunder erleben, wenn wir erst draußen sind. — — |
Der Hauptmann sah, wie sein Leutnant duch die Welt zog und in seiner Seele rührte sich etwas wie Mitleid. Es ist ja eigentlich grausam, sagte er sich, aber es giebt nur ein Mittel, um Pechwitz wieder gesund zu machen, er muß laufen, daß ihm die Augen übergehen, da geht der Alkohol zum ersten zum Teufel! — — |
Aber Pechwitz ahnte nicht, was ihm bevorstand, sonst hätte er sicher in diesem Augenblick nicht gefragt: „Fähnrich, sind wir noch nicht da?” |
„Fähnrich, sind wir noch nicht da?” |
„Noch 'ne halbe Stunde.” „Na denn gute Nacht.” — — „Kompagniekolonne formiert, marsch — — marsch.” Pechwitz fuhr aus seinen Träumen empor. Vor ihm in endloser Weite dehnte sich der große Exerzierplatz: „Ich stecke das Dings heute Abend an,” gelobte er sich. „Ich hab's schon oft wollen thun, heute aber thu ich es bestimmt.” Und in langsamem Tempo begab er sich an seinen Platz. |
„Noch 'ne halbe Stunde.” „Na denn gute Nacht.” — — „Kompagniekolonne formiert, marsch — — marsch.” Pechwitz fuhr aus seinen Träumen empor. Vor ihm in endloser Weite dehnte sich der große Exerzierplatz: „Ich stecke das Dings heute Abend in Brand!” gelobte er sich und begab sich in langsamem Tempo an seinen Platz. |
„Das war garnichts. Ich bitte die Herren Offiziere, schneller auf ihre Plätze zu eilen. Zurück, marsch — — marsch — — — Kompagniekolonne formiert, marsch — — marsch — — — Marschiert auf, marsch, marsch!” Das ging immer so weiter, und an jedem Aufmarsch hatte der Vorgesetzte etwas auszusetzen, und immer hieß es „nochmal”. |
„Das war garnichts. Ich bitte die Herren Offiziere, schneller auf ihre Plätze zu eilen. Zurück, marsch — — marsch — — — Kompagniekolonne formiert, marsch — — marsch — — — Marschiert auf, marsch, marsch!” Das ging immer so weiter, und immer hieß es „nochmal”. |
„Das geht auf mich,” sagte sich Pechwitz. „So klar bin ich denn doch, daß ich das merke. Aber ich kann's nicht ändern, und wenn's noch lange so fortgeht, dann streike ich.” Und plötzlich streikte er wirklich: als wieder ein Aufmarsch befohlen wurde, stützte er sein Schwert in den Sand, stützte sich selbst auf sein Schwert und sah den anderen glücklich lächelnd nach: laß sie laufen — — ich lauf' nicht mehr mit. Da erschien auch schon der Hauptmann: „Herr Leutnant, was fällt Ihnen denn ein? Herr, wie können Sie sich erdreisten, hier einfach stehen zu bleiben, wenn ich ein Kommando abgebe, das auch für Sie bestimmt ist? Herr, ich muß bitten, daß Sie meine Befehle ausführen, sonst lasse ich Sie wegen Ungehorsam im Dienst bestrafen, verstanden?” |
„Det jeht auf mich!” sagte sich Pechwitz. „So klar bin ich denn doch, daß ich das merke. Aber ich kann's nicht ändern, und wenn's noch lange so fortgeht, dann streike ich.” Und plötzlich streikte er wirklich: als wieder ein Aufmarsch befohlen wurde, stützte er sein Schwert in den Sand, stützte sich selbst auf sein Schwert und sah den anderen glücklich lächelnd nach: laß sie laufen — — ich lauf' nicht mehr mit. Da erschien auch schon der Hauptmann: „Herr Leutnant, was fällt Ihnen denn ein? Herr, wie können Sie sich erdreisten, hier einfach stehen zu bleiben. Herr, ich muß bitten, daß Sie meine Befehle ausführen, sonst lasse ich Sie wegen Ungehorsam im Dienst bestrafen, verstanden?” |
„Verstanden schon,” dachte Pechwitz, „aber du hast gut reden, du sitzest auf deinem Gaul, der klug genug war, sich vier Beine auf die Welt mitgeben zu lassen. Ich aber habe nur zwei. Laß uns tauschen, laß mich reiten, wie sagt doch der Dichter? Komm, willst Du mich reiten sehen, wenn ich zu Pferde bin? Dann will ich schwören: ich liebe dich unendlich. So aber könnte ich dich kaltblütig ermorden.” |
„Verstanden schon,” dachte Pechwitz, „aber du hast gut reden, du sitzest auf deinem Gaul. Laß uns tauschen, laß mich reiten,” dachte Pechwitz! |
„Herr, ich glaube wahrhaftig, es ist heute nicht ganz richtig mit Ihnen. Wollen Sie vielleicht die große Güte haben, sich endlich an Ihren Platz zu begeben, oder soll ich Ihnen erst grob werden?” „Mann,” dachte Pechwitz, „wenn du glaubst, daß das heute auf mich auch nur den leisesten Eindruck macht, dann irrst du dich sowohl als auch. Fluche wie du wenn du, aber lasse mich hier stehen.” Die Unterredung endete, wie stets beim Militär, damit, daß zwar nicht der Klügere, wohl aber der Untergebene nachgab, und bald darauf sauste Pechwitz wieder durch die Welt. Den Aufmärschen folgte das sprungweise Vorgehen, daß bald die ganze Kompagnie schwitzte. Der Hauptmann sah es mit Betrübnis: wenn Pechwitz nicht bald seinen Jammer los ist, werden mir die Kerls schlapp, aber bevor er nicht einen klaren Kopf hat, kann ich mit dem Exerzieren nicht beginnen. So winkte er denn seinen Leutnant zu sich heran: „Wie geht es Ihnen?” „Miserabel, Herr Hauptmann.” |
„Herr, ich glaube wahrhaftig, es ist heute nicht ganz richtig mit Ihnen. Wollen Sie vielleicht die große Güte haben, sich endlich an Ihren Platz zu begeben, oder soll ich Ihnen erst grob werden?” „Mann,” dachte Pechwitz, „wenn du glaubst, daß das heute auf mich auch nur den leisesten Eindruck macht, dann irrst du dich sowohl als auch. Fluche wie du wenn du, aber lasse mich hier stehen,” dachte Pechwitz. Die Unterredung endete, wie stets beim Militär, damit, daß zwar nicht der Klügere, wohl aber der Untergebene nachgab, und bald darauf sauste Pechwitz wieder durch die Welt. Den Aufmärschen folgte das sprungweise Vorgehen, daß bald die ganze Kompagnie schwitzte. Der Hauptmann sah es mit Betrübnis: wenn Pechwitz nicht bald seinen Jammer los ist, werden mir die Kerls schlapp, aber bevor er nicht einen klaren Kopf hat, kann ich mit dem Exerzieren nicht beginnen. So winkte er denn seinen Leutnant zu sich heran: „Wie geht es Ihnen?” „Miserabel, Herr Hauptmann.” „Weiter!” |
Das sprungweise Vorgehen wurde weiter geübt, und nach einer Viertelstunde war die Kompagnie in eine Dampfwolke eingehüllt. Der Einzige, der nicht schwitzte, war Pechwitz: „Wenn ich mich noch zwanzigmal auf meinen Bauch werfen soll, gibt's ein Unglück,” stöhnte er. „Es rumort da sowieso schon ganz eigentümlich. Außerdem ist es doch ein Blödsinn. Ich habe einen Jammer, und den Kerls wird er ausgetrieben. Hundert Leute schwitzen Oel, weil es mir schlecht geht. Hundert Menschen werden wie eine Hammelherde hin und her gejagt, damit ich meine Kopfschmerzen los werde; erstens werde ich sie überhaupt nicht wieder los, zweitens heute ganz bestimmt nicht, und drittens würde ich die Million, die ich nicht besitze, dafür ausgeben, wenn ich jetzt nach Hause gehen und mich schlafen legen könnte. Dieses aber kann ich leider nicht, folglich muß ich hier bleiben, folglich muß ich das Meinige dazu beitragen, daß dieses Laufen ein Ende hat, erstens, damit ich nicht den Tod der ganzen Kompagnie auf dem Gewissen habe, und zweitens, damit der Hauptmann nicht meinen Tod auf dem Gewissen hat, denn wenn ich hier noch länger wie ein Lämmlein durch die Haide springe, bin ich eine Leiche. Es giebt nur eins, wenn der Hauptmann mich nochmals fragen sollte, wie es mir geht, sage ich: ,Ausgezeichnet’.” Und als der Hauptmann sich wirklich gleich darauf nach seinem Befinden erkundigte, gab er zur Antwort: „Mein Jammer ist vollständig verflogen.” |
Das sprungweise Vorgehen wurde weiter geübt, und nach einer Viertelstunde war die Kompagnie in eine Dampfwolke eingehüllt. Der Einzige, der nicht schwitzte, war Pechwitz: „Wenn ich mich noch zwanzigmal auf meinen Bauch werfen soll, gibt's ein historisches Unglück. Ist doch alles Blödsinn. Hundert Kerls schwitzen Oel, weil es mir schlecht geht. Es gibt nur eins, wenn der Hauptmann mich nochmals fragen sollte, wie es mir geht, sage ich: ,Ausgezeichnet’.” Und als der Hauptmann sich wirklich gleich darauf nach seinem Befinden erkundigte, gab er zur Antwort: „Mein Jammer ist vollständig verflogen.” |
Der Vorgesetzte reichte ihm die Hand: „Na sehen Sie, das freut mich, nun wollen wir aber das sprungweise Vorgehen ordentlich üben, wir wollen jetzt nicht nur laufen, sondern darauf halten, daß ordnungsgemäß gelaufen wird. Das Hinlegen muß viel rascher geschehen, und auch Sie, Herr Leutnant, müssen sich viel schneller auf die Erde werfen. Bis jetzt habe ich mit Rücksicht auf Ihren Zustand ein Auge zugedrückt, aber länger ging es nicht mehr vor den Leuten, und deshalb hatte ich mir fest vorgenommen, Sie nach Hause zu schicken, damit Sie sich ausschlafen könnten, jetzt aber bleiben Sie natürlich hier.” |
„Na, also, sehen Sie, das freut mich. Eigentlich habe ich Sie ja jetzt nach Hause schicken wollen, damit Sie sich richtig ausschlafen. — Nu, wollen wir aber das sprungweise Vorgehen ordentlich üben.” |
Der Hauptmann ritt davon, Leutnant von Pechwitz aber holte einen kleinen Taschenspiegel hervor. Und der Anblick der verkörperten Dummheit erreichte, was seinem Peter Petersen heute Morgen mit der Wasserkur nicht geglückt war: ein eiskalter Schauer überlief vom Genick aus seinen Körper. Sein Jammer war verflogen. |
Und nun geschah ein Wunder! Leutnant Pechwitz machte in diesem Augenblick ein so unglaublich dummes Gesicht, daß der Kater, der in ihm fronte, vor Schreck und Angst ob dieses seltenen Antlitzes wie der leibhaftige Satanas mit Brausen und Gestank aus ihm entwich. Weg war er! Weg war der Kater, wag war der Jammer — Leutnant Pechwitz war wieder mobil! — |