Josina

Humoristisch-satirische Plauderei von Freiherr von Schlicht
in: „Die süssen kleinen Mädchen — Wenn sie küssen!”
Fassung (A) 1920, Fassung (B) 1926.


Fräulein Josina, eine mehr als mittelgroße, schlanke und dabei doch ein klein wenig zur Fülle neigende, dunkle Blondine von einundzwanzig Jahren, liegt, den hübschen Kopf mit den dichten Haaren, den tiefschwarzen Augen, dem feingeschnittenen Mund mit den verführerischen roten Lippen, auf die schmale, tadellos gepflegte rechte Hand gestützt, in ihren breiten Reformbett und sinnt und träumt vor sich hin. Es ist schon neun Uhr morgens, die Stunde, in der sie sonst längst auf zu sein pflegt, aber sie hat die Mutter gestern abend gebeten: „Falls ich wirklich heute nacht oder(1) richtiger gesagt, gegen Morgen etwas einschlafen sollte, lasse(2) mich bitte nicht wecken, ich werde schon von allein wach werden.” Das hat die Mutter auch versprochen und es bis zu dieser Stunde gehalten, denn auch die(3) hatte,(4) wie Josina es ihr deutlich anmerkte, geglaubt, ihr Kind würde die ganze Nacht vor Aufregung nicht eine Sekunde schlafen können. Auch Josina hätte darauf schwören mögen(5) und stattdessen(6) hat sie nicht nur wie eine Murmelratte geschlafen, sondern erst recht geträumt wie ein anderes Tier, von dem sie aber nicht weiß, wie es heißt, weil sie in der Natur­geschichts­stunde nicht aufpaßte, als von den Tieren gesprochen wurde, die besonders lebhaft träumen. Kurz und gut, wie diese namenlosen Tiere hat sie geträumt, immer einen Traum nach dem anderen. Immer einen Kußtraum nach dem anderen. Und das noch dazu heute, wo sie sich doch am Abend verloben wird. Und trotzdem solche Träume, in denen sie sich aber nicht mit ihm, dem jetzigen Auserwählten ihres Herzens beschäftigte, sondern mit solchen, denen in der Vergangenheit wenn auch nicht gerade ihr Herz, so doch ihre freundschaftlichen Gesinnungen gehörten. Damit muß es nun natürlich für immer vorbei sein(7) und es war damit auch schon längst vorbei gewesen. Sie begreift selbst nicht, wie ihr gerade in dieser Nacht die Vergangenheit wieder hat erscheinen können. Vielleicht ist es ihr da so gegangen wie einem zum Tode Verurteilten. Ein solcher soll, wie sie einmal gelesen hat, in der letzten Nacht vor der Hinrichtung sein ganzes Leben noch einmal im Fluge durchleben, natürlich auch die Sünden, die er begangen hat, und wenn sie ja auch glücklicherweise nicht vor der Hinrichtung steht, wenn ihr Leben heute auch nicht endet, sondern wenn für sie ein neues, wenn für sie nun eigentlich erst recht das Leben beginnt, trotzdem oder gerade deshalb liegt die Vergangenheit jetzt hinter ihr wie das Stück eines langen Schleiers, das man abgetreten hat und das man nicht wieder aufheben darf, um nicht zu verraten, daß man etwas verlor. Und sie hat ja auch nichts an der Vergangenheit verloren, aber schön ist die doch gewesen, gerade weil die(8) nicht ganz frei war von verbotenen Freuden und Genüssen, die sie heimlich kostete, und wohl nur deshalb war die Erinnerung daran in der letzten Nacht wieder in ihr wach geworden, wie in der letzten Nacht des Mörders die Verbrechen, die er beging. Aber ihre kleinen Sünden waren selbstverständlich keine Verbrechen, und niemand kann ihr aus denen einen Vorwurf machen, schon weil niemand außer ihr etwas von denen(9) weiß und weil sie sich selbstverständlich auch hüten wird, in Zukunft jemals davon zu sprechen. Selbst ihr späterer Mann wird nichts davon erfahren. Wenn sie erst verheiratet ist, gibt es vor dem keine Geheimnisse mehr. Was sie als seine Frau tut, soll und muß alles offen und klar vor ihm liegen, vorausgesetzt, daß sie nicht eines Tages durch sein Verhalten in der Ehe dazu gezwungen wird, nicht offen und ehrlich gegen ihn zu sein. Aber was bis zu dem Tage der Verlobung geschah, das ist ihr Privatgeheimnis, das geht keinen anderen Menschen etwas an, ihren Verlobten und späteren Mann erst recht nichts, schon weil sie nicht wissen kann, wie der darüber denkt. Auf die Männer ist nun einmal kein Verlaß. Erst schmeicheln und bitten sie, daß man ihnen alles anvertraut, sie geben keine Ruhe, die(10) wollen mit aller Gewalt erfahren, ob sie wirklich die Allerersten sind, die von ihrer Braut und Frau geliebt und geküßt werden, sie tun so, als ob sie das nicht glauben könnten, obwohl sie im stillen hoffen, daß sie es glauben dürfen, und fällt man auf ihre Versprechungen und Lockungen hinein und gesteht das Wenige, das man einzugestehen hat, dann ist dieses Wenige noch viel zu viel, und anstatt daß der Mann es seiner jungen Frau dankt, daß sie ihm die paar Kußerlebnisse ihrer Jugend erzählte, setzt er sich in seinen Klubsessel und ist belitten; einmal, weil sie sich vor ihm überhaupt schon von einem anderen küssen ließ, dann aber auch, weil er ihr nicht glaubt, daß sie sich nicht noch öfter küssen ließ. Und gemein, wie nur Männer es sein können, pflegen sie in solchen Fällen zuweilen die Worte zu zitieren, die im Faust der Bruder Valentin seiner Schwester Gretchen an den Kopf wirft: „Denn wenn dich erst ein Dutzend hat, dann hat dich bald die ganze Stadt.” Und im Zusammenhang damit argwöhnen sie, daß die junge Frau sich als junges Mädchen von der ganzen Stadt hat abküssen lassen. Das empört die Herren der Schöpfung selbstverständlich auf der einen Seite, aber auf der anderen Seite beglückt es sie auch wieder, daß sie einen so begehrten Kußartikel nun durch die Heirat einzig und allein für sich gewonnen haben, natürlich vorausgesetzt, daß seine Frau fortan nur ihn allein küssen wird. Doch davon, daß seine Frau ihn stets lieben und ihm niemals auch nur in Gedanken untreu werden wird, ist jeder junge Ehemann felsenfest überzeugt, dafür ist er eben nach seiner Ansicht der Herrlichste von allen, während eine junge Frau zuweilen schon in den ersten Tagen ihrer Ehe darüber nachdenken soll, ob sie ihrem Manne wirklich treu bleiben wird, denn es soll manchmal vorkommen, daß junge Frauen schon oder gerade in den ersten Tagen der jungen Ehe bittere Enttäuschungen durchmachen müssen.

Das und vieles andere hat Josina sich von ihren verheirateten Freundinnen erzählen und sich von denen so viele gute Ratschläge für den Fall ihrer Verlobung und Verheiratung mit auf den Weg geben lassen, daß sie eigentlich selbst keine Erfahrungen mehr zu machen braucht, aber trotzdem weiß sie natürlich, daß ihr noch viele Erfahrungen und Enttäuschungen bevorstehen. Damit es deren aber nicht zu viele werden und damit es nicht gleich mit solchen anfängt, wird sie ihrem Mann nie etwas davon sagen, daß sie sich früher schon ein paarmal küssen ließ, denn darüber käme sie nicht hinweg, wenn ihr Mann so kleinlich sein sollte, ihr das noch nachträglich zu verargen. Da denkt sie selbst viel freier und großzügiger. Wie oft hat ihr Harald — ach, wenn er doch erst ihr Harald wäre — sich sicher von anderen Mädchen küssen lassen. Wie viele hat er nicht schon geküßt, und bei den Mädchen, die er küßte, ist es sicher nicht nur bei dem Küssen geblieben, während ihre Kußerinnerungen mehr als harmlos sind. Und es sind ihrer im ganzen doch nur vier. Die anderen zählen überhaupt nicht mit, und auch an diese vier hatte sie in der letzten Zeit nicht mehr gedacht, nicht etwa, weil sie sich deren schämte, weil sie sich nun verloben will, ach nein, deshalb nicht, sondern nur, weil sie sich verloben will. Da hatte sie für die Gegenwart und für die Zukunft so viel zu tun und zu denken, daß sie sich bei dem besten Willen nicht auch noch mit der Vergangenheit beshcäftigen konnte. Die paar Kußerinnerungen waren erledigt, passé — für immer — toujours, wie ihr kleiner Vetter sagen würde, der in der Unterhaltung mit französischen Brocken um sich wirft, um dadurch Eindruck auf ihr Herz zu machen.

Erledigt — passé — für immer — toujours! Gott sei Dank, aber schade ist es eigentlich doch, daß nun nicht einmal mehr die Erinnerungen an vergangene Zeiten in ihr wach bleiben dürfen. Namentlich der Erste hätte es verdient, daß sie ihn nie vergäße, niemals. Carl Otto hieß er, und er war noch so jung, kaum zwanzig Jahre, der jüngste Leutnant des Husarenregiments, dessen Offizierkorps während eines Manövers in dem großen Herrenhause auf dem Gut ihrer Tante Loni für ein paar Tage einquartiert wurde, als sie selbst dort für längere Zeit zum Besuch war. Aber gern war sie damals der Einladung der Tante nicht gefolgt, denn Tante Loni wußte, daß sie für alle die reiche Erbtante war, und schon deshalb ließ sie die anderen ihre Macht und ihre Launen bei jeder sich bietenden Gelegenheit fühlen. Namentlich an ihr hatte die schreckliche Tante immer etwas auszusetzen(11) und deshalb weinte sie auch beinahe, als sie zu ihr fahren sollte. Am liebsten wäre sie zuhause(12) geblieben, aber die Eltern, damals lebte der Vater noch, redeten ihr gut zu: „Fahre(13) hin, Josina, denke an uns, denke an die spätere Erbschaft, die schließlich auch dir zugute kommt. Fahre(14) hin und sei recht, recht nett mit der Tante.” Das letztere hatte sie auch versprochen, aber schon deshalb nicht gehalten, weil die Tante nach ihrer ehrlichsten Uberzeugung vom erste Tage an einfach ekelhaft gegen sie war, und wenn die bevorstehende Einquartierung nicht gewesen wäre, hätte sie schon nach den ersten acht Tagen den Koffer wieder gepackt, um abzureisen, denn sie war mit ihren siebzehn Jahren doch schließlich kein Kind mehr, das sich alles bieteh läßt. Aber sie blieb, weil sie die Leutnants erst noch erleben wollte, und dann kamen die eines Mittags mit klingendem Spiel auf den Gutshof geritten. Ein Leutnant immer noch schöner als der andere, so daß(15) sie im ersten Augenblick gar nicht wußte, in wen sie sich hätte verlieben sollen, wenn sie das gewollt hätte. Das wußte sie auch nicht, als ihr die Herren dann einzeln vorgestellt wurden, bis sie sich im stillen für den Regiments­adjutanten entschloß. Der gefiel ihr ganz besonders(16) und sie nahm sich fest vor, mit dem einen,(17) wenn auch nur kurzen, aber dafür desto energischeren Manöverflirt anzufangen. Aber es kam ganz anders, denn als es am Abend zu Tisch ging, da saß die Tante als Frau des Hauses oben an der Tafel zwischen dem Herrn Oberst und seinem Adjutanten, und sie selbst saß am unteren Ende der Tafel neben dem jüngsten Leutnant. Und sie hatte doch neben dem Adjutanten sitzen wollen, das hatte sie der Tante auch zu verstehen gegeben, und daß die ihr nun diesen Platz gab, diesen Kinderplatz, wie sie es nannte, das war von der Tante Loni einfach gemein, das sollte sie ihr büßen, denn für den jüngsten Leutnant war sie mit ihren siebzehn Jahren doch zu alt. Neben den hätte die Tante lieber eine große Puppe setzen sollen, mit der hätte er vielleicht etwas anzufangen gewußt, aber mit ihr? Bis sie endlich anfing, sich ihren Tischherrn, den sie zuerst arg vernachlässigte, genauer anzusehen, und da bemerkte sie erst, wie hübsch er trotz seiner Jugend war, oder gerade weil er noch so jung war. Ein hübsches, frisches Knabengesicht mit beinahe rosigem Teint und ganz großen schwermütigen, dunkelblauen Augen. Und als sie nun anfing, ihm zuzuhören, als er sich mit ihr unterhielt, da gefiel ihr der Klang seines Organes und auch das, was er sagte, und noch mehr das, was er ihr leise zuflüsterte, als ein paar Gläser Sekt ihm Mut machten: Daß er trotz seiner jungen Jahre schon auf eine lange, ruhmreiche Vergangenheit zurückblicken könne, aber daß er noch nie(18) „auf Ehre, meine Gnädigste, noch nie, beide Ehrenwörter in eins verbunden,” ein so schönes Weib gesehen habe wie sie. Sie sei Klasse und Rasse, Sinus und Kosinus, Tangens und Kotangens in einer Person, wenn sie aus den Mathematikstunden noch wisse, was Sinus und Tangens wären. Ihm selbst sei das eigentlich nie recht klar geworden, denn das schwierigste Buch, das es für ihn auf der Welt gäbe, sei die Logarithmentafel. Er fände für seinen Teil die Novellen von Maupassant viel amüsanter, aber sie, Josina, sei noch viel schöner als diese Novellen und sicher auch noch viel amüsanter, man müsse nur den kolossalen Dusel haben, sie näher kennen zu lernen(19), und das müsse er, denn sonst würde er in seiner Todesstunde nicht ruhig einschlafen können, sondern selbst in der würden sich seine Lippen noch nach ihr verzehren.

Josina gestand es sich offen ein, für einen jungen Leutnant war er eigentlich ziemlich dreist, aber gerade das gefiel ihr an ihm, böse wurde sie ihm erst, als sich nun ihrer beider Kniee(20) berührten. Von ihrer Seite war das wirklich ein Zufall, aber ob auch von der seinen, obgleich er sich sofort bei ihr entschuldigte und sein Knie wieder zurückzog? Und als sich ihre Knie dann nach einer kurzen Minute wieder berührten, hatte er den Mut, ihr zuzuflüstern: „Gnädigste, ich kann nichts dafür, Ihre Glieder müssen magnetisch geladen sein, die ziehen die meinen an wie die Magnetnadel den Nordpol, oder ist es umgekehrt, ich weiß es wirklich nicht, aber das ist auch einerlei. Gleichviel(21) weshalb die Berührung erfolgt, sie ist nun einmal da, und deshalb möchte ich vorschlagen, daß wir sie auch da lassen, denn was die Götter so oder so zusammen fügten(22), sollen die Menschen nicht wieder trennen.”

Josina gestand es sich, je länger sie bei Tisch neben ihm saß, immer mehr ein, für den jüngsten Leutnant des Regiments war er außerordentlich frech, und wenn Gott ihn noch lange am Leben ließ, würde er später wirklich auf eine lange, ruhmreiche Vergangenheit zurückblicken können. Bei ihr aber sollte er das wenigstens nicht, deshalb zog sie auch ein paarmal wieder ihre Kniee(23) fort, aber wenn sie das getan hatte, sah er sie mit seinen ohnehin so wehmütigen Augen derartig traurig an, daß es ihr in das Herz schnitt und daß sie ihm ihr Knie doch wieder überließ. Bis er anfing, immer kühner und kecker zu werden(24) und ihr von einer verschwiegenen Laube erzählte, die sie natürlich schon längst kenne, die er aber erst am Nachmittag auf einem Bummel durch den schönen Park gesehen habe: „Eine Laube, Gnädigste, von Gott und den Menschen dazu geschaffen, um in der(25) zu küssen und um in der(26) geküßt zu werden, noch dazu heute, wo der Mond so schön scheint, wo die Frösche quaken, wo die Amseln schlagen und die Nachtigallen trillern, wo sie das wenigstens könnten, um die Stimmung noch poetischer zu gestalten. Gleich als ich die Laube sah, habe ich mir geschworen: Carl Otto, so wahr du ein anständiger Mensch bist, der noch keiner jungen Dame zu nahe getreten ist, diese Laube nimmst du mit die, wenn es nach ein paar Tagen heißt: „Es ritten drei Reiter zum Tore hinaus, ade, ade, ade!” Die Laube selbst werde ich natürlich an ihrem Platze stehen lassen, aber mitnehmen tue ich sie doch, in meiner Erinnerung. Deshalb muß ich aber vorher etwas in ihr erleben, denn, meine Gnädigste, was wäre dieses Leben ohne Erlebnisse? Sich des Morgens die Zähne zu putzen, ist ja auch ganz amüsant und hat jeden Tag wieder den Reiz der Neuheit, aber deshalb allein ist man doch sicher nicht auf der Welt, und wenn der Morgen auch noch so schön ist, ist der Abend viel, viel schöner — wenn er es ist.” So und so ähnlich hatte er auf sie eingeredet, während sie ihm im stillen belustigt zuhörte und sich natürlich ganz fest vornahm, sich unter keinen Umständen am späten Abend bei Mondenschein in der Laube mit ihm zu treffen. Wollte er seine Erlebnisse haben und wollte er in der(27) unbedingt küssen, konnte er sich dafür eine andere aussuchen. Es gab unter dem zahlreichen weiblichen Personal genug hübsche Mädchen. Bis sie sich eingestand, daß solche Mädchen für ihn kein passender Umgang wären, die würden auch sicher nicht den Mund halten, sondern schon am Morgen damit prahlen, daß der junge, hübsche Leutnant sie abgeküßt habe. das aber durfte nicht sein, denn wenn der Kommandeur etwas davon erfuhr, würde er seinen Leutnant deswegen sicher zur Rede stellen. Nein, von den hübschen Zimmermädchen durfte er keine küssen, aber sie selbst erst recht nicht, und doch war er so jung, so hübsch, so frech und anscheinend so verliebt in sie. Na und wenn sie ihn auch nicht liebte, ein klein wenig lieb hatte sie ihn doch. Aber daß sie ihn küssen würde, war ausgeschlossen. Doch der Mensch und der Magnetismus lenkt, denn auch seine Glieder mußten magnetisch sein, wie die ihrigen es nach seiner Behauptung waren, und auch er mußte sie anziehen wie die Magnetnadel den Nordpol oder umgekehrt, denn als alle zu Bett gegangen waren, da schlich sie sich durch eine Hintertür leise und verstohlen aus dem Hause und fand bei dem hellen Mondenschein sehr schnell die heimliche Laube, in der er sie bereits voller Ungeduld erwartete, und auch ohne,(28) daß die Amseln schlugen und ohne,(29) daß die Nachtigallen trillerten, lag in der Natur eine solche Kußstimmung, daß man der(30) ganz einfach nicht widerstehen konnte, besonders wenn man auch gar nicht widerstehen wollte. Und sie wollte auch(31) nicht, denn deshalb war sie nicht gekommen. Sie küßten sich, — kein andres Wort gleicht dem an Innigkeit! Erst küßte er sie, dann küßte sie ihn, dann küßten sie sich beide, erst per Sie, dann per Du, und schwuren sich zwar keine ewige Liebe, wohl aber, diese Stunde nie wieder zu vergessen,(32) oder aber die Erinnerung an die(33) wenigstens so lange in ihrem Gedächtnis aufzubewahren, bis ein anderes Erlebnis sie daraus verdrängen würde. Das war ja gerade das Schöne an dieser Mondscheinküsserei, daß sie beide die(34) nicht allzu tragisch nahmen, und gerade deshalb küßten sie sich immer wieder aufs neue, bis sie sich endlich, endlich trennten, um sich am nächsten Abend und am übernächsten in der verschwiegenen Laube wieder zu treffen, bis er dann mit den anderen Offizieren das schöne Quartier wieder verlassen mußte. Die Musik blies: „Es ritten die Reiter zum Tore hinaus, ade, ade, ade!” Josina aber stand auf der Freitreppe und winkte ihnen, besonders aber ihm nach, solange sie ihn nur sehen konnte. Dann aber ging sie in ihr Zimmer, nicht um zu weinen, sondern um jetzt, da er fort war, in aller Ruhe darüber nachzudenken, wie sie sich nur derartig von ihm hatte abküssen lassen können. Warum hatte sie das getan(35) und warum hatte sie ihn zum Überfluß auch noch nach allen Regeln der Kunst wiedergeküßt? Weil er sie zu lieben behauptete, oder weil sie ihn wiederzulieben glaubte? Das war natürlich ausgeschlossen, denn solchen Behauptungen und einem solchen Glauben glaubt man in Wirklichkeit nie, aber selbst wenn — wohin würde man als wohlerzogenes, gesittetes junges Mädchen wohl kommen, wenn man sich mit jedem jungen Herrn küssen wollte, der einem da vorschwärmt: „Meine Gnädigste, ich liebe Sie, natürlich nicht für immer, aber vorübergehend desto mehr, wahrhaftig, Ehrenwort!” Also mußte Josina dem auffallend hübschen kleinen Leutnant schon aus einem anderen Grunde den Mund so hübsch still hingehalten haben, aber aus welchem? Und endlich fand sie den auch, es dauerte zwar lange, aber das Resultat ihres Nachdenkens blieb nicht aus. Mit einemmal wußte sie, warum sie sich nicht nur küssen ließ, sondern weshalb sie ihn auch wiederküßte, noch dazu bei Mondenschein, obgleich nicht einmal die Frösche quakten, obgleich keine Amsel schlug und keine Nachtigall trillerte und obgleich die Mondschein­stimmung eigentlich nicht ganz ihren Erwartungen entsprochen hatte. Aber wenn sie sich trotzdem mit Begeisterung küssen ließ und wiederküßte, war es nur geschehen, um ihre Tante zu ärgern. Jawohl, einzig und allein nur deshalb! Das sollte für die Tante die Strafe sein, daß sie sie so oft schlecht behandelte(36) und vor allen Dingen dafür, daß sie ihr bei Tisch nicht den Platz an der Seite des Adjutanten einräumte. Diese Küsserei sollte der Tante die Augen darüber öffnen, was dabei herauskam, wenn man einem jungen Mädchen einen anderen Tischherrn gab, als den, den es sich gewünscht hatte. Ach und auch sonst hätte die Tante aus der Küsserei so viel lernen können, wenn sie die mit angesehen hätte, und sicher wäre die(37) vor Zorn, vor Empörung, vielleicht aber auch ein ganz klein wenig aus Neid geplatzt, wenn sie darüber hinzugekommen und es mit eigenen Augen gesehen hätte, wie sie und Carl Otto sich einander küssenderweise in den Armen lagen. Ach(38) und solche Platze hätte der Tante so gut getan, da würde sie endlich einmal am eigenen Leibe erfahren haben, wie es tut, wenn man sich ärgern muß. Ja, nur, aber auch nur der Tante wegen hatte sie sich küssen lassen und wiedergeküßt, und alles wäre noch viel schöner gewesen, wie es ohnehin war, wenn die Tante sie dabei überrascht hätte. Aber wer konnte es wissen, vielleicht war es doch besser, daß die Tante nicht darüber hinzukam.

Das war die Kußepisode Carl Otto, natürlich nicht die allererste ihres Lebens, aber doch eigentlich die allererste, denn die wirklich allererste zählte gar nicht mit, weil man da noch so jung ist, daß man kaum zählen kann.

Der Erste, den sie eigenlich als Allerersten küßte, hieß Carl Otto, der Zweite aber hieß Felix, Felix, der Glückliche. Ach(39) und er war auch so glücklich und so froh und hatte so himmlische, lachende, übermütige, blaue Augen, mit denen er sie unverwandt anstarrte, als sie auf einer Rhein­dampfer­fahrt mit ihm zusammentraf. Ihr guter Vater, der nun schon drei Jahre tot war und der sein baldiges Ende vorausahnte, hatte sich zu seinem sechzigsten Geburtstage gewünscht, noch einmal die Stätten wiederzusehen, in denen er als Student froh und glücklich gewesen war, in erster Linie Heidelberg, dann aber den Rhein, an dem die Reben wachsen, denn die hatte der gute Vater nur zu sehr geliebt. Nicht, als ob er ein Trinker gewesen wäre, aber er hatte die schweren Rheinweine immer den leichten Moselsorten vorgezogen, obgleich sein Arzt ihn davor warnte und ihm die Gallensteine prophezeite. Aber der Vater hatte nicht darauf gehört, und so wurde auch trotz des ärztlichen Abratens bei dem schönsten Sommerwetter die Rheinreise unternommen. Erst ein paar lustige Tage in Heidelberg und dann bei dem herrlichsten Wetter von Biebrich aus auf dem Rheindampfer den Fluß hinauf, vorbei an allen den reizend gelegenen kleinen Ortschaften, deren Namen dem Weintrinker heilig sind, wie sonst nichts auf dieser Welt. Auf dem Dampfer herrschte die fröhlichste ausgelassenste Stimmung, die bei Tisch durch das gute Essen noch erhöht wurde, und sie, Josina, fühlte sich ganz besonders glücklich. Erstens, weil ihr Vater seinen sechzigsten Geburtstag gerade heute feierte, zweitens, weil es ihm körperlich besonders gut ging, drittesn aus vielen anderen Gründen, schließlich aber, weil der hübsche Korpsstudent mit den übermütigen, lachenden blauen Augen, mit dem Stürmer auf den dichten braunen Haaren, mit den flotten Schmissen auf der Wange ihr bei Tisch schräg gegenüber saß, so daß(40) sie ihn ansehen mußte, selbst wenn sie gar nicht wollte. Aber warum sollte sie es auch nicht wollen? Das Wetter war so schön, gewiß, etwas drückend schwül, und ganz kluge Unken prophezeiten sogar ein Gewitter, aber dahin würde es hoffentlich nicht kommen, denn sie hatte ihr bestes Sommerkleid an und nicht einmal einen Regenschirm bei sich. Ach(41) und noch regnete es auch nicht, der Himmel war so blau, das Wetter so schön, der Vater feierte seinen sechzigsten Geburtstag, die Eltern waren in der besten Stimmung, das waren viele Gründe anstatt eines, fröhlich und übermütig zu sein. Warum sollte sie da den hübschen Studenten nicht ansehen? Das mußte sie sogar tun, sonst hätte er sicher geglaubt, sie nähme es ihm übel, daß er sie fortwährend ansah. Und als er nun bei dem Essen das Glas erhob und ihr heimlich und verstohlen zutrank, mußte sie ihm da nicht einfach Bescheid tun, um nicht unhöflich zu erscheinen? Und als sie dann endlich von Tisch aufstand, während der Vater seine Zigarre rauchend noch mit der Mutter bei dem Kaffee sitzen blieb, da stand er, der Student, plötzlich neben ihr. Das sollte er ja auch, deshalb war sie nur aufgestanden(42) und nur deshalb hatte sie sich jetzt einen möglichst versteckten und verschwiegenen Platz auf dem Dampfer ausgesucht. Aber trotzdem stellte sie sich mehr als erstaunt und erschrocken, als er neben ihr auftauchte, denn er war ihr doch noch nicht vorgestellt(43) und als wohlerzogenes junges Mädchen wußte sie selbstverständlich, was sich schickt und was nicht. Aber das schien er auch zu wissen(44) und dennoch, als er sich ihr nun vorstellte, geschah es mit den Worten: „Mein gnädiges Fräulein, gestatten Sie, mein Name ist Schall und Rauch. Sie würden sich bei dem doch nichts denken können(45) und spätestens übermorgen hätten sie [sic! D.Hrsgb.] ihn wieder vergessen. Viel­leicht, daß Sie aber trotzdem meinen Vornamen Felix behalten und daß Sie sich dessen gelegentlich erinnern, wenn der Name einmal wieder an Ihre hübschen Ohren klingt. Ich könnte Ihnen ja nun ein Kompliment nach dem anderen machen, gnädiges Fräulein, aber ich tue es nicht. Meine Augen haben es Ihnen sicher schon verraten, wie auffallend hübsch ich Sie finde, aber man soll nicht alles aussprechen, was man in seinem Innersten fühlt. Selbst die bestgemeinten Worte klingen oft so nüchtern und trivial, noch dazu angesichts einer so wundervollen Natur, wie wir sie heute durch einen Zufall gemeinsam genießen dürfe.” Und die hatten sie weiter zusammen genossen. Auf zwei kleinen Schiffsstühlen saßen sie jetzt ganz dicht beieinander und plauderten, daß ihnen die Zeit wie im Fluge verging, daß sie es auch gar nicht bemerkten, wie die Wetterunken nun doch recht behielten und wie sich am Himmel schwarze Wolken mit unheimlicher Geschwindigkeit zusammenzogen, bis sie die ersten Tropfen fühlten, die auf sie niederfielen. So gern sie sich auch noch weiter mit ihm unterhalten hätte, sie war ein weibliches Wesen und dachte als solches zuerst an ihr Kleid, denn wenn ein junges Mädchen die Wahl hat, ob der Geliebte sterben,(46) oder ob sie sich ihr neues Kleid verderben lassen soll, dann läßt sie den Geliebten erbarmungslos zugrunde gehen. Verehrer, Courmacher und Geliebte gibt es genug auf der Welt, statt des einen bekommt man mit Leichtigkeit zwei oder drei andere, ob man aber auch wieder ein Kleid bekommt, das einem so gut steht, wie das, das man gerade anhat? Das ist nicht nur die Frage, das ist sogar sehr die Frage, und so klagte und jammerte sie denn auch: „Mein Kleid, mein Kleid, es wird verderben, und ich habe weder einen Regenmantel noch einen Regenschirm.”

Ein helles Lachen war seine Antwort, bis er ihr zurief: „Wenn es weiter nichts ist, das besorge ich Ihnen. Bleiben Sie hier nur ruhig sitzen, in zwei Minuten bin ich wieder bei Ihnen.” Das war er auch(47) und er hüllte sie gleich darauf in einen langen Lodenmantel und spannte über sie beide einen großen gräßlichen wollenen Schirm auf. „Wem die Sachen gehören, gnädiges Fräulein, ahnt mein Herz nicht, ich fand sie als vorübergehend herrenloses Gut auf einer Bank, da nahm ich sie an mich, denn es ist besser, die(48) werden Ihnen zum Schutze naß, als dort, wo sie lagen. Der, dem sie gehören, wird uns hier schon nicht zu finden wissen, und wenn doch, werde ich mit ihm reden.”

Unter dem aufgespannten Schirm, der so groß war, daß er eine ganze Familie hätte verbergen können, saßen sie dicht beieinander, viel dichter mit den Köpfen zusammen, als es eigentlich nötig gewesen wäre, und wie es kam, wußten sie wohl beide nicht, aber mit einemmale küßte er sie, sogar mitten auf den Mund, und da sie das natürlich nicht auf sich sitzen lassen durfte, gab sie ihm den Kuß zurück. Aber er verweigerte die Annahme und gab den wieder an sie zurück, und so küßte sie ihn immer und immer wieder(49) und warum auch nicht? Er war so jung und so hübsch(50) und das Wetter war so schön, es war wenigstens vorhin so schön gewesen, und der Vater feierte seinen sechzigsten Geburtstag(51) und das letztere war ausschlaggebend, denn so oft sie sich auch hinterher im Laufe der Zeit fragte, warum sie sich von Felix habe küssen lassen und warum sie den(52) sogar wiederküßte, hatte sie darauf immer nur die ein Antwort gefunden, die deshalb auch sicher der Wahrheit entsprach: sie hatte sich auch für ihre Person des sechzigsten Geburtstages ihres Vaters erfreuen und hatte auch ihrerseits später stets mit Freuden an den Tag zurückdenken wollen, selbst dann, wenn der Vater nicht mehr am Leben sein sollte. Nur, aber auch nur deshalb hatte sie sich küssen lassen und ihren Felix wiedergeküßt, damit sie den sechzigsten Geburtstag ihres Vaters niemals vergäße. Deshalb hatte sie auch nie den Namen Felix vergessen, sie hätte das auch gar nicht gekonnt, wenn sie wollte, er war doch erst der Zweite, denn der wirklich Zweite zählt noch nicht mit, schon weil man da so jung ist, daß man noch gar nicht bis zwei zählen kann.

Der Zweite, den sie als eigentlich Zweiten küßte, hieß Felix.

Der Dritte aber hieß Egon und war Augenarzt in der kleinen Residenz, in der ihre beste Freundin Klothilde, genannt Tilly, wohnte, und sie lernte ihn, der damals noch für sie Dr. med. Falkenrieth hieß, persönlich kennen, als sie einer Einladung ihrer Freundin Folge leistete. „Es geht nicht anders, Du mußt ganz einfach kommen, schon um Dir diesen Doktor Egon anzusehen,” schrieb Tilly ihr. „Du weißt, ich bin verwöhnt, ich bin weit in der Welt herumgekommen und habe viel Schönes auf Reisen gesehen, in der Schweiz die Jungfrau, in Norwegen die Fjorde, in Afrika das alte Jericho, beleuchtet von dem Schein der in der Sahara untergehenden Sonne. Aber was ist das alles im Vergleich mit dem Genuß, den man empfindet, wenn man Dr. Falkenrieth ansieht, und nun erst, wenn man sich von ihm untersuchen läßt. Das tun wir natürlich alle, denn seitdem Dr. Falkenrieth hier praktiziert, sind wir alle mehr oder weniger augenkrank. Sogar die Prinzessin Marie fährt täglich zu ihm in die Sprechstunde, obgleich sie bereits mit dem Prinzen Oskar so gut wie verlobt ist. Ja selbst die alte Fürstin soll dem wirklich auffallend hübschen und eleganten Doktor ein ganz klein wenig ihre landesmütterliche Huld zugewandt haben und sich von ihm öfter, als es das Zeremoniell erfordert, die Hand küssen lassen. Nur Seine Durchlaucht der regierende Fürst soll auf den Doktor sehr schlecht zu sprechen sein und erklärt haben, er werde ihn außer Landes verweisen, wenn er nicht endlich damit aufhöre, den Damen seiner Residenz derartig den Kopf zu verdrehen, daß für ihn selbst in dieser Hinsicht nichts mehr zu tun übrig bliebe(53), denn Du mußt wissen, Josina, der alte Fürst liebt es sehr, selbst noch etwas auf Eroberungen auszugehen, wenn die natürlich auch stets sehr harmloser Natur sind. Aber er behauptet, sein Arzt habe ihm erklärt, er werde nur noch dann gesund und rüstig bleiben, wenn er von Zeit zu Zeit ein keusches, reines, junges Mädchen küsse. Na(54) und unter diesem Deckmantel hat er so ziemlich alle jungen Damen abgeküßt, die bei Hofe verkehren, mich natürlich nicht, und selbst wenn er es getan hätte, dürfte ich nicht darüber sprechen, das müssen wir Seiner Durchlaucht stets mit Handschlag geloben. Also komm, Josina, sieh dir den Doktor an, bevor der eifersüchtige Herrscher ihn eines Tages wirklich aus seinen Landen verbannt hat.”

So schrieb Tilly, und Josina ließ sich das nicht zweimal schreiben. Ihr Entschluß zu reisen stand sofort fest, nicht etwa, um sich diesen Doktor anzusehen, sondern nur, um sich bei dem in Behandlung zu geben, denn als sie Tillys Brief las, hatte es ihr ganz sonderbar vor den Augen geflimmert(55) und da war es ihr eingefallen, daß man mit seinen Augen gar nicht vorsichtig genug sein kann. Wenn sie aber schon einen Arzt aufsuchte, wollte sie nur zu einem anerkannt guten gehen(56) und deshalb würde sie in diesem Dr. Falkenrieth auch lediglich den Mann der Wissenschaft, nicht den Menschen gleichen Namens sehen. Sie würde lediglich als Patientin zu ihm gehen. Das taten die anderen jungen Mädchen sicher auch nur, aber es wurde die Frage in ihr wach: Was machten die jungen Damen bei ihm in der Sprechstunde? Ließen sie sich da von ihm untersuchen(57) und wenn ja, bereitete ihnen das ein solches Vergnügen, daß sie deshalb immer und immer wieder zu ihm gingen? Oder aber — doch nein, das war selbstver­ständlich ausgeschlossen, denn wenn selbst die Prinzessin Marie zu ihm fuhr, war das der beste Beweis dafür, daß er seinen Patientinnen gegenüber stets nur der Arzt blieb, denn daß auch die Prinzessin Marie, die doch schon so gut wie verlobt war, sich von dem hübschen Doktor abküssen lassen sollte, das gab es doch nicht. Wie dem aber auch immer sein mochte, Josinas Neugierde auf diesen Doktor und erst recht ihre Neugierde auf dessen Sprechstunden war erwacht, und begleitet von den Segenswünschen ihrer Mutter, daß es der Kunst des Arztes bald gelingen möge, ihr Augenleiden, das sie der Mutter vorgeschwindelt hatte, zu heilen, fuhr sie davon. Und als sie dann den Doktor Falkenrieth wenige Tage später auf einer Gesellschaft kennen lernte, war sie mehr als enttäuscht. Den hatte sie sich viel hübscher, viel geistreicher, viel amüsanter und lustiger vorgestellt. Der entsprach in keiner Weise dem Bilde, das sie sich im stillen von ihm gemacht hatte. Das und vieles andere setzte sie ihrer Freundin Tilly auch am Abend, als sie wieder zuhause waren(58), sehr lebhaft auseinander, aber die lachte sie nur aus und erklärte: „Josina, du weißt, ich habe dich wirklich lieb, aber wenn du mich für so dumm hältst, daß du glaubst, ich glaube dir, dann kündige ich dir die Freundschaft. Im übrigen verstehe ich es absolut nicht, warum du dich vor mir verstellst, vor mir brauchst du doch keine Gehimnisse zu haben.” Die besaß Josina auch wirklich nicht, das hätte sie der Freundin am liebsten zugeschworen, sie war tatsächlich von der Begegnung mit dem Arzt mehr als enttäuscht, aber Tilly hätte ihr ja doch nicht geglaubt, und um sich deren Freundschaft zu erhalten, mußte sie der nun sogar von dem Doktor vorschwärmen und so tun, als ob sie sich anfangs wirklich nur verstellt habe. Aber je mehr sie das tun mußte, desto mehr nahm sie sich vor, auf keinen Fall in dessen Sprechstunde zu gehen. Ihre Neugierde, was in denen geschah, war vollständig erloschen, und ihr kleines Augenleiden, das doch nur in ihrer Einbildung bestand, würde sich schon von selbst wieder geben. Allerdings, die Mutter würde sich ja sehr wundern, wenn sie den Arzt gar nicht aufsuchte und wenn der ihr später keine Rechnung für die Behandlung ihres Kindes schickte. Schon deshalb würde sie doch wohl einmal, aber auch höchstens nur einmal, zu ihm gehen müssen, lediglich um bei der Untersuchung feststellen zu lassen, daß ihre Befürchtungen wegen eines Augenleidens völlig unbegründet wären(59), aber bis sie diesen Besuch machte, hatte es noch viel Zeit. Bis sie dann doch viel früher, als sie dachte, zu ihm gehen mußte, ja wirklich, mußte.

Auf der Straße war ihr ein Fremdkörper in das rechte Auge geflogen, sie rieb und rieb, um das, was sie drückte und ihr weh tat, aus dem Auge zu entfernen, aber sie erreichte dad urch weiter nichts, als daß es immer schlimmer und schlimmer wurde. Das Auge entzündete sich, es hörte nicht auf zu tränen, es schwoll stark an(60) und selbst Umschläge mit Kamillentee halfen nichts. Da blieb ihr nichts anderes übrig, als Doktor Falkenrieth aufzusuchen. Ihr erster Gedanke war, ihre Freundin Tilly zu bitten, sie zu begleiten, aber erstens hätte das dumm ausgesehen, zweitens nimmt man doch niemanden mit, wenn man ausgeht, um etwas zu erleben, und drittens brauchte Tilly überhaupt nicht zu wissen, daß sie zu dem Doktor hinging. Die(61) hätte sie sicher geneckt und gefoppt und ihr womöglich zugerufen: „Na also doch, das Vergnügen hättest du schon lange haben können.” Und schließlich wäre die sogar imstande gewesen, wenn auch nur im Scherz(62) zu behaupten, sie hätte sich den Fremdkörper seolbst in das Auge gejagt, nur um einen Vorwand zu haben, zu dem Arzt hingehen zu müssen. So machte sie sich denn eines Nachmittags, als ihr das Glück dadurch beistand, daß sich ihre Freundin Tilly mit starken Kopfschmerzen hatte hinlegen müssen, allein auf den Weg, unter dem Vorwand, nur einen Spaziergang machen zu wollen, und als sie die Wohnung des Arztes erreichte und in das Wartezimmer geführt wurde, hatte sie Gott sei Dank Dusel, denn außer ihr warteten nur zehn andere junge Mädchen darauf, vorgelassen zu werden. Nur noch zehn! Das waren ja nicht allzu viele und das schien ihr zu beweisen, daß es mit der Beliebtheit des Doktor Falkenrieth wohl nicht allzu weit her sein müsse, denn sonst hätten statt der zehn sicher hundert, wenn nicht gar noch mehr gewartet, aber sie konnte ja nicht wissen, wieviel Patientinnen schon vor ihr dagewesen waren und wieviel noch nach ihr kommen würden. Aber trotzdem(63) es nur zehn waren, die mit ihr in dem großen Wartezimmer saßen, konnte schon eine ganze Weile vergehen, bis diese vor ihr behandelt waren und bis sie selbst an die Reihe kam. Nur ein Glück, daß sie die meisten der jungen Mädchen durch ihre Freundin schon kennengelernt hatte. Plaudernderweise würde sie die Zeit schon hinbringen, aber als die jungen Damen nun sahen, wie krank und geschwollen ihr Auge war, wie es immer noch tränte, da stand es plötzlich für alle fest, daß sie den anderen voraus zu gehen habe. Und so wurde sie fast gegen ihren Willen in das Sprechzimmer des Arztes geschoben, als der nun die doppelte Ledertür öffnete und auf der Schwelle erschien, um in das Zimmer hinein zu rufen: „Die nächste junge Dame, wenn ich bitten darf.”

Unwillkürlich mußte sie nun doch vor sich hinlächeln, „die nächste junge Dame!” Das sagte er so selbstverständlich, als sei es ganz ausgeschlossen, daß sich auch einmal ein anderer Patient zu ihm verirren könne. „Die nächste junge Dame bitte!” Aber wo war denn die geblieben, die vor ihr bei ihm in seinem Zimmer war? Sie hatte die nicht fortgehen sehen. Aber sie fand keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn schon befand sie sich in der Behandlung. Der Arzt hatte auf den ersten Blick erkannt, was ihr fehle, so hob er, ohne erst zu fragen, das Augenlid, entfernte das kleine Körnchen Kohlenstaub, das ihr auf der Straße in das Auge geflogen war(64) und machte ihr im Anschluß daran gegen die Bindehaut­entzündung eine Einspritzung, die wie höllisches Feuer brannte, sodaß sie unwillkürlich einen halblauten Schrei ausstieß, um ihm dann zuzurufen: „Das tut ja aber wahnsinnig weh, Herr Doktor!”

„Es wird gleich vorübergehen, gnädiges Fräulein,” erklang da seine Stimme, die ihr viel weicher und sympathischer vorkam als sonst. „Es wird gleich vorbei sein, gnädiges Fräulein,” wiederholte er noch einmal, „ich bitte Sie, jetzt nur beie Augen fest zu schließen und ganz ruhig zu halten, wenn ich Ihnen meine beiden Hände auf die Augen lege, um diese dadurch noch fester zu schließen und um jede Einwirkung des Lichtes fern zu halten(65).”

Warum so viele Worte? dachte Josina im stillen, sobald ich die Augen schließe, wirst du mich ja doch nur küssen, denn sonst wüßte ich es bis jetzt wirklich nicht, welchen Reiz es hätte, gerade deine Sprechstunden aufzusuchen. Also meinetwegen küsse mich, ich werde stillhalten(66), obgleich mir deine Küsse nicht das geringste Vergnügen bereiten würden. Aber trotzdem, mich zur Wehr setzen, mit dir wonöglich einen Ringkampf aufführen, um Hilfe rufen, daß die anderen von nebenan herbeieilen und daß ich selbst mit einem hochroten Kopf davonlaufe, damit mich morgen die ganze Stadt auslacht, o nein, so dumm und so schlecht erzogen bin ich denn doch nicht. Ich weiß sehr genau, wie sich ein wohlerzogenes junges Mädchen in solchen Fällen, in denen sie einfach machtlos ist, zu benehmen hat.

Aber als der Doktor ihr dann beide Hände auf ihre Augen gelegt hatte, da küßte er sie zu ihrem grenzenlosen Erstaunen gar nicht, und das nahm sie ihm noch mehr übel, als wenn er sie gegen ihren Willen geküßt hätte. Richtiger gesagt, sie wollte es ihm noch mehr übelnehmen, aber sie kam nicht dazu. Ihr wurde so sonderbar zumute, so ganz anders, als ihr bisher jemals gewesen war. So war ihr selbst damals nicht in der Manöverlaube gewesen, als sie den hübschen kleinen Leutnant küßte. Ach, wie hieß der noch? — Aber das war ganz gleich, und auch als der hübsche Korpsstudent — nein, selbst damals nicht. Ihr wurde ganz schwindlig, nein, das nicht, dazu war das Gefühl, das sie durchströmte, ein viel zu süßes und zu wohliges, ihr war, als hätte sie sich an Opium berauscht. Sie dachte an Dinge, die ihrer im großen und ganzen reinen und unverdorbenen Phantasie bisher völlig fremd gewesen waren, sie sah Bilder vor sich, vor denen sie sich entsetzte, die sie aber dennoch reizten, die ihre Sinne entflammten, und mit einemmal wußte sie auch, was mit ihr geschah, sie glaubte es wenigstens zu wissen. Er hynotisierte sie, er wollte sie in einen magnetischen Schlaf versenken, damit sie in ihrem Dämmerzustand alles täte(67), was er von ihr verlangte. Aber nein, auch das schien er nicht zu wollen, denn plötzlich nahm er seine Hände wieder fort, um ihr,(68) gleich darauf völlig ruhig,(69) und gelassen zuzurufen: „So(70) gnädiges Fräulein, ich denke, nun werden sich die Schmerzen gelegt haben, ich halte es auch für ausgeschlossen, daß die(71) sich wieder einstellen. Die Entzündung wird bis morgen gänzlich zurückgegangen sein, aber vielleicht geben Sie mir morgen doch noch einmal Gelegenheit, Ihre Augen anzusehen.”

Und als ob nichts, als ob aber auch gar nichts vorgefallen sei, verabschiedete er sich von ihr, nachdem er sie zu einer zweiten Tür, zu einer anderen als zu der, durch die sie eingetreten war, geführt hatte. und als sie noch in dem Nebenzimmer stand, um sich einen Augenblick wieder auf sich selbst zu besinnen, da hörte sie schon wieder die Stimme des Doktors, der in das Wartezimmer hineinrief: „Die nächste junge Dame bitte.”

Josina wußte selbst nicht, wie sie von diesem Spaziergang nachhause(72) gekommen war. Nur ein Glück, daß ihre Freudnin ganz fest schlief und daß sie der nicht gleich zu erzählen brauchte, was sie etwa auf dem Bummel durch die Straßen erlebt hätte(73), da konnte sie in Ruhe über alles nachdenken. Was war denn nur eigentlich geschehen? Hatten die Hände des Arztes sie wirklich behext, daß sie nicht wußte(74) wie ihr war, oder hatte sie diesen Händen nur eine solche Macht eingeredet, weil sie etwas Besonderes von diesem Besuch erwartet hatte und weil bisher gar nichts Besonderes vorgefallen war? Hatter der Arzt sie bis zu einem gewissen Grade hypnotisiert, oder hatte sie sich dessen Wunderwirkung selbst einsuggeriert? Das war eine Frage, auf die sie unbedingt Antwort haben mußte. Am liebsten hätte sie sich mit Tilly darüber ausgesprochen und die(75) gefragt, ob es ihr ebenso oder wenigstens so ähnlich erginge, wenn die Hände des Arztes ihre Augen zuhielten. Aber was dann, wenn die Freundin ihr die Antwort schuldig blieb,(76) oder sie gar verständnislos ansah, weil ihr angeblich etwas Ähnliches noch nicht passiert sei, weder ihr noch allen den anderen jungen Mädchen, die zu ihm in die Sprechstunde gingen, sonst würde sie, Tilly, das doch wissen, denn so etwas behielt man nicht für sich, das vertraute eine der anderen unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit an.

Nein, Josina sah es ein, sie durfte sich der Freundin wenigstens vorläufig nihct anvertrauen, erst mußte sie selbst wissen, woran sie war, und so suchte sie am nächsten Nachmittag wieder die Sprechstunde auf, auch dieses mal, ohne daß Tilly etwas davon ahnte, denn die schien sich glücklicherweise einen leichten Influenzaanfall geholt zu haben und mußte auf ärztliche Anordnung ein paar Tage das Bett hüten. Das tat ihr natürlich schrecklich leid, aber trotzdem war sie sehr froh darüber(77) und als sie das Wartezimmer des Arztes betrat, hatte sie einen noch größeren Dusel als gestern, denn dieses mal warteten außer ihr nur vier junge Damen und es dauerte nur eine kleine Stunde, bis sie, „die nächste junge Dame”, in das Sprechzimmer gerufen wurde.

Aber als sie dort drinnen war, wiederholte sich die Szene von gestern. Ach nein, es war mehr als eine Wiederholung, es war eine Verbesserung und Vervollkommnung. Als der Arzt seine Hände, die nicht einmal besonders schön waren, auf ihre Augen legte, da war ihr, als wäre sie im siebenten Himmel. Eine bleierne, süße Müdigkeit überfiel ihre Glieder, in ihren Ohren sauste und brauste eine sinnlich verführerische Musik — ja wirklich, so mußte den Opium­berauschten zumute sein. Und glücklicherweise hielt der Zustand heute bei ihr viel länger an als gestern. Immer noch ruhten seine Hände auf ihren Augen, und als er die(78) endlich fortnahm, da hörte sie wie aus weiter Ferne seine Stimme, die ihr von Liebe sprach, die ihr davon erzählte, wie schön und begehrenswert sie sei, viel schöner als alle die anderen jungen Mädchen, die täglich in der Hoffnung zu ihm kämen, er möge auch sie hübsch finden. Aber keine von allen habe ihm bisher gefallen, keine einzige werde das auch jemals tun, nur sie sei in seinen Augen schön, nur sie allein. Selbst die kleine Prinzessin Marie könnte es in dieser HInsicht nicht mit ihr aufnehmen, und wenn er ihr das sage, werde sie es ihm wohl glauben.

Ja, das glaubte sie ihm, schon weil es ihrer Eitelkeit schmeichelte, daß sie noch schöner sein sollte,(79) als die Prinzessin, erstens weil die eine Prinzessin war, dann aber auch, weil die wegen ihrer Lieblichkeit und Anmut im ganzen Lande berühmt war. Und weil sie ihm glaubte und auch noch aus anderen Gründen, über die sie sich im Augenblick nicht klar war, lag sie plötzlich an seiner Brust und ließ sich von ihm küssen, aber das nicht allein, sie küßte ihn wieder, so heiß, so sinnlich, so wild und begehrlich, daß sie sich fast vor sich selbst schämte und erst recht fast vor ihm. Aber auch nur fast, denn so geküßt werden und so wiederküssen zu dürfen, ach(80) das war schön, das war das Leben selbst, das war viel, viel schöner als überhaupt zu leben. Und sie küßten sich und sie küßten sich, bis er sie endlich sanft zu der Ausgangstür drängte: „Ich habe noch zu arbeiten, Liebste, die Pflicht ruft, auf Wiedersehen morgen um dieselbe Zeit.”

Gleich darauf stand sie im Zimmer nebenan, nach Atem ringend, sich wieder auf sich selbst besinnend, während sie mechanisch die zerzausten Haare ordnete, und trotzdem hörte sie, wie ihr Egon nun nebenan die Tür zu dem Wartezimmer öffnete: „Die nächste junge Dame bitte.” Als sie bei ihm eintrat, hatte keine weitere gewartet, es mußten sich inzwischen aber doch wohl wieder andere Patientinnen eingefunden haben(81) und ihr armer Egon tat ihr gräßlich leid. Wie langweilig mußte es für ihn sein, den ganzen Tag nur seine Pflicht zu tun, und wie schwer mußte es ihm gerade jetzt fallen, wo seine Gedanken sicher ebenso ausschließlich bei ihr waren, wie die ihrigen bei ihm. Aber das(82) er sich trotzdem der Kranken annahm, obgleich die es sich wohl meistens nur einbildeten, krank zu sein, bewies ihr, daß er durch und durch ein Mann war. Ach, sie hatte ihn ja so lieb(83) und sie wollte es ihm morgen durch ihre Küsse beweisen(84) und sie wollte ihm durch die(85) auch dafür danken, daß er nur sie hübsch und begehrenswert fand, obgleich es doch auch unter den anderen jungen Mädchen viele reizende Erscheinungen gab. Und sie Küßte ihn nicht nur am nächsten Tage, sondern auch an allen folgenden, bis sie plötzlich abreisen mußte. Ein Brief der Mutter, die erkrankt war, rief sie nachhause(86), so schnell und so plötzlich, daß sie ihrem geliebten Egon nicht mal Lebewohl sagen konnte, und das war vielleicht auch ganz gut, denn kaum war sie acht Tage wieder daheim, da kam ein Brief ihrer Freundin Tilly, der die Nachricht brachte von dem unerhörten Skandal, der sich in der Residenz zugetragen habe. Die Verlobung der kleinen Prinzessin sei plötzlich zurückgegangen(87) und sie sei Hals über Kopf mit einem alten Herrn aus vornehmem Hause verheiratet worden, natürlich in aller Stille, und das junge Ehepaar sei für längere Zeit außer Landes gegangen, bis Gras über die Geschichte gewachsen war. Der Doktor Egon Falkenrieth sei über Nacht verschwunden, niemand wisse wohin, er habe es gar nicht erst abgewartet, bis der alte Fürst, der vor Aufregung einen Schlaganfall erlitten, ihn außer Landes verwiesen habe. Und dann kam eine lange Geschichte. Der Doktor Falkenrieth sei ein Don Juan allerschlimmster Art gewesen, er habe es darauf angelegt, alle jungen Damen, die ihn besuchten, abzuküssen und womöglich gar zu verführen, die kleine Prinzessin sei seinen Künsten unterlegen(88) und was das Gemeinste von allem sei, er habe einer jeden seiner Patientinnen erzählt, er fände nur sie schön und begehrenswert, sie sei die einzige, die noch viel hübscher wäre als die kleine Prinzessin, und die meisten hätten dem auch geglaubt, schon weil sie hofften, der Arzt werde sie eines Tages heiraten. Wie das alles herausgekommen sei, wisse man eigentlich gar nicht, denn wenigstens von Tillys Freundinnen schwöre jede Stein und Bein darauf, gegen sie habe der Arzt sich stets tadellos korrekt benommen, und auch sie selbst, Tilly, könne sich in keiner Weise über ihn beklagen, aber trotzdem müßten von ihren Freundinnen trotz allen Leugnens und Abstreitens verschiedene zu den von dem Doktor Abgeküßten und Abgeknutschten gehören, gegen irgend jemanden müsse der sich doch vergangen haben, denn woher wisse man sonst alles? Auf jeden Fall könne sie, Tilly, nur nochmals wiederholen, sie gehöre ganz bestimmt nicht zu jenen, die da — und sie sei nun auch froh, daß sie, Josina, den Arzt gar nicht aufgesucht habe, obwohl sie, Tilly, ihr unbegreiflicherweise so zugeredet hätte. Nein, sie solle wirklich froh sein, denn sonst wäre es für sie vielleicht eine schreckliche Erinnerung für das ganze Leben, wenn sie sich sagen müßte, daß auch sie den Verführungskünsten dieses gemeingefährlichen Menschen, wenn auch nur bis zu einem gewissen Grade, zum Opfer gefallen sei.

Als Josina diesen Brief las, schämte sie sich vor sich selbst . Nicht, weil sie sich hatte küssen lassen, nicht, weil sie ihren damaligen Egon, der jetzt selbstverständlich lediglich wieder der Herr Doktor war, heiß und leidenschaftlich wiederküßte, nicht, weil sie auf seinem Schoße saß und weil sie es duldete, daß seine ungezogenen Hände sie in einer Art und Weise liebkosten, die in den Privatkursen für Anstand und gute Sitte nicht durchgenommen wurde, nein, wegen all dieser Dinge schämte sie sich nicht, sondern einzig und allein, weil sie so dumm, so jeder Beschreibung spottend entsetzlich dumm gewesen war, ihm zu glauben, daß er nur sie liebe und daß er nur sie noch viel schöner und begehrenswerter fände, als die kleine Prinzessin Marie. Über diese ihre eigene Dummheit kam sie lange nicht hinweg und sie war gerecht genug, in dieser Episode ihres Lebens alle Schuld auf sich zu nehmen. Dem Doktor machte sie nicht den allerleisesten Vorwurf. Wenn die jungen Mädchen so dumm waren, auf das hinein zu fallen(89), was er ihnen da vorredete, hätte er ja mehr als ein Gott sein müssen, um die Torheiten der Mädels nicht in seinem Sinne und zu seinem Privatvergnügen auszunutzen. Nein, schelten durfte sie ihren früheren Egon nicht, ihn höchstens gegen allzu heftige Anklagen in Schutz nehmen, denn wenn er es gewollt hätte — — natürlich bei ihr hätte er es nicht erreicht(90) und sie selbst wäre nie, aber auch niemals seine Geliebte geworden, aber trotzdem, nein, was sie selbst nie, aber auch wirklich niemals getan haben würde, obgleich sie sich damals in manchen heißen, schlaflosen Nächten fragte: Warum erweckt er derartig deine Leidenschaften, wenn er zu anständig und zu sehr Ehrenmann ist, um diese Leidenschaften auch zu stillen? — nein, sie selbst wäre selbstverständlich niemals seine Geliebte geworden, aber diese oder jene hätte er sicher dahin bringen können, wenn er es ernstlich gewollt hätte. Daß er es nicht tat, sprach nur zu seinen Gunsten, vorausgesetzt, daß er es wirklich nicht tat, was sich bei den anderen jungen Mädchen ja erst nach einigen Monaten entscheiden würde, wenn die gewisse Zeit erfüllt war.

Nein, sie selbst warf keinen Stein auf ihn, dazu war es in seinen Sprechstunden zu himmlisch schön gewesen, und sie durfte ihm auch niemals vergessen, mit welcher Geschicklichkeit er ihr den schmerzenden Kohlenstaub aus dem Auge entfernte. Es tat ihr auch nicht eine Sekunde leid, daß sie sich von ihm küssen ließ und daß sie ihn so heiß und sinnlich wiederküßte. Aber daß sie beides tat, mußte doch einen Grund gehabt haben, denn sie war doch ein wohlerzogenes junges Mädchen, daß sich nicht so ohne weiteres von einem Herrn auf den Schoß nehmen ließ. Das alles mußte einen Grund gehabt haben, aber welchen nur? Liebe war es nicht gewesen, Sinnlichkeit allein auch nicht, vielleicht geschah es nur unter dem Einfluß, den die Berührung durch seine Hände auf sie ausübte? Aber nein, dann wäre sie ja gleichsam ein willenloses Werkzeug seines Willens gewesen(91) und das wollte und durfte sie nicht gewesen sein. Aber was war denn sonst nur der Grund? Es dauerte diesesmal(92) lange, bis sie den fand, aber als sie ihn endlich gefunden hatte, war sie sehr glücklich. Sie hatte sich ganz einfach nur deshalb von ihm küssen lassen und ihn auch nur deshalb wiedergeküßt, weil sie lediglich der Wissenschaft halber hatte feststellen wollen, warum die jungen Damen so fleißig die Sprechstunden des Herrn Doktor Egon Falkenrieth aufsuchten und was in denen so Wunderbares geschah, daß die(93) immer und immer wieder zu ihm kamen. Einzig und allein, um ihre Neugierde zu befriedigen, einzig und allein nur deshalb, ebenso wie sie in seine Sprechstunde gegangen wäre, wenn man ihr geheimnisvolle Andeutungen über ein schönes Bild gemacht hätte, das in seinem Sprechzimmer hing und das man sich unbedingt angesehen haben müsse, weil es so unanständig war, daß man es sich eigentlich nicht ansehen dürfe.

Das war die Episode Egon, die dritte Kußepisode ihres Lebens, wenn auch nicht die wirkliche dritte, so die eigentliche dritte, denn auf die wirkliche dritte kann man sich in ihrem Alter doch gar nicht mehr besinnen, weil man bei der noch so jung war, daß man da noch gar nicht richtig bis drei zählen konnte.

Der Dritte hieß Egon, der Vierte aber hieß Martin. Den Vornamen fand sie gräßlich, fast noch gräßlicher als den Träger dieses Namens selbst, obgleich er ein königlich preußischer Infanterieleutnant war, der vor einem Jahr im Hause ihrer Mutter für zwei Tage in Einquartierung lag, als die Manöver sich in der Umgegend abspielten. Nein, er gefiel ihr gar nicht, er war groß und blond, semmelblond, mit wasserblauen Kalbskopfaugen, und wenn er sprach und lachte, meckerte er wie ein Ziegenbock, der an Aufstoßen leidet, so daß sie ihm am liebsten eine Schachtel Natron nach der anderen geschenkt hätte. Zum Überflusse war er auch noch jung verheiratet(94) und er sprach von seiner Frau in einer Weise, die ihr direkt auf die Nerven ging. Er schwelgte in Diminutiven, er sprach nicht von seiner Frau, sondern von seinem Frauchen,(95) oder seinem kleinen süßen Weibchen, von deren Küßchen, von deren Händchen,(96) und von deren Mündchen, daß ihr dabei in der Magengegend ganz elendiglich zumute wurde. Aber was ihr das Unangenehmste an ihm war, sie glaubte dieser Verliebtheit in sein Weibchen nicht, denn wenn er ihrer Mutter und ihr von seiner Frau erzählte, hatte er zuweilen eine Art und Weise, sie selbst dabei heimlich und verstohlen anzusehen, die sie einfach unverschämt fand. Das wollte sie ihm auch deutlich zu verstehen geben, sobald sich ihr dazu nur Gelegenheit bot, und als sie die fand, da stieß sie ihn unter dem Tisch mit aller Gewalt gegen seine Beine. Aber das hätte sie lieben nicht tun sollen, denn als sie es getan hatte und nun nach getaner Arbeit ihren rechten Fuß wieder zurückziehen wollte, da hielt er den fest. Er mußte diesen Fußtritt vorausgesehen und für diesen Angriff seine Vorbereitungen getroffen haben, denn blitzschnell fing er ihren Fuß zwischen seinen beiden Füßen ein und das mit einer solchen Geschicklichkeit, daß sie ihm wenigsten in dieser Hinsicht Lob und Anerkennung zollen mußte. Dann aber versuchte sie sich zu befreien, aber das war(97) nicht so leicht, denn sie durfte sich auf ihrem Platz nicht allzu sehr(98) rühren, schon damit die Mutter nicht auf sie aufmerksam wurde und sie nicht etwa frage, warum sie denn nicht still sitze, sie sei doch ein wohlerzogenes junges Mädchen und wisse als solches sicher, wie man sich zu benehmen habe, noch dazu, wenn liebe Gäste da wären. Na(99)und daß sie sich in Gegenwart dieses sogenannten lieben Gatses auch noch ausschelten ließ, das sollte ihr gerade noch fehlen. So versuchte sie denn weiter, in unauffälliger Weise ihren Fuß frei zu bekommen, aber der saß fest wie in einer Zange. Da wollte sie den Fuß dadurch frei machen, daß sie den aus dem Schuh herauszog, aber als erriete er ihre Gedanken, machte er ihr auch das durch eine geschickte Bewegung seiner Füße plötzlich unmöglich. So blieb ihr denn nichts anderes übrig, als den weiteren Verlauf der Mahlzeit abzuwarten, einmal würden sie ja schon von Tisch aufstehen(100) und dann mußte er sie natürlich freigeben, denn daß sie beide mit derartig ineinander verschlungenen Füßen durch die Zimmer humpeln sollten, war ja ausgeschlossen. Und hoffentlich stand man bald auf. Aber als die Mutter dazu schließlich das Zeichen geben wollte, bat er, ob man nicht noch eine eine kleine Viertelstunde sitzen bleiben dürfe, die Stimmung am Eßtisch sei so reizend gemütlich(101) und man könne doch nicht wissen, ob dieselbe Stimmung nachher in den Nebenräumen wieder über sie drei kommen würde.

Josina gestand es soch offen ein, so etwas von bodenloser Unverschämtheit war ihr noch nicht vorgekommen, und am liebsten hätte sie ihm zugerufen: „Wenn Sie hier noch sitzen bleiben wollen, meinetwegen, dann geben Sie mir aber wenigstens meinen Fuß wieder zurück.” Aber nicht einmal das konnte sie, denn was hätte sie antworten sollen, wenn er ihr zur Antwort gab: „Gnädiges Fräulein, ich behalte Ihren Fuß nur deshalb, damit er nicht wieder in Versuchung kommt, nach mir zu stoßen.” Was hätte die Mutter da wohl von ihr denken sollen? Sie war doch ein wohlerzogenes junges Mädchen, das da wissen mußte, wie man sich bei Tisch benahm, noch dazu in Gesellschaft eines lieben Gastes. Diesen lieben Gast aber haßte sie, obgleich er sich, seitdem sie beide so miteinander da saßen(102), plötzlich sehr zu seinem Vorteil veränderte. Er schien es ganz vergessen zu haben, daß er verheiratet war, er sprach nicht mehr von seinem Frauchen und nicht mehr von seinem Weibchen, er erwähnte nichts mehr von den Küßchen, die sie ihm mit auf den Weg in das Manöver gab, und er sprach auch nicht mehr von den kleinen Händchen, die ihn zum Abschied so zärtlich gestreichelt hätten. Aber das nicht allein, wie er sich in seiner Sprechweise veränderte, so schien er auch äußerlich ein anderer zu werden, wenigstens kam es ihr so vor, als sei er nicht mehr semmelblind, sondern nur noch blond, und als hätte er keine wasserblauen Kalbskopfaugen, sondern eigentlich ganz hübsche blaue Augen. Seinen schauderhaften Vornamen Martin behielt er natürlich trotz alledem(103), und wenn er sich einbildete, daß es auf sie irgendwelchen Eindruck machte, daß er in dieser Weise mit ihr zu fußeln versuchte, irrte er sich sehr. Aber trotzdem, ein ganz angenehmes Gefühl war es doch, sich,(104) wenn auch nur so in der Gewalt eines Mannes zu befinden und dessen Macht, dessen Stärke, aber auch dessen Frechheit kennen zu lernen(105), denn wenn Männer ja eigentlich nie frech sein dürfen, Männer, die es nie sind, haben etwas furchtbar Langweiliges an sich, wenigstens ihr kamen die immer so vor, als ständen sie bis an ihr Lebensende unter der Nachwirkung des Konfirmations­unterrichtes und des Bibelwortes, das sie bei der Einsegnung als Geleitspruch für das spätere Leben mitbekommen haben, ohne daß sie sich über solche Sprüche lustig machen wollte. Und dieser Martin schien die Frechheit wirklich von Kindheit an mit der Milchflasche in sich eingesogen zu haben, denn wie frech er sein konnte, das merkte sie erst im weiteren Verlauf des Abends, als man endlich, endlich von Tisch aufstand und als die Mutter sich bald darauf niederlegen mußte, weil sie plötzlich wieder einen ihrer Migräne­anfälle bekam. Auch ihr Gast wollte sich natürlich sofort in sein Zimmer zurückziehen, wenigstens tat er so, als ob er das wollte, aber die Mutter duldete es nicht, wenigstens für ihn sollte der Abend nicht so einsam und langweilig enden, sie bat ihn, ihrem Kinde noch etwas Gesellschaft zu leisten, ihre Josina würde ihm gern etwas vorspielen, sie selbst würde durch die Musik absolut nicht gestört werden, im Gegenteil, sie höre es gern, wenn die Musik leise und gedämpft in ihr Schlafzimmer dränge(106). Wäre dieser Leutnant mit dem scheußlichen Vornamen Martin Junggeselle gewesen, würde die Mutter wohl kaum so gesprochen haben, oder vielleicht erst recht, in der Hoffnung, daß dieses Alleinsein dazu beitrüge, aus ihnen beiden ein zärtlich liebendes Paar zu machen. Aber ihr lieber Gast war schon mit einem reizenden Frauchen verheiratet, da war ihr Kind bei dem gut und gefahrlos aufgehoben.

Jawohl, gut und gefahrlos, das merkte Josina sehr bald, als sie sich wenig später an den Flügel setzte, denn kaum hatte sie die ersten zehn Takte gespielt, da beugte er sich über sie und küßte sie derartig auf den Mund, daß ihr der Atem verging und daß sie unwillkürlich mit dem Spiel aufhörte, bis er bat: „Nicht aufhören, Josina, immer weiterspielen, Sie wissen doch, das tut Ihrer armen Frau Mutter so gut, wenn die Töne der Musik leise und gedämpft in deren Schlafzimmer dringen. Schon Ihrer Frau Mutter wegen müssen Sie weiterspielen, was soll die sonst wohl denken, wenn das Spiel plötzlich verstummt.”

Ja, da hatte er recht, was sollte die Mutter da wohl denken? Deshalb berührten ihre Finger die Tasten wieder, während sie ihm dabei aber zugleich zurief: „Das sage ich Ihnen aber, Herr Leutnant, noch ein solcher Kuß und wir sind geschiedene Leute, dann bekomme auch ich einen Migräneanfall und lege mich schlafen, denn ich glaube nicht, Sie zu solcher Keckheit ermuntert zu haben. Was Sie sich bei Tisch herausnahmen, war schon mehr als genug, allerdings will ich offen und ehrlich zugeben, daß ich mich da auch nicht ganz korrekt benahm, aber trotzdem, das hätten Sie nicht tun dürfen. Sie dürfen mich auch jetzt nicht wieder küssen, erstens will ich mich nicht küssen lassen, weil ich das überhaupt nicht tue, zweitens tue ich das nur, wenn ich einen Mann gern habe, und außerdem sind Sie verheiratet und sollten an Ihre Frau denken. Was würde die wohl sagen, wenn die etwas davon wüßte, wie Sie sich gegen mich benehmen.”

Diese Standrede klang aus ihrem Munde sehr schön und feierlich, obgleich sie die eigentlich nicht ganz angebracht fand. Gewiß, er hatte Ausschelte verdient, aber trotzdem hätte sie seine Unarten, die er bei Tische beging, nicht erwähnen dürfen. Über so etwas geht ein wohlerzogenes junges Mädchen dem Gaste gegenüber mit Stillschweigen hinweg. Auch irritierte es sie, daß sie ihn erst wieder darauf aufmerksam machen mußte, verheiratet zu sein. Wenn er selbst nicht daran dachte, hätte sie ihn im Interesse seiner armen Frau nicht daran erinnern dürfen. Die Ärmste tat ihr mehr als leid, wie furchtbar mußte es sein, schon so bald vergessen zu werden! Trotzdem aber fand sie ihre Strafrede sehr schön. Allerdings erwartete sie nicht, daß die auf den Sünder allzuviel Eindruck machen würde, einigen Eindruck aber hatte sie immerhin erwartet, statt dessen lachte er plötzlich hell auf, so hell, daß ihre Hände von den Tasten geglitten wären, wenn er ihr nicht zugerufen hätte: „Bitte, weiterspielen, gnädiges Fräulein, denken Sie an die kranke Frau Mutter, aber spielen Sie etwas pianissimo, das macht sich feierlicher zu dem Geständnis, das ich Ihnen abzulegen habe und das da kurz und bündig lautet: ich bin doch gar nicht verheiratet! Dieser Ehering, den ich nur in den Quartieren trage, ist mein Manövertrick, damit ich vor den Müttern heiratsfähiger Töchter und vor diesen selbst sicher bin. Bitte spielen Sie ruhig weiter, gnädiges Fräulein, ich habe nicht mehr viel zu sagen, höchstens, daß ich einem Erbonkel zuliebe vor dem vierzigsten Jahr nicht daran denken darf, mir eine Frau zu nehmen. Daher dieser Trick, damit sich niemand in mich verliebt, und damit die Töchter das auch wirklich nicht tun, habe ich es mir angewöhnt, nur von meinem Frauchen, deren Küßchen und deren Händchen zu sprechen. Glauben Sie etwa, gnädiges Fräulein, ich fände das nicht selbst ekelhaft? Aber was tut man nicht alles, um sich ein Rittergut und eine bare jährliche Rente von fünfundzwanzigtausend Mark dadurch zu verdienen, daß man weder heiratet noch sich heiraten läßt. Und wenn Sie meinen Worten nicht glauben sollten, gnädiges Fräulein, hier ist der Ehering.”

Und in dem stand wirklich nichts eingraviert, kein Name, kein Datum, kein Nichts, und diesen seinen Manövertrick, sich als Ehemann auszugeben und sogar das Abzeichen eines solchen zu tragen, fand sie so unglaublich frech und unverschämt, daß es ihr dafür vollständig an Worten fehlte. Sie war so sprachlos, daß sie sich nicht einmal mit einem energischen Protestruf dagegen zu verwahren vermochte, als er sie nun plötzlich wieder küßte. Nein, sie konnte vorläufig wirklich nicht sprechen, sie konnte das auch schon deshalb nicht, weil sie ihn immer ansehen mußte, und da kam es ihr so vor, als sei er überhaupt niemals semmelbond, sondern höchstens dunkelblond gewesen(107) und als habe er nie blaue Kalbskopfaugen gehabt, sondern immer nur blauschwarze. Und wenn sie genau hinhörte, meckerte er auch gar nicht mit der Stimme(108) und Natron brauchte sie ihm erst recht nicht zu geben(109) und so häßlich war der Name Martin doch auch nicht. Sie erinnerte sich sogar, an einem Berliner Theater einmal einen sehr eleganten und schicken Schauspieler gesehen zu haben, der auch Martin hieß. Und dann gab es auch noch einen ganz, ganz berühmten Martin, den wenigstens in Deutschland dem Namen nach jedes Kind kannte. Wer war das doch noch? Im ersten Augenblick konnte sie sich nicht darauf besinnen, aber das war ja auch weiter kein Wunder, wie sollte man ruhig nachdenken können, wenn man fortgesetzt Klavier spielen mußte und dabei abgeküßt wurde? Aber mit einemmal wußte sie es trotzdem, Luther hieß er, Doktor Martin Luther. Bei dem hatte sie den Namen Martin sogar immer sehr hübsch gefunden, warum sollte sie das bei diesem unglaublich frechen Leutnant nicht auch tun? So söhnte sie sich mit seinem Vornamen aus, wie sie sich überhaupt nach und nach vollständig mit ihm aussöhnte.

Zwei Tage lag dieser Leutnant im Hause ihrer Mutter im Quartier, zwei lange kurze Tage, in denen sie viel von ihm lernte, sogar etwas lateinisch, die Worte carpe diem, nutze nicht nur den Tag, sondern möglichst jede Sekunde des Tages aus. Und das tat sie. Sie ließ sich von ihm küssen, wo sich nur immer Gelegenheit dazu bot, und bot sich keine, dann suchte sie eine. Aber das nicht allein, sie ließ sich nicht nur von ihm küssen, sondern sie küßte ihn sogar wieder, selbstverständlich nur in aller Heimlichkeit, denn sie war doch ein wohlerzogenes junges Mädchen und wußte als solches sehr genau, was sich vor den Dienstboten schickt und was sich nicht schickt. Und auch der Mutter sagte sie nichts davon, warum auch? Die hätte dann vielleicht geglaubt, sie beide wollten sich heiraten, obgleich er schon verheiratet sei. Da hätte sie die Mutter erst in alles einweihen müssen(110) und das war viel zu langweilig. Beschränkt, wie selbst die klügsten Eltern es meistens sind, hätte die Mutter es sicher auch gar nicht verstanden, wie sie, ihre Josina, sich von dem Leutnant küssen lassen konnte, wenn sie dabei nicht an das Heiraten dachte, ja, wenn sie in den nicht einmal verliebt war. Aber das gestand Josina sich ein, als ihr Leutnant eines Morgens mit seinem Regiment weiter in das Manöver zog, geliebt hatte sie ihn gar nicht, ja er war ihr sogar eigentlich vollständig gleichgültig(111) und wenn sie ihn trotzdem küßte und sich von ihm wiederküssen ließ, da mußte das doch einen Grund gehabt haben, aber welchen nur? Darüber dachte sie lange nach(112) und dann fand sie auch einen. Sie hatte seine Küsse nur geduldet und stillgehalten, als er sie küßte, weil er sonst vielleicht imstande gewesen wäre, von ihr zu verlangen, daß sie ihn zuerst küssen sollte. Allerdings, das sah sie selber ein, sehr stichhaltig war dieser Grund für ihr Verhalten nicht gewesen, aber da sie keinen anderen fand, gab sie sich vor sich selbst mit dem zufrieden.

Das war die vierte Kußepisode ihres Lebens, wenn auch nicht die wirkliche vierte, so doch die eigentliche vierte, denn auf die wirkliche vierte kann man sich schon deshalb nicht besinnen, weil man da noch so jung war, daß man noch gar nicht richtig bis vier zählen konnte.

Der Vierte hieß Martin(113) und den hatte sie ebenso wie die anderen längst wieder vergessen gehabt(114) und sie hätte auch an die vier nie wieder gedacht, wenn sie nicht dummerweise von denen heute nacht geträumt hätte, ausgerechnet heute nacht, wo sie doch von einem anderen hatte träumen wollen, von ihm, den sie nun heute abend als Fünften, als wirklich Allerersten küssen würde, denn die anderen vier zählten doch gar nicht mehr mit, an die durfte sie in Zukunft noch viel weniger denken, als sie es in der Vergangenheit getan hatte.

Nun kam er, der Erste, der Allererste, der Fünfte, Harald der Zweite, denn ein bildhübscher Schulfreund ihres früh verstorbenen Bruders hatte auch Harald geheißen(115) und Gott und die dichten Johannisbeersträucher allein waren Zeuge gewesen, wie sie sich da mit dem einmal abküßte, das heißt, einmal am Tage und nur ein paar Tage lang, dann hatte sie es schon deshalb satt gehabt, weil es keine Johannisbeeren mehr gab, die hatten sie während des Küssens gemeinsam aufgefuttert.

Nun kam Harald der Erste, und ganz deutlich sah sie ihn nun wieder vor sich. Äußerlich genau so, wie sie sich ihren zukünftigen Mann immer gewünscht hatte, groß, schlank, sehr elegant, scharfgeschnittenes, glattrasiertes Gesicht(116) und trotzdem(117) er erst zweiunddreißig Jahre zählt, bereits leicht ergrautes Haar. Diese grauen Haare standen ihm ausgezeichnet(118) und außerdem fand sie die todschick. Von allen anderen Vorzügen aber ganz abgesehen, besaß er auch noch den, sehr reich zu sein. Und deshalb hatte von seiten ihrer Freundinnen auch gleich Lützows wilde verwegene Jagd nach ihm begonnen, als er hierher übersiedelt war, um sich mit seinem großen Vermögen an einem angesehenen industriellen Unternehmen zu beteiligen. Alle jungen Mädchen hatten hinter ihm hergejagt, natürlich so, daß er nichts davon merkte, nur sie, Josina, jagte nicht mit, einmal, weil sie das ihrer für unwürdig hielt, dann aber auch, weil sie sich sagte, so klug wie die anderen es sind, bist du immer noch, und wenn eine von den anderen ihn sich einfangen will, dann bist du diejenigen, die ihn sich einfangen wird. Und das war ihr nun auch gelungen, wenigstens würde ihr das heute abend gelungen sein. Allerdings hatte sie sich auch nicht so blödsinnig dumm angestellt, wie sie Freudinnen es taten, die ihn anhimmelten und ihn anschwärmten, die sich in seligem Vergessen an ihn schmiegten, wenn er sie bei dem Tanze in den Armen hielt, die sich für ihn schmückten und putzten und die ihre Freude nicht verheimlichen konnten, wenn sie auf einer Gesellschaft gerade von ihm zu Tisch geführt wurden. Ach nein, sie hatte es schlauer angefangen. Sie hatte auf der Gesellschaft, an der er sie zum erstenmal zu Tisch führen sollte, im allerletzten Augenblick abgesagt. Ganz leicht war ihr das natürlich nicht geworden, und als man sie antelephonierte und sie himmelhoch beschwor, ihre Absage wieder rückgängig zu machen und doch noch zu kommen, schon weil der Doktor Mannsberg sonst keine Tischdame habe, hatte es ihrer ganzen Energie bedurft, um felsenfest zu bleiben und zu erklären, sie fühle sich so elend, daß sie im Begriff sei, sich hinzulegen. Sie habe so rasende Kopfschmerzen, daß sie sich nicht länger aufrecht halten könne. Nein, leicht war es ihr nicht geworden, abzusagen, aber sie wußte, dieses Opfer würde sich bezahlt machen. Der Doktor werde sich nun, da er sie bei Tisch vermißte, in Gedanken viel mehr mit ihr beschäftigen, als wenn sie neben ihm säße. Er würde sich fortwährend fragen, warum sie wohl nicht gekommen sei, denn an ihre Kopfschmerzen würde er sicherlich nicht glauben, oder wenn doch, würde er annehmen, daß da noch etwas anderes vorläge(119), daß dieses Leiden wenigstens eine besondere Ursache haben müsse. Aber was konnte das nur für eine Ursache sein? Das wußte Josina trotz allen Nachdenkens zuerst selber nicht, aber als sie in ihrem Zimmer eine Zigarette nach der anderen rauchte, da fiel es ihr plötzlich ein: sie hatte heute nachmittag die Nachricht erhalten, daß ihr liebster Jugendfreund ganz plötzlich und unerwartet an, an — ja, woran hatte der nur so plötzlich sterben können? Und wie alt war der nur geworden? Ein paar tiefe Züge aus der Zigarette gaben ihr auch darauf Antwort. Er war an einer Blutvergiftung gestorben, die er sich als junger Student der Medizin bei der Sektion einer Leiche zuzog. Und so jung war er gewesen, erst zweiundzwanzig Jahre. Sein Tod hatte sie außerordentlich erschüttert, denn sie hatte ihn geliebt, schon als Kinder hatten sie sich verlobt und immer davon gesprochen, daß sie einander heiraten würden, wenn er erst soweit sei, um eine Frau ernähren zu können. Gewiß, das lag noch in weiter Ferne, aber sie hatte ihm versprochen, trotzdem auf ihn warten zu wollen, und nun, da er so plötzlich von ihr ging, durfte sie um des Toten willen, wenn überhaupt, so erst nach vielen, vielen Jahren daran denken, sich jemals in einen anderen Mann zu verlieben, ja, sie durfte es nicht einmal dulden, daß ein anderer Mann um sie werbe.

Es war eine ganz rührselige Geschichte, die Josina sich da erfand. Hätte sie das nötige Talent dafür besessen, dann hätte sie den Kitsch für den Kientopp bearbeitet und am liebsten selbst die Hauptrolle in dem Film gespielt. Asta Nielsen die Zweite, und wie die auf der Leinwand, so würde sie ihre Rolle spielen, wenn sie einmal wieder mit dem Doktor zusammentraf und wenn er ihr erklärte, wie sehr er es bedauert habe, daß er neulich abend auf ihre Gesellschaft habe verzichten müssen. Im Vertrauen auf seine allerstrengste Verschwiegenheit würde sie ihm da das Märchen erzählen, und er würde ihr glauben. Aber das nicht allein, er würde ihr auszureden versuchen, daß sie einem Toten zuliebe nun selbst vorläufig auf das Glück der Liebe verzichten müsse. Natürlich würde er das am Anfang nur ganz im allgemeinen behaupten, nach und nach aber an sich selbst denken, wenn er einsah, daß seine Worte auf sie ohne Eindruck blieben. Natürlich mußte sie sich aber sehr geschickt dabei anstellen und nicht etwa so dumm, daß er sich eines Tages sagte: „Na denn nicht, wenn du eine so dumme Pute bist, überlasse ich dich deinem Schicksal, dann mache, was du willst.” Sie mußte es verstehen, ihn dahin zu bringen, daß er es für seine Pflicht hielt, ihr diese trüben Gedanken auszureden, und es mußte seine Eitelkeit verletzen, wenn er zuerst sah, daß es ihm nicht gelang, und es mußte nach und nach seiner Eitelkeit schmeicheln, wenn er bemerkte, daß seine Worte auf sie nicht ohne Eindruck blieben. Und damit das auch der Fall war, mußte sie sich noch hübscher anziehen als sonst, sie durfte nur mit dem Blick ihrer Augen und mit ihrem Wesen trauern, im übrigen aber schon vor Jahren dem Freunde das Versprechen gegeben haben, seinetwegen keine Trauerkleider anzulegen, wenn er so oder so plötzlich eines Tages sterben sollte, denn er, der Ärmste, habe immer schon die Ahnung gehabt, als wenn ihm kein langes Leben beschieden sei.Allerdings, so glaubhaft ihr das auch alles erschien, was sie sich da ausdachte, sie hatte am ersten Abend doch ihre Bedenken, ob Doktor Mannsberg ihr auch wohl glauben würde, das auch schon deshalb, weil man doch eigentlich keine Kopfschmerzen bekommt, wenn man den plötzlichen Tod des besten Jugendfreundes erfährt, sondern statt der Kopfschmerzen — ja, was bekommt man nur bei solchen Gelegenheiten? Kopfschmerzen waren nicht das Richtige, sondern Weinkrämpfe. Richtig, richtig, Weinkrämpfe, die hatte sie am Nachmittag gehabt, und aus diesen hatten sich in logischer Weise, die rasenden Kopfschmerzen entwickelt. Ja, ja, so war es gewesen(120) und gerade weil alles trotz alledem etwas sehr unglaubhaft war, würde sie ihn schon dahin bringen, daß er ihr glaubte, denn den Mann wollte sie sich nicht entgehen lassen. Dazu war er zu reich, nein(121) das natürlich nicht, dazu hatte sie ihn viel zu lieb, oder sie würde ihn wenigstens dazu viel zu lieb haben, wenn sie erst seine Frau war. Und heute abend sollte sie nun seine Braut werden.

Trotzdem(122) sie sich wirklich in unauffälligster Weise alle nur denk­bare Mühe gegeben hatte, es dahin zu bringen, war es eigentlich noch schneller gekommen, als sie es gehofft hatte. Aber das gestand sie sich auch immer wieder ein, selbst Asta Nielsen plus Henny Porten plus Lotte Naumann(123) und wie die sonstigen Filmgrößen noch heißen, die alle zusammen hätten ihren Kitschfilm nicht besser spielen können,(124) als sie den ihrigen. Geradezu glänzend war ihr Augenaufschlag gewesen, mit dem sie ihn ansah, als er ihr eines Tages sagte: „Gnädiges Fräulein, für solche Gedanken und Erinnerungen sind Sie noch viel zu jung. Das ganze Leben liegt vor Ihnen, Sie besitzen das Köstlichste, was ein Mensch besitzen kann, die Jugend. Nutzen Sie die(125) aus, genießen Sie das Leben, seien Sie fröhlich mit den Fröhlichen, denken Sie aber auch daran, daß die Pflichten, die Sie gegen Ihre Mitmenschen haben, viel heiliger und größer sind, als die, die Sie gegen den Toten zu haben glauben, denn wer so schön und begehrenswert ist wie Sie, gnädiges Fräulein, hat nicht das Recht, sich gewissermaßen hinter die Klostermauern zurückzuziehen und den Rest seines Lebens in Abgeschlossenheit zu verbringen.” Als er in diesem Sinne noch lange auf sie einsprach, hatte sie ihn angesehen, und in diesem Blick lag alles, Trauer um den Toten, Hoffnung auf das Leben, die bange Frage: versündige ich mich auch nicht, wenn ich dem so früh Verstorbenen schon jetzt mit meinen Gedanken untreu werde? Vor allen Dingen aber die bange Frage: Was habe ich von meiner Jugend, für wen verlohnt es sich noch, daß ich lebe, wen mache ich wohl dadurch glücklich, daß ich wieder froh werde und lache wie früher? Wo ist der Mensch, der mich je so lieb haben könnte, wie es der Jugendfreund tat?

Und auf diese stumme Frage, die sie sich stundenlang vor dem Spiegel einstudiert hatte, war er glatt hineingefallen. Aber das sollte er ja auch, denn sie hatte ihn doch lieb, schon weil er groß und schlank und glatt rasiert war. Für Männer mit Schnurrbärten hatte sie sich nie begeistern können. Die waren nicht ihr Typ(126) und der Zufall fügte es auch, daß alle anderen, nein, es waren im ganzen ja nur vier gewesen, daß auch die gänzlich bartlos und glatt rasiert waren, sonst hätte sie die nie geküßt und sich erst recht nicht von denen wiederküssen lassen oder umgekehrt. Oder wenn sie doch stillgehalten hätte, würde ihr die harmlose Küsserei nicht annähernd dasselbe unschuldige Vergnügen bereitet haben, wie die(127) es so tat. Ja, er hatte auf die stumme Frage hineinfallen sollen(128) und er war gefallen. So glatt, so tief und gründlich, wie sie es kaum in ihren kühnsten Träumen zu hoffen gewagt hatte. Heute abend auf der Gesellschaft, bei der er sie zu Tisch führte, würde er sich nach aufgehobener Tafel mit ihr verloben, das hatte er ihr gestern so deutlich zu verstehen gegeben, daß es keinem Zweifel mehr unterlag. Heute abend würde er sie küssen, und während Josina in ihrem Bett vor sich hin träumt(129), denkt sie darüber nach, daß es doch eigentlich für ein junges anständiges Mädchen der Gesellschaft ein sonderbares Gefühl ist, es des Morgens schon zu wissen, daß es am Abend von einem Herrn, der es noch nie küßte, zum erstenmal geküßt werden wird. Auf der einen Seite hat das ja sicher einen gewissen Reiz der Neuheit, aber auf der anderen Seite verliert das Küssen dadurch doch wieder an Reiz. Wenn man sich auf einer Gesellschaft zu Tisch setzt, weiß man ja auch nicht, was es zu essen gibt, und vor allen Dingen läßt man sich gern durch den Nachtisch und durch die Schleckereien und Süßigkeiten überraschen. Bei dem Kuß, wenigstens bei dem ersten Kuß, den ein Herr einem jungen Mädchen gibt, ist die Überraschung schließlich die Hauptsache. Ein Kuß ist doch kein D=Zug, der fahrplanmäßig auf die Minute in die Halle, in diesem Falle in das Gesicht oder auf den Mund einer jungen Dame einfährt. Das Schönste ist, geküßt zu werden, ohne daß man es selbst ahnt, daß man geküßt werden soll.

Aber bei einem Verlobungskuß geht es wohl nicht anders, schon weil der ganz anders ist,(130) als die anderen Küsse, die diesem Kuß vorangehen. Und im Zusammenhang damit beschäftigt sie nun wieder die große, so unendlich schwierige Frage: Wie soll sie sich verhalten, wenn ihr Harald sie heute abend küßt, und wie soll sie ihn wiederküssen? Darüber denkt sie schon seit ein paar Tagen vergebens nach(131) und darüber hat sie auch heute nacht nachdenken wollen, statt dessen haben diese vier dummen Träume sie beschäftigt. Ja, wie soll sie sich verhalten und benehmen, wenn er sie küßt? So(132) als ob sie sich vor ihm tatsächlich noch nie von einem anderen Herrn hat küssen lassen, so(133) als wisse sie noch gar nicht, was der Kuß von den Lippen eines Mannes sei, so(134) als ob dieser Kuß die große Offenbarung in ihrem Leben wäre, auf die sie bis zu dieser Stunde wartete, die große Erkenntnis, die aus einem reinen, unerfahrenen jungen Mädchen mit einemmal das verstehende Weib macht? Aber wird er ihr glauben, wenn sie sich gar so unschuldig anstellt, und wird es ihn nicht verstimmen, wenn sie ihm zeigt, daß durch seinen Kuß ihre Sinne und Leidenschaften zu erstenmal erweckt werden, denn so viel weiß sie von den Männern auch schon: Eine Frau darf und soll leidenschaftlioch sein, aber sie darf es nicht zeigen, daß sie es ist. Eine kalte Natur stößt die Männer ab, aber eine leidenschaftliche zuweilen erst recht. Das Temperament nimmt der Mann für sich allein in Anspruch, um dadurch das seiner Frau erst zu erregen. Und hat er es getan, bildet er sich etwas darauf ein wie ein Lehrer, der seiner Schülerin irgend eine Weisheit beibrachte, die angeblich nur schwer in deren Schädel hinein ging(135). Je mehr Arbeit der Lehrer hat, desto größer ist die Freude über seinen Erfolg, und jeder Mann will auf dem Gebiet der Liebe der Lehrer seiner Frau sein. Eine gewisse Veranlagung soll seine Schülerin natürlich mit in die Ehe bringen, aber möglichst wenig Vorkenntnisse. Das und noch manches andere weiß Josina aus den klugen Gesprächen, die sie mit jung verheirateten Freundinnen über dieses für ein junges Mädchen immer interessante Thema führte.

Josina seufzt in ihrem Bett schwer auf. Ja(136) ja, es ist für ein durch und durch anständiges junges Mädchen wirklich sehr, sehr schwer, sich richtig zu verhalten, wenn es den Verlobungskuß bekommt. Wenn die Herren es nur wüßten, wie schwer das ist. Die bilden sich ein, das junge Mädchen könne voller Ungeduld den Augenblick nicht abwarten, in dem es den Kuß erhält. Die ahnen nichts von den Überlegungen, die dieser Minute vorangehen. Der Mann bildet sich ein, der erste zu sein, der das Mädchen küßt, er denkt gar nicht darüber nach, ob die sich vor ihm schon von einem anderen küssen ließ, und wenn er sich auch widerwillig eingesteht, daß das vielleicht, aber nur vielleicht der Fall gewesen sein könnte, so ist er felsenfest davon überzeugt, daß die Vergangenheit in derselben Sekunde für immer erledigt ist, in der er seine Lippen auf die seiner Braut drückt. Bis zu einem gewissen Grade hat der Mann damit ja auch recht, aber trotzdem, der Verlobungskuß ist für eine junge Braut außerordentlich schwierig. Wie soll sie stillhalten? Sie hat Erfahrungen, von denen sie nichts verraten darf, sie hat Kenntnisse, die sie nicht verwerten darf, sie hat Routine, die sie nicht ahnen lassen darf, sie muß alle ihre eigenen Lichter, die sie in dieser Hinsicht besitzt, unter den Scheffel stellen und einfach so tun, als ob sie in gewisser Hinsicht ein völlig reines, unbeschriebenes Blatt wäre(137).

Josina gesteht es sich ein, wenn die Männer wüßten, mit welchem Herzklopfen die jungen Mädchen oft diesem Verlobungskuß entgegensehen, weil sie fürchten, sich da zu verraten, daß sie sich früher schon oft küssen ließen, dann würde gar mancher Verlobungskuß unterbleiben. Aber zwischen ihr und ihrem Harald muß es natürlich heute abend zu diesem Kuß kommen, wenn sie auch imer noch nicht weiß, wie sie sich bei dem benehmen soll. Sie weiß nur eins, daß sie keine Enttäuschung verraten darf, wenn sein Kuß sie enttäuscht, wenn er sie ganz anders und weniger schön küßt, als ihr Carl Otto, ihr Felix, ihr Egon oder ihr Martin. An ihren Egon darf sie heute abend überhaupt nicht denken, sonst wird sie dessen Hände wieder auf ihren Augen fühlen und sich einbilden, von Opium berauscht in dem siebenten Himmel der Türken zu sein, und sie wird dann in ihrer erhitzten Phantasie wieder Bilder vor sich sehen, die eine keusche, reine und unverdorbene Braut gar nicht kennen darf. Nein, an ihre vier Kußfreunde darf sie unter gar keinen Umständen denken, schon damit sie ihren Harald nicht aus Versehen Carl Otto, Felix, Egon oder Martin nennt, denn auch so etwas soll vorkommen. Sie hat eine Freundin, die ihren Verlobten, der Adalbert heißt, während der Verlobungs­küsserei versehentlich Hermann nannte, weil ihr früherer Kußfreund so hieß und weil es ihr noch ganz ungewohnt war, sich nun plötzlich lediglich aus Liebe von einem anderen küssen zu lassen. Die Freundin hat erzählt, ihr Adalbert wäre verdammt hellhörig geworden und ihr selbst hätte der Angstschweiß auf der Stirn gestanden, aber sie hätte sich damit herausgeredet, daß sie an ihren Bruder, der glücklicherweise auch Hermann heißt, gedacht habe, weil sie wüßte, wie der sich mit ihr darüber freuen würde, daß sie nun so namenlos glücklich sei, und weil sie ihren Bruder fast ebenso lieb habe, wie ihn, ihren Adalbert. Da habe sie dessen Namen gerufen, damit der aus der Ferne ihren Glücksruf höre. Na und ihr Adalbert hatte ihr selbstverständlich geglaubt.

Ja(138) ja, es ist für ein anständiges junges Mädchen wirklich nicht so leicht, sich richtig zu benehmen, wenn es den Verlobungskuß bekommt, und wie soll sie sich nun erst verhalten, wenn sie ihren Harald zum Zeichen, daß auch sie ihn liebt, wiederküssen soll, denn einen solchen Beweis wird er selbstverständlich von ihr verlangen. Als wenn sie ihre Liebe nicht schon dadurch zur Genüge bewiese, daß sie stillhält, wenn sie sich von ihm küssen läßt. Aber die Männer sind ja nun einmal nie zufrieden. In der Hinsicht ändern sie sich erst, wenn sie verheiratet sind. Dann haben sie keine Zeit mehr(139) zu küssen, und wenn die jungen Frauen küssen wollen, um ihren Männern zu zeigen, daß sie die immer noch lieb haben(140), machen die Herren der Schöpfung ein ganz erstauntes Gesicht und fragen: „Ja, warum mußt du mir deine Liebe erst noch beweisen? Daß du mich liebst, ist ganz selbstverständlich, dafür bist du ja meine Frau!” Was die Männer sich nicht alles einbilden(141) und was die bei ihren Frauen nicht alles als selbstverständlich annehmen. Über den Punkt hat sie sich erst letzthin mit einer ihrer Freundinen unterhalten. Na, soviel weiß sie, wenn sie erst selbst verheiratet ist, wird sie ihren Harald schon zu erziehen wissen. Der soll sie darum bitten, daß sie ihn zum Beweise ihrer Liebe küßt, und auch dann wird sie nicht noch gleich darauflos küssen, sondern es so einzurichten wissen, daß er den Kuß, den sie ihm schenkt, als eine Auszeichnung betrachtet.

Aber noch ist sie nicht verheiratet, erst muß sie sich heute abend verloben und bei der Gelegenheit seinen Kuß erwidern. Aber wie? Das ist noch viel schwieriger zu beantworten,(142) als die Frage: Wie nehme ich seinen Kuß in Empfang? Josina hat einmal das Wort gelesen: Ein Verlobungskuß soll von beiden Seiten das felsenfeste Vertrauen ausdrücken, das einer in den anderen setzt. Das hört sich ja sehr schön an, aber mit dem felsenfesten Vertrauen ist es heutzutage nicht mehr weit her, denn selbst die größten und stärksten Felsen werden jetzt mit Dynamit gesprengt, da gibt es überhaupt keine festen Felsen mehr(143) und um eine moderne Ehe zu sprengen, braucht man nicht einmal Dynamit, sondern da genügen ein Paar schöne Augen,(144) oder ein verführerischer Mund,(145) oder sonst ein äußerliher Reiz, den der eine der beiden Ehegatten plötzlich an einer dritten Person entdeckt. Sie selbst hat natürlich die sogenannte felsenfeste Absicht, ihrem Harald weder in Worten noch in Gedanken jemals untreu zu werden, und auch ihm traut sie eine solche Schlechtigkeit nicht zu, aber sie muß doch immerhin mit der Möglichkeit rechnen, daß seine guten Vorsätze eines Tages in die Binsen gehen, und wenn sie da in ihren Verlobungskuß gar zu viel Vertrauen hineinlegt, müßte sie sich ja hinterher die Augen aus dem Kopfe weinen, wenn er sie doch betrügt — da müßte sie fortwährend weinen, nicht weil er sie betrog, sondern weil sie ihm vertraute.

Also muß sie etwas anderes in den Verlobungskuß hineinlegen, aber was? Selbstverständlich Liebe, aber es gibt dreierlei Liebe, die des Herzens, die der Sinne und die der Freundschaft. Mit der letzteren allein wäre ihm wohl nicht gedient, obgleich gerade die am längsten Bestand haben soll. Also wie soll sie sich nun von ihm küssen lassen? Und wie soll sie ihn wiederküssen? Das ist die Frage, auf die sie immer noch keine Antwort hat, und über die sie wohl noch lange nachgrübeln würde, wenn es nicht plötzlich geklopft und wenn nicht gleich darauf die Stimme des Mädchens gefragt hätte: „Die Frau Mama läßt sich erkundigen, ob das gnädige Fräulein denn heute gar nicht zum Frühstück kommen wolle, es wäre doch beinahe elf Uhr.”

Beinahe elf Uhr! Josina bekommt einen fürchterlichen Schrecken und mit diesem zugleich einen ganz unpoetischen gewaltigen Hunger. Schon beinahe elf, da hat sie fast zwei Stunden versinnt und verträumt, verdöst und versonnen, und an allem sind nur diese vier Träume schuld. Nun aber will sie rasch frühstücken; so springt sie denn flink aus dem Bett und ruft dem Mädchen zu: „Schön, Nelly, sagen Sie bitte der Mutter, ich hätte die Zeit verschlafen, ich wäre erst wach geworden, als Sie an die Tür klopften. Nun aber beeile ich mich, so schnell ich nur kann, spätestens in fünf, ich meine natürlich,(146) spätestens in fünfzig Minuten komme ich zum Kaffee.”

Gleich darauf beginnt Josina mit dem Ankleiden, das auch bei ihr wie bei jedem gebildeten(147) Europäer damit anfängt, daß sie die große morgendliche kalte Abreibung vornimmt, und wenn sie ihren Körper auch zur Genüge kennt, so bewundert sie den heute doch einmal wieder, nachdem sie sich vor den Spiegel gestellt hat. Und als sie den nun wieder sinnend betrachtet und sich darüber freut, wie schön der geformt ist, fällt ihr von neuem auf, welchen auffallend hübschen Busen sie hat. Da kommt ihr plötzlich ein Gedanke, den sie zuerst als etwas unanständig und unmoralisch wieder verwirft, den sie aber gleich darauf wieder aufnimmt, um nachher in Ruhe weiter über den nachdenken zu wollen, denn jetzt hat sie keine Zeit dazu. Die Mutter und das Frühstück warten auf sie(148) und sie selbst hat einen fürchterlichen Hunger. So beeilt sie sich denn mit dem Ankleiden(149) so rasch es nur geht(150) und tritt wirklich schon nach fünfzig Minuten in das Frühstückszimmer, in dem ihre Mutter ihr Kind bereits voller Ungeduld erwartet, um es nun zärtlich in die Arme zu schließen und um es gleich darauf zu fragen: „Nun, Josina, wie hast du geschlafen(151) und vor allen Dingen, was hast du geträumt? Hoffentlich etwas sehr Schönes, denn das, was man in der Nacht vor der Verlobung träumt, soll nach einem alten Wort auch in Erfüllung gehen. Also was träumtest du, hoffentlich etwas recht Schönes von deinem Harald?”

„Von wem sollte ich auch sonst wohl geträumt haben, Muttchen?” gibt Josina völlig unbefangen zur Antwort(152) und ein klein wenig unüberlegt setzt sie hinzu: „Ich habe doch vor ihm keinen anderen Herrn kennen gelernt, wenigstens alle anderen nur so flüchtig, daß ich an die nicht einmal bei Tage, geschweige denn bei Nacht denken.”

„Das ist doch selbstverständlich, mein liebes Kind,” pflichtet die Mutter ihr bei, dann unterbrchen beide das Gespräch, weil die Nelly das Frühstück aufträgt, und voller Liebe esieht die Mutter ihrem Kinde zu, als dieses nun(153) mit den gesunden schneeweißen Zähnen in das frische Brot hineinbeißt, um ihr nun zuzurufen: „Immer iß, meine Josina, immer iß und sei froh, daß du heute essen kannst. Wenn ich zurückdenke an den Tag, an dem vor vielen, vielen Jahren dein guter Vater um mich anhalten wollte, da war ich vor Glück und vor Freude so aufgeregt, daß ich keinen Bissen über die Lippen brachte, aber ich verspürte auch nicht den leisesten Hunger.”

Josina blickt ihre Mutter plötzlich ganz überrascht an, nicht, weil die damals nichts essen konnte, sondern weil ihr erst jetzt wieder einfällt, daß ihre Mutter doch auch einmal jung war und daß auch die sich eines Tages verlobte. Ob ihre Mutter in der Nacht vorher wohl auch solche Erinnerungs­träume hatte wie sie selbst(154) und ob auch die so unwissend war, wie sie sich bei dem Verlobu8ngskuß benehmen sollte? Das hätte sie zu gern gewußt, aber danach darf sie nicht fragen, wenigstens nicht direkt, sondern höchstens auf Umwegen(155) und deshalb meint sie nach einer ganzen Weile: „Weißt du wohl, Muttchen, wenn schon die Erziehung, die du mir hast zuteil werden lassen, dafür sorgte, daß ich in jeder Hinsicht ein reines unverdorbenes Kind geblieben bin, das niemals Heimlichkeiten vor dir hatte und das im Gegensatz zu vielen meiner Freundinnen in mancher Hinsicht noch völlig unerfahren ist, so weiß ich natürlich doch, daß es ein sehr sonderbares Gefühl sein muß, wenn man bei der Verlobung zum erstenmal von einem Manne geküßt wird, und deshalb, Muttchen, sage mir bitte, wie ist einem dabei eigentlich zumute, oder sage mir wenigstens, wie war dir damals, als der Vater dich zum erstenmal als junger Bräutigam küßte?”

„Wie mir da war?” wiederholt die Mutter mit ihrer weichen sympathischen Stimme, und mit ihren Gedanken in längst vergangenen Zeiten fährt sie leise fort: „Mir war so ernst und so feierlich zumute, als befände ich mich in der Kirche. Ich glaubte das Orgelspiel zu hören und dazu den hellen Gesang der Chorknaben. Und als dein lieber Vater mich zum ersten Juß an sich zog(156) und wie ich mit geschlossenen Augen in seinen Armen ruhte und auf den Augenblick wartete, da er mich küssen würde, sah ich ganz deutlich meinen lieben alten Geistlichen vor mir, den ehrwürdigen Herrn mit dem schneeweißen Haar, der mich getauft und konfirmiert hatte und der mich auch trauen sollte. Aber gerade an jenem Tage, als ich mich verlobte, war er schwer erkrankt(157) und bei seinem hohen Alter fürchteten wir alle für sein Leben. Und weil ich nicht wußte, ob er an meinem Honchzeitstage noch unter uns weilen würde, so hörte ich in jenem Augenblick, als dein Vater sich anschickte, mich zu küssen, ganz deutlich die Stimme des Geistlichen, der mir da zurief: „Der Herr segne dich, mein liebes Kind, der Herr sei mit dir.” Und als ich den Kuß deines Vaters erhielt, da neigte ich in Demut das Haupt, als hätte ich den Segen des Herrn empfangen.”

Die Mutter schweigt, ihren Gedanken, die längst vergangenen Zeiten angehören, nachhängend, Josina aber beißt mit ihren gesunden schneeweißen Zähnen in ihre dick mit Honig bestrichene Semmel hinein und denkt: die gute Mutter! Wie poetisch und biblisch geschichtlich die damals empfand. Na ja, damals waren die Menschen aber auch noch anders, wenn die heute noch ebenso denken wollten —

„Weißt du, Josina, was ich möchte?” erklingt da plötzlich wieder die Stimme der Mutter, „daß auch du heute abend, wenn dein Harald dich zum erstenmal küßt, so empfinden möchtest, wie ich es bei meiner Verlobung tat, aber nicht etwa, weil ich dich darum bitte, sondern aus dir selbst heraus. Nur wer den Kuß so empfängt, hat die Gewißheit dafür, daß seine Ehe später auch glücklich wird.”

Es ist nur gut, daß die Mutter auf diese Worte keine Antwort erwartet, sondern vor sich hin träumt, denn Josina weiß im Augenblick wirklich nicht, ob ihr heute abend so feierlich zumute sein wird. Für solche frommen Gedanken ist die jetzige Zeit doch wohl eigentlich zu materiell und zu weltlich, obgleich auch sie natürlich an ihren Gott glaubt und sich unter allen Umständen auch kirchlich trauen lassen wird, schon weil ihr sicher das Brautkleid mit dem langen Schleier ausgezeichnet steht und weil es doch eine Erinnerung für das ganze spätere Leben ist, wenn die Kirche so voller Neugieriger war, daß die sich um die Plätze prügelten.

Nein, die Mutter erwartet keine Antwort(158) und von selbst erwidert Josina nichts, die beschäftigt sich nun wieder mit dem Gedanken, der sie vorhin flüchtig durchfuhr, als sie ihren hübschen Busen im Spiegel betrachtete, und so macht sie sich denn, als sie mit dem Frühstück fertig ist, daran, ihr Kleid, das sie am Abend anziehen will, in Ordnung zu bringen und es vor allen Dingen daraufhin nachzusehen, ob an dem auch alles in Ordnung ist. Die Männer sind so komisch, eine auch nur etwas offenstehende Naht, ein lose sitzender Haken, ein schlecht angenähtes Band, eine schiefsitzende Schleife sind imstande, bei ihnen schon den Eindruck hervor zu rufen(159), als sei das junge Mädchen unordentlich und als hielte es nichts auf ihre Kleidung. Den stillen Vorwurf aber darf Josina schon um ihrer selbst willen heute nicht aufkommen lassen, denn wenn sie auch sonst ihrer Mutter nicht gleicht, sie ist ebenso tadellos sauber und ordentlich wie diese.

Josina geht in ihr Zimmer und harrt voller Ungeduld des Augenblickes, da es Abend werden möge. Der Tag schleicht ihr so langsam dahin wie kaum einer zuvor, sie weiß auch nicht, was sie eigentlich bedrückt, aber irgend etwas lastet auf ihr, als stände ihr heute noch etwas Besonderes bevor, etwas, das mit der Verlobung zusammenhängt und doch eigentlich nichts mit der zu tun hat, denn daß sie sich verloben wird, steht bei ihr fest.

Aber als es endlich Abend geworden ist(160) und als sie in dem festlich erleuchteten Speisesaal des Gastgebers an der Seite ihres geliebten Haralds inmitten einer großen Gesellschaft sitzt, da muß sie plötzlich mit Entsetzen feststellen, daß ihre Verlobung doch nicht so totensicher zu sein scheint, wie sie die zuhause(161) als selbstverständlich annahm. Schon als der Doktor auf sie zutritt, um ihr den Arm zu bieten, merkt sie ihm an, daß er anders ist als sonst. Er ist stiller, verschlossener und zuerst meint sie, auch ihn beschäftige lediglich der große ihnen beiden bevorstehende Augenblick des Verlobungskusses, vielleicht hat auch er darüber nachgedacht, wie er sie küssen und wie er sich verhalten soll, wenn sie ihn wiederküßt, aber nein, das ist es nicht, das merkt sie, als er nun zu sprechen beginnt. Da erzählt er ihr von der letzten schlaflosen Nacht. Er hat kein Auge zugemacht, sondern immer nur an sie gedacht, nur an sie, aber auch an ihren so früh verstorbenen Jugendfreund, von dem sie ihm soviel erzählte. Natürlich weiß er das Vertrauen, das sie dadurch in ihn setzte, auch heute noch zu würdigen, aber trotzdem sind ihm Bedenken gekommen, ob wohl ein anderer Mann jemals imstande sein werde, sie den Jugendgeliebten vergessen zu machen. Eine solche Jugendliebe sei doch eigentlich etwas sehr Heiliges(162) und er habe sich immer und immer wieder gefragt, ob er damals recht tat, als er ihr zuredete, nicht der Vergangenheit, sondern nur der Gegegnwart und nur der Zukunft zu leben.

In diesem Sinne spricht er immer weiter auf sie ein(163) und Josina hört aus alledem nur das eine deutlich heraus, er will sich im letzen Augenblick um die Verlobung drücken. Vielleicht, nein, sicher hat er eine Geliebte, die ihn gestern abend oder heute in der schlaflosen Nacht beschworen hat, ihr nicht den Laufpaß zu geben, sondern weiter zu ihr zu halten, und da hat er sich von deren falschen Krokodilstränen, die doch nur seinem Gelde galten, breitschlagen lassen, ihr das Versprechen zu geben, sie weiter als Geliebte zu behalten. Oder aber er hat sich vielleicht, nein(164) sicher, im letzten Augenblick, wenn auch nicht mit seinem Herzen, denn die Männer haben ja alle kein Herz und er, ihr Harald, auch nicht, denn sonst könnte er ihr nun nicht so wehe tun — also ihr Harald hat sich im letzten Augenblick, wenn auch nicht mit seinem Herzen, so doch mit seinen Sinnen in eine andere verleibt, vielleicht auf der Straße, vielleicht erst vorhin, als er den Empfangssalon betrat und dort die vielen hübschen jungen Mädchen sah. Irgend eine(165) mochte sich besonders aufgeputzt haben, um eine Eroberung zu machen, ganz einerlei welche, wenn es nur ein Mann war und wenn möglich einer, der auch noch Geld besaß. Welche von ihren Freundinnen konnte das nur gewesen sein? Die eine ebenso gut wie die andere, denn ähnlich sah so etwas ihnen allen. Deshalb hat das Raten auch gar keinen Zweck, es ist auch völlig einerlei, ob die Anna, Berta, Klara oder sonst wie heißt.

Ihr Harald will sich um die Verlobung drücken. Das hört Josina aus seinen Worten umso(166) deutlicher heraus, je länger er davon spricht, wie edel es von ihr sei, ihm so warm von dem Jugendgeliebten erzählt zu haben. Ihr Harald will sich drücken. Das findet sie von ihm so niederträchtig hundsgemein, daß es nach ihrer ehrlichsten Überzeugung dafür gar keine Worte gibt. Hat sie sich nur deshalb heute nacht von ihren früheren vier Courmachern wieder abküssen lassen, um eine solche furchtbare Enttäuschung, die einer tödlichen Beleidigung gleich kommt(167), zu erleben? Sollte sie ganz umsonst darüber anchgedacht haben, wie sie sich verhalten soll, wenn er sie küßt und wie sie ihn wiederküssen wird? Das sollte ihr gerade einfallen!

Ihr geliebter Harald will im letzten Augenblick kneifen, ihr Harald, von dem sie zu seiner Ehre annahm, er liebe sie noch viel mehr, als sie ihn, aber diese Kneiferei wird ihm nicht gelingen, dafür ist sie glücklicherweise auch noch da, und ganz unbewußt, als hätte sie etwas Ähnliches kommen sehen, hat sie ja dagegen ihre Maßregeln getroffen. Er wird sich schon mit ihr verloben, ganz einerlei, ob er das in diesem Augenblick will oder nicht, sie ist ihres Sieges gewiß, deshalb nimmt sie das auch weiter gar nicht tragisch, was er sich da alles zusammenkohlt, höchstens daß sie sich im ersten Augenblick ein ganz klein wenig darüber ärgerte. Jetzt belustigen seine Worte sie nur(168) und gerade weil sie absolut nichts zu befürchten hat, denkt sie unwillkürlich daran, ob ihr verstorbener Vater ihrer guten Mutter am Verlobungstage auch auskneifen wollte, ob auch die Mutter den Auserwählten ihres Herzens mit List und Tücke zurückhalten mußte, damit er sich wieder auf seine moralische Pflicht besänne und vor allen Dingen darauf, wie lieb er seine Braut habe, so lieb, daß er ohne die gar nicht leben konnte. Nein, ihr Vater ist sicherlich kein solcher Rückzugsheld gewesen, dazu war dessen Verlobung mit ihrer Mutter zu fromm, zu rührend, zu biblisch geschichtlich, und das stimmt sie nun plötzlich in der Erinnerung weich. Auch sie will nachher, wenn ihr Harald sie küßt, und vor allen Dingen(169) wenn sie ihn küßt, an irgend etwas(170) ganz Frommes denken, wenn auch nicht gerade an den Segen des Herrn. An den dürfte sie nur denken, wenn sie kirchenfromm wäre wie die Mutter. Aber sie hat mit einemmal einen anderen genialen Gedanken, sie hat einen neuen Kuß und einen neuen Gegenkuß erfunden, dem sie nun im stillen den Namen gibt: Glaube=Liebe=Hoffnungs=Kuß. Sie will sich von ihm küssen lassen, als wenn sie an seine Liebe glaube, als wenn sie hoffe, daß seine Liebe zu ihr ewig dauern wird, und sie will ihn wiederküssen, als wenn sie an ihre Liebe zu ihm glaube. Nein, das doch nicht, nur als wenn sie glaube, daß er sie liebe, und auch sie will hoffen, daß ihre Liebe zu ihm ewig dauert, nein, das nicht, sondern daß seine Liebe zu ihr tatsächlich ewig dauert. Wenn sie solche Bibelgedanken in ihrem Herzen trägt, dann wird sie bei dem Kuß und dem Gegenkuß schon die richtige Mundstellung finden, die Lippen nicht zu fest schließen, aber sie um Gottes willen auch nicht zu weit öffnen, als dürste sie nach seinen Küssen, oder als habe sie sogar schon einmal etwas davon gehört, was ein Zungenkuß sei. Das könnte ihn womöglich auf den Gedanken bringen, sie habe sich schon einmal so küssen lassen, und daß sie es tat, braucht er ebenso wenig zu wissen, wie damals ihr Egon, der sich allen Ernstes einbildete, er sei der Erste, der sie so küßte. Als ob ihr kleiner Leutnant Carl Otto und sie den Kuß in der verschwiegenen Laube nicht immer wieder geübt hätten. Er war so glücklich, ihr(171) den lehren zu können, und sie brachte es nicht über das Herz, ihn zu betrüben und ihm zu sagen: Was du mich da lehren willst, habe ich schon längst bei meinem Vetter Willi gelernt.

Aber trotzdem oder gerade deshalb, der Glaube=Liebe=Hoffnungs=Kuß wird der einzig richtige sein. Wenn es nur erst soeit wäre, oder wenn er wenigstens erst damit aufhören möchte, ihr da weiter etwas vorzukohlen. Helfen tut ihm das doch nichts, das wird er selbst einsehen, wenn er sie nur endlich einmal ansehen möchte, denn das hat er bisher ängstlich vermieden. Er spricht eigentlich mehr zu seinem Teller als zu ihr, er hält den Blick gesenkt(172) und das findet Josina auch ganz selbstverständlich, das fühlt sie ihm vollständig nach, denn er muß sich doch vor ihr schämen, daß er ihr so etwas zu sagen wagt. Aber er wird sich schon eines anderen besinnen, wenn er es endlich wagt, seine Augen zu ihr zu erheben, und als er das nun tut, weil sie immer noch schweigt, da sieht er sie nicht nur an, da starrt er sie an, so als sähen seine Augen sie heute zu erstenmal, wenn auch nicht gerade sie selbst, so doch etwas an ihr, das ihm bisher nie sonderlich an ihr auffiel, das er aber nun, da er es sieht, mit so durstigen Blicken in sich hineintrinkt, als könne er von diesem Augenlabetrank nicht genug bekommen. Das alles hat Josina vorauskommen sehen, deshalb nimmt sie das auch jetzt als etwas ganz Selbstver­ständliches hin, sie tut, als bemerke sie die Veränderung gar nicht, die mit ihrem geliebten Harald vor sich geht(173), und doch ist diese Veränderung sehr, sehr groß. Er blickt nicht mehr auf den Teller, er blickt nur noch auf sie, und als er endlich wieder zu sprechen anfängt, sagt er ihr gerade das Gegenteil von dem, was er ihr bisher erzählte: daß er in der letzten schlaflosen Nacht darüber nachgedacht habe, daß es zwar für einen Mann eine sehr ernste und sehr schwierige, aber gerade deshalb doppelt ehrenvolle Aufgabe sein müsse, sie dahin zu bringen, daß sie den geliebten Jugendfreund zwar nicht ganz vergäße, daß sie die Erinnerung an den aber doch wie einen wertvollen Schatz in irgend einem(174) Schrein verschlösse, dessen Türen sie immer seltener und seltener öffne, bis sie eines Tages selber nicht mehr wisse, welches Kleinod denn eigentlich hinter dieser Tür verboregn wäre. Schön, ehrenvoll und verlockend sei die Aufgabe, die ihres späteren Mannes harre, zumal sie selbst so schön, so verlockend sei, daß(175) von allen ihren anderen Vorzügen abgesehen, schon ihr Äußeres jeden Mann, der es wirklich gut mit ihr meine, reizen müsse, derjenige zu sein, der sie aus dem Lande der Träume und der Erinnerungen wieder in die Gegenwart zurückführe.

So spricht er noch eine ganze Weile auf sie ein(176) und als er mit dem, was er auf dem Herzen hat, fertig ist, fängt er von neuem damit an. Er sagt ihr dasselbe, wenn auch mit etwas anderen Worten(177) und die werden umso(178) heißer und leidenschaftlicher, je öfter seine Blicke auf ihr ruhen und je öfter er ein Glas Sekt leert, um sein in Wallung geratenes Blut zu besänftigen.

Aber das besänftigt ihn nicht, das merkt Josina ihm deutlich an, denn ein paarmal hat er schon den Versuch gemacht, mit ihr zu fußeln, aber darauf geht sie nicht ein, sie tut sogar, als habe sie das gar nicht bemerkt. Mit einem verklärten, glücklichen, reinen, unschuldigen Lächeln auf den Lippen sitzt sie an seiner Seite(179) und wie sollte dieses Lächeln auch wohl anders sein, denn sie denkt doch an den bevorstehenden Glaube=Liebe=Hoffnungs=Kuß(180) und bevor man den nicht erwischt und den nicht erwidert hat, darf man doch nicht an das Fußeln denken. Was bliebe denn sonst für die Brautzeit und für die allerersten Tage der jungen Ehe übrig? Nur für die allerersten Tage der jungen Ehe, denn wenn ein junges Paar erst acht oder schon acht Tage verheiratet ist, machen alle solche Heimlichkeiten keinen Spaß mehr, dann haben die jeglichen Reiz verloren, dann begreifen beide Teile nicht mehr, wie sie an solchen Kindereien haben Gefallen finden können, und wenn der eine der Ehegatten das harmlose Spiel dennoch zu wiederholen versucht, ruft der andere Teil ihm zu: „Ach, laß doch den Blödsinn, das haben wir nun doch nicht mehr nötig.” Das alles weiß Josina natürlich noch nicht aus eigener Erfahrung, aber sie hat Freundinnen, die es aus Erfahrung wissen und die ihr mit Tränen in den Augen erzählten, es sei zum Sterben traurig, daß die Liebe in der Ehe so schnell jeden Reiz und jede Poesie verlöre und daß von der ganzen schönen, keuschen und reinen Liebe nur das eine übrig bliebe, nur das eine und daß die Frau sich dem selbst dann fügen müsse, wenn sie dazu gar nicht in der Stimmung sei. Aber die Männer wären ja nun einmal solche brutale Egoisten und in der Hinsicht ganz besonders.

Josina weiß es sehr genau, auch ihr werden viele, viele Enttäuschungen nicht erspart bleiben, aber heiraten will sie natürlich trotzdem(181) und damit sie heiraten kann, muß sie sich erst verloben. Und als man nun endlich von Tisch aufsteht, geht es mit dem Verloben sogar nioch schneller, als sie auf Grund der für diesen feierlichen Augenblick getroffenen Vorbereitungen erwartet hat. Anstatt in die Nebenräume, in denen der Kaffee, die Zigarren und die Zigaretten herumgereicht werden, führt ihr Harald sie gleich in den großen Wintergarten. Dort(182) wo niemand sie hört, wo sie unter dem Schutz der dichten, hohen Palmen vor jedem neugeirigen Blick gesichert sind, gesteht er ihr seine Liebe. Als ehrlicher Mensch gesteht er ihr nochmals, daß ihm in der letzten Nacht ganz ernste Bedenken gekommen seien, ob gerade er imstande sein werde, in ihr die Erinnerung an den Jugendfreund auszulöschen, aber je länger er sie und ihre Schönheit bei Tisch angesehen habe, desto mehr sei er zu der Erkenntnis gekommen, daß nur er, aber auch nur er derjenige sei, dem diese schwere Aufgabe gelingen könne, denn sie sei so sinnberückend schön(183) und er habe sie doch über alles lieb.

Ganz logisch ist das ja nun ganz gewiß nicht, was er sich da alles zusammenredet, während er nach wie vor keinen Blick von ihr abwendet. Das weiß Josina natürlich sehr genau, und wenn ihr angesichts des bevorstehenden Verlobungskusses nicht zum mindesten so feierlich zumute sein müsse,(184) wie an dem Tage ihrer Einsegnung, da sie in der Kirche vor dem Altar stand, hätte sie am liebsten hell aufgelacht, denn daß gerade er nur deshalb der richtige Mann für sie und für ihren angeblichen Seelenschmerz zu sein behauptet, weil sie heute noch schöner und verführerischer ist als sonst, das ist eine mehr als kühne Behauptung. Aber sie hat nicht allzu viel Zeit, darüber nachzudenken, denn nun fragt er sie auch schon, ob sie ihn wiederliebe, ob er wenigstens hoffen könne, daß sie ihn mit der Zeit so lieb gewinnen werde, wie er sie schon heute liebe, und als sie ihm leise zunickt, weil sie das viel poetischer findet, als ihm mit Worten zu antworten, und weil sie doch auch von dem Ernst des Augenblickes viel zu ergriffen sein muß, um überhaupt sprechen zu können, da schließt er sie in seine Arme(185) und wie sich das für eine junge unerfahrene Braut auch gehört, schmiegt sie ihren Kopf an seine Schultern, während sie zugleich den Kopf zurückbeugt, damit sie den Blick zu ihm emporhebt und damit er in diesem Blick lesen kann, wie unaussprechlich sie ihn schon heute liebe. Aber in zweiter, oder vielleicht auch in erster Linie, wer kann das in einem solchen feierlichen Augenblick genau wissen, beugt sie den Kopf auch deshalb zurück, damit er sie küssen kann.

Das tut er denn auch(186) und während sie mit geschlossenen Augen, wie sich das für eine junge(187) reine, unverdorbene Braut auch so gehört, den Glaube=Liebe=Hoffungs=Kuß, wie sei den nennt, von ihm empfängt, vor allem aber, als sie ihm diesen Glaube=Liebe=Hoffungs=Kuß zurückgibt, da denkt sie im stillen: wie gut, wie gut, daß ich heute morgen, als ich vor dem Spiegel meine schöne Brust betarchtete, auf den klugen Gedanken kam, für dem heutigen Abend den Ausschnitt meines Kleides so zu vertiefen, daß besonders neugierige Blicke, wenn sie es wollten und wenn ich durch eine zufällige Bewegung der Schultern, das Kleid etwas fallen ließ, sogar die zarten Knöspchen meiner Brust,(188) wenn auch nicht gerade sehen, so doch ahnen konnte. Wie gut, wie gut, daß ich das tat, denn wer kann wissen, ob mein geliebter Harald im letzten Augenblick sonst nicht wirklich gekniffen hätte.

Und sich zärtlich an ihn schmiegend, küßt sie ihn noch einmal voller Glaube, Liebe und Hoffnung.


Fußnoten:

(1) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(2) In der Fassung (B) heißt es: „laß”. (Zurück)

(3) In der Fassung (B) heißt es: „sie”. (Zurück)

(4) In der Fassung (B)) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(5) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(6) In der Fassung (B) heißt es: „statt dessen”. (Zurück)

(7) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(8) In der Fassung (B) heißt es: „sie”. (Zurück)

(9) In der Fassung (B) heißt es hier: „davon”. (Zurück)

(10) In der Fassung (B) heißt es: „sie”. (Zurück)

(11) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(12) In der Fassung (B) heißt es hier: „zu Hause”. (Zurück)

(13) In der Fassung (B) heißt es hier: „Fahr hin”. (Zurück)

(14) In der Fassung (B) heißt es hier: „Fahr hin”. (Zurück)

(15) In der Fassung (B) heißt es hier: „sodaß”. (Zurück)

(16) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(17) In der Fassung (B) fehlt das Komma. (Zurück)

(18) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(19) In der Fassung (B) heißt es hier: „kennenzulernen”. (Zurück)

(20) In der Fassung (B) heißt es hier: „Knie”. (Zurück)

(21) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(22) In der Fassung (B) heißt es hier: „zusammenfügten”. (Zurück)

(23) In der Fassung (B) heißt es hier: „Knie”. (Zurück)

(24) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(25) In der Fassung (B) heißt es hier: „um darin”. (Zurück)

(26) In der Fassung (B) heißt es hier: „um darin”. (Zurück)

(27) In der Fassung (B) heißt es hier: „in der Laube”. (Zurück)

(28) In der Fassung (B) fehlt das Komma. (Zurück)

(29) In der Fassung (B) fehlt das Komma. (Zurück)

(30) In der Fassung (B) heißt es hier: „daß man ihr”. (Zurück)

(31) In der Fassung (B) fehlt hier das Wort „auch”. (Zurück)

(32) In der Fassung (B) fehlt das Komma. (Zurück)

(33) In der Fassung (B) heißt es hier: „an sie”. (Zurück)

(34) In der Fassung (B) heißt es hier: „sie”. (Zurück)

(35) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(36) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(37) In der Fassung (B) heißt es hier: „sie”. (Zurück)

(38) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(39) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(40) In der Fassung (B) heißt es hier: „sodaß”. (Zurück)

(41) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(42) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(43) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(44) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(45) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(46) In der Fassung (B) fehlt das Komma. (Zurück)

(47) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(48) In der Fassung (B) heißt es hier: „sie”. (Zurück)

(49) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(50) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(51) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(52) In der Fassung (B) heißt es hier: „ihn”. (Zurück)

(53) In der Fassung (B) heißt es hier: „übrigbleibe”. (Zurück)

(54) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(55) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(56) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(57) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(58) In der Fassung (B) heißt es hier: „zu Hause”. (Zurück)

(59) In der Fassung (B) heißt es hier: „seien”. (Zurück)

(60) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(61) In der Fassung (B) heißt es hier: „Sie”. (Zurück)

(62) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(63) In der Fassung (B) heißt es hier: „obgleich”. (Zurück)

(64) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(65) In der Fassung (B) heißt es hier: „fernzuhalten”. (Zurück)

(66) In der Fassung (B) heißt es hier: „still halten”. (Zurück)

(67) In der Fassung (B) heißt es hier: „tue”. (Zurück)

(68) In der Fassung (B) fehlt das Komma. (Zurück)

(69) In der Fassung (B) fehlt das Komma. (Zurück)

(70) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(71) In der Fassung (B) heißt es hier: „sie”. (Zurück)

(72) In der Fassung (B) heißt es hier: „nach Hause”. (Zurück)

(73) In der Fassung (B) heißt es hier: „habe”. (Zurück)

(74) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(75) In der Fassung (B) heißt es hier: „sie”. (Zurück)

(76) In der Fassung (B) fehlt das Komma. (Zurück)

(77) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(78) In der Fassung (B) heißt es hier: „sie”. (Zurück)

(79) In der Fassung (B) fehlt das Komma. (Zurück)

(80) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(81) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(82) In der Fassung (B) heißt es hier: „daß”. (Zurück)

(83) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(84) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(85) In der Fassung (B) heißt es hier: „sie”. (Zurück)

(86) In der Fassung (B) heißt es hier: „nach Hause”. (Zurück)

(87) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(88) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(89) In der Fassung (B) heißt es hier: „hineinzufallen”. (Zurück)

(90) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(91) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(92) In der Fassung (B) heißt es hier: „dieses Mal”. (Zurück)

(93) In der Fassung (B) heißt es hier: „sie”. (Zurück)

(94) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(95) In der Fassung (B) fehlt das Komma. (Zurück)

(96) In der Fassung (B) fehlt das Komma. (Zurück)

(97) In der Fassung (B) heißt es hier: „doch war das nicht so leicht”. (Zurück)

(98) In der Fassung (B) heißt es hier: „allzusehr”. (Zurück)

(99) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(100) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(101) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(102) In der Fassung (B) heißt es hier: „dasaßen”. (Zurück)

(103) In der Fassung (B) heißt es hier: „trotzalledem”. (Zurück)

(104) In der Fassung (B) fehlt das Komma. (Zurück)

(105) In der Fassung (B) heißt es hier: „kennenzulernen”. (Zurück)

(106) In der Fassung (B) heißt es hier: „dringe”. (Zurück)

(107) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(108) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(109) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(110) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(111) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(112) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(113) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(114) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(115) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(116) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(117) In der Fassung (B) heißt es hier: „obgleich”. (Zurück)

(118) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(119) In der Fassung (B) heißt es hier: „vorliege”. (Zurück)

(120) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(121) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(122) In der Fassung (B) heißt es hier: „Obwohl”. (Zurück)

(123) In der Fassung (B) heißt es hier: „Neumann”. (Zurück)

(124) In der Fassung (B) fehlt das Komma. (Zurück)

(125) In der Fassung (B) heißt es hier: „Nutzen Sie das aus”. (Zurück)

(126) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(127) In der Fassung (B) heißt es hier: „wie sie es so tat”. (Zurück)

(128) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(129) In der Fassung (B) heißt es hier: „hinträumt”. (Zurück)

(130) In der Fassung (B) fehlt das Komma. (Zurück)

(131) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(132) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(133) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(134) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(135) In der Fassung (B) heißt es hier: „hineinging”. (Zurück)

(136) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(137) In der Fassung (B) heißt es hier: „Blatt sei”. (Zurück)

(138) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(139) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(140) In der Fassung (B) heißt es hier: „liebhaben”. (Zurück)

(141) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(142) In der Fassung (B) fehlt das Komma. (Zurück)

(143) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(144) In der Fassung (B) fehlt das Komma. (Zurück)

(145) In der Fassung (B) fehlt das Komma. (Zurück)

(146) In der Fassung (B) fehlt das Komma. (Zurück)

(147) In der Fassung (B) heißt es hier: „eingebildeten”. (Zurück)

(148) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(149) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(150) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(151) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(152) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(153) In der Fassung (B) heißt es hier: „jetzt”. (Zurück)

(154) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(155) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(156) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(157) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(158) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(159) In der Fassung (B) heißt es hier: „hervorzurufen”. (Zurück)

(160) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(161) In der Fassung (B) heißt es hier: „zu Hause”. (Zurück)

(162) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(163) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(164) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(165) In der Fassung (B) heißt es hier: „Irgendeine”. (Zurück)

(166) In der Fassung (B) heißt es hier: „um so”. (Zurück)

(167) In der Fassung (B) heißt es hier: „gleichkommt”. (Zurück)

(168) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(169) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(170) In der Fassung (B) heißt es hier: „irgendetwas”. (Zurück)

(171) In der Fassung (B) heißt es hier: „sie den lehren zu können”. (Zurück)

(172) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(173) In der Fassung (B) heißt es hier: „vorsichgeht”. (Zurück)

(174) In der Fassung (B) heißt es hier: „irgendeinem”. (Zurück)

(175) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(176) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(177) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(178) In der Fassung (B) heißt es hier: „um so”. (Zurück)

(179) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(180) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(181) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(182) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(183) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(184) In der Fassung (B) fehlt das Komma. (Zurück)

(185) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(186) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(187) In der Fassung (B) folgt hier ein Komma. (Zurück)

(188) In der Fassung (B) fehlt das Komma. (Zurück)


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© Karlheinz Everts