„Dazu die Herren Officiere!”

Militärische Humoreske von Freiherrn von Schlicht.
in: „Stralsundische Zeitung”, Sonntagsbeilage vom 6.2.1898,
in: „Prager Tagblatt” vom 22.2.1898,
in: „Süd Dakota Nachrichten” vom 7.4.1898,
in: „Indiana Tribüne” vom 17.4.1898 und
in: „Excellenz kommt”


Am Morgen ist Felddienstübung. Um fünf Uhr marschirte der markirte Feind ab: drei rothe Flaggen. Ein älterer Sergeant hatte über diese bewaffnete Macht den Oberbefehl. Er rückte mit den drei Männekens nach dem Theil des deutschen Vaterlandes, den sein Hauptmann ihm auf der Karte(1) bezeichnet hatte, steckte die drei Flaggen in die Erde, ließ die Leute mit dem geladenen(2) Gewehr sich daneben legen, legte sich dann selbst auf den Bauch und wartete der Dinge und der Feinde, die da kommen sollten.

Und sie kamen.

Geführt von einem blutjungen Officier nahte die Spitze. Der Lieutenant selbst geht auf der Straße,(3) rechts und links des Weges gehen die Seitenpatrouillen.

Der Lieutenant befindet sich in gewaltiger Aufregung: jeden Augenblick bleibt er stehen, hält das Fernglas vor die Augen und betrachtet forschend das Gelände.

Da fällt ein Schuß.

„Hinlegen!” ruft der Officier und Alles wirft sich, wo es gerade stand, zu Boden — der Herr Lieutenant an der Spitze. Der Helm fällt ihm vom Kopf und die rothen Aermelaufschläge, für deren Erneuerung er hinterher vier Mark bei seinem Schneider bezahlen muß, werden über und über mit Schmutz bespritzt. Er achtet dessen nicht, er denkt nur eins: ich weiß nicht, wo der Feind steht, und gleich kommt der Herr Hauptmann.

Er ist ein so junger Officier, daß er selbst in Gedanken seinem Vorgesetzten die Anrede „Herr” gibt.

Der ist bereits vor ihm.

Auf schnaubendem Rosse erscheint der Häuptling:

„Herr Lieutenant, Herr Lieutenant, warum bekomme ich keine Meldung?”

Wenn der Vorgesetzte mit einem Untergebenen spricht, hat der Letztere still zu stehem; so springt der junge Officier auf die Beine, setzt sich den Helm wieder auf den Kopf und nimmt die Hacken zusammen.

Der Hauptmann fällt vom Pferd — nein, doch nicht, aber es sah fast so aus.

„Herr Lieutenant, Sie befinden sich im feindlichen Feuer! Wie können Sie da wohl aufstehen? Bitte, legen Sie sich sofort wieder hin.”

Und alle Viere von sich streckend, liegt der Herr Leutenant einen Augenblick später wieder auf dem Bauch.

„So, und nun melden Sie, Herr Lieutenent.”

„Meldung von der Spitze — es ist geschossen worden.”

Wie ist es möglich, daß ein Mann
So viel Weisheit sprechen kann.

„Das habe ich gehört, Herr Lieutenant, aber von wo sind Sie beschossen worden?”

„Vom Feind,Herr Hauptmann.”

Da der Hauptmann seinen Lieutenant nicht schlagen kann, gibt er seinem Pferd einen Schlag mit der Gerte: glücklich ist der Mensch zu preisen, der ein Wesen hat, an dem er seine schlechte Laune auslassen kann.

„Gewiß, Herr Lieutenant — daß der Feind Sie beschossen hat, ist auch meine Ueberzeugung. Aber wo steht der Gegner? Welche Entfernung? Welches Visir? Welcher Haltepunkt? Welche Feuerart?”

Mein Gott, so viel Fragen gibt es ja gar nicht auf der Welt, denkt der Lieutenant; wenn ich das Alles wüßte, wäre ich ja klug genug, um Hauptmann zu sein, vorläufig aber sind wir noch nicht so weit.

Wieder nimmt er das Fernglas zur Hand und äugt damit in das Gelände.

Er sieht nichts, er sieht absolut nichts.

„Sehen Sie denn immer noch nichts, Herr Lieutenant?”

„Nein, Herr Hauptmann.”

„Unbegreiflich, ganz unbegreiflich.”

Der Hauptmann, der so kurzsichtig ist, daß er auf zehn Meter einen Federhalter nicht von einem Kriegsschiff unterscheiden kann, sieht natürlich erst recht nichts — aber er weiß, wodie Flaggen stehen und da ist es keine Kunst, selbst dann etwas zu sehen, wenn man nichts sieht. —

Da fällt der zweite Schuß.

Ein tüchtiger Gefreiter, der Corporal zu werden verdiente, hat eben Pulverdampf gesehen und schreit jetzt mit der ganzen Kraft seiner Lunge: „Herr Lieutenant, gerade aus eine rothe Flagge, Entfernung sechshundert Meter.”

Der Herr Lieutenant nimmt sich vor, den Gefreiten nachher auf dem Heimwege durch eine Wald-, Feld-, Flur- und Wiesen-Cigarre (das ganze Tausend kost' ja nur 'nen Thaler(4)) zu belohnen und schickt sich eben an, den bösen Feind mit Platzpatronen zu beschießen.

Er öffnet den Mund, holt einmal tief Athem und commandirt dann: „Gerade aus — feindliche Schützen — Visir 600 — Schützenfeuer!”

Aber der Häuptling ist mit diesem Commando ganz und gar nicht einverstanden, die Angabe, wo der Feind steht, muß viel, viel genauer sein: „Was heißt gerade aus? Das ist gar nichts, geben Sie ganz genau den Punkt an, Herr Lieutenant, ganz genau.”

Der junge Officier hebt sein behelmtes Haupt, um einen Punkt im Gelände ausfindig zu machen, der sich in der Nähe der rothen Flagge besonders abhebt, aber er bekommt sofort eins auf den châpeau-Hut(5), nicht vom Gegner, sondern von seinem Vorgesetzten.

„Herr Lieutenant, Herr Lieutenant, nehmen Sie Ihren Kopf weg.” Das ist nun allerdings leichter gethan, als wenn der Hauptmann zu ihm gesagt hätte, er solle den Kopf abnehmen, aber mit einiger Schwierigkeit ist es immerhin verbunden, denn wenn er den Kopf fortnimmt, sieht er nichts und sieht er nichts, so soll er etwas sehen.

Ja, wer kann zuweilen die Aufgaben lösen, die von den Vorgesetzten gestellt werden! —

Unterdeß hielt der Herr Premier mit dem Rest der Compagnie in einer Entfernung von etwa hundertfünfzig Meter. Als der erste Schuß fiel, sind die hundert Bleisoldaten in Deckung gegangen, in dem Chausseegraben verschwunden(6), dort knieen sie nun, um vom Feinde nicht gesehen zu werden.

Aber sie knieen nicht nur, nein, sie warten auch, bis der Augenblick für sie gekommen ist, um in's Gefecht einzugreifen.

Da können sie aber noch lange warten.

Der Herr Premier lehnt mit verschränkten Armen an einem Baume und meditirt. Er denkt: „Was soll ich hier?” Ganz klar ist ihm die Sache nicht; nach seiner Meinung hätte er ebenso gut zu Hause bleiben können, nein, sogar viel besser.

Er ist anderthalb Stunden marschirt, um an diesen Fleck Erde zu gelangen, eine halbe Stunde wartet er nun schon und wird wenigstens noch eine halbe Stunde warten. Und was dann, wenn er genug gewartet hat? Eben(7) commandirt er: „Schwärmen” und eröffnet dann das Feuer. Die Leute legen sich dann auf den Bauch, verfeuern ihre Patronen und marschiren dann wieder nach Hause. Nach ferneren neunzig Minuten hat man dann den Casernenhof wieder erreicht, man macht vor dem Hauptmann noch einen sehr schönen Parademarsch mit durchgedrückten Knieen(8) und wird dann mit einem „Ich danke sehr, meine Herren” entlassen.

Und das ist der Tragödie letzter , aber nicht schlechtester Theil.

Könnte das Stück nicht eigentlich damit anfangen: könnte der Hauptmann nicht des Morgens, wenn seine Officiere kommen, wenigstens nicht zu den älteren, sage: „Ich dabke Ihnen sehr, keine Herren, ich bedarf heute Ihrer Unterstützung nicht?” Könnte er nicht schon am Tage vorher bei der Befehlsausgabe zu seinem Feldwebel sagen: bei der morgigen Felddienstübung braucht nur der jüngste der Herren Officiere anzutreten?(9)

Könnte er das nicht? Gewiß, aber dann würde er ja gegen ein Wort verstoßen, das, obgleich es nicht in Büchern(10) steht „geflügelt” ist, — das schöne Wort: „Dazu die Herren Officiere.”

Diese vier Worte enthalten die ganze Lebens- und Leidensgeschichte eines Officiers.

Wer es nicht glaubt, läßt es bleiben, der Herr Premier aber ist meiner Ansicht. In seinem Antlitz steht geschrieben: „Warum bin ich hier?” Antwort: „Weil im Parolebuch zu lesen war: „Dazu die Herren Officiere.”

Das ist so schön bequem für die Herren Hauptleute, da brauchen sie gar nicht erst nachzudenken, wer von den Compagnieofficieren den Dienst abhalten soll — nachdenken ist nicht Jedermanns Sache — ach was, Feldwebel, schreiben Sie: Dazu die Herren Officiere.

Und für den Herrn Hauptmann ist es sehr angenehm, wenn er bei einer Felddienstübung seine Officiere bei sich hat; dem Second gegenüber kann er während der Uebung mit seinen Kenntnissen renommiren, mit dem Herrn Premier kann er sich auf dem Hin- und Rückweg auf das Angenehmste unterhalten. (11)

An weiterem Nachdenken und Grübeln verhindert ihn der Häuptling, der mit den Leuten der Spitze und dem jungen Second, der einem scalpirten Indianer nicht unähnlich sieht, zurückkommt.(12)

„Nun wollenn wir aber des Dienstes genug sein lassen. Was gibt es Neues?”

Der Herr Premier lacht laut auf — seine Vermuthungen erfüllen sich auf das Glänzendste.(13)

Den wahren Grund seiner Heiterkeit kann der Lieutenant natürlich nicht angeben, so erzählt er denn eine „ganz neue” Geschichte, die er gestern Abend zum ersten Male im Casino gehört haben will, die in Wirklichkeit aber so alt ist, daß schon Ramses der Große über dieselbe nicht mehr zu lachen im Stande war.

„Wenn Sie nichts Besseres wissen,” unterbricht ihn der Hauptmann, „so ist das gerade nicht viel.”

Der Herr Premier erzählt eine Geschichte, die noch älter ist. Schaudernd gibt der Hauptmann seinem Roß die Sporen und eilt von dannen.

Schmunzelnd sieht der Herr Premier ihm nach: „So, das hat hoffentlich geholfen — nun wird er mich wohl das nächste Mal zu Hause lassen.”

Bei diesem Gedanken wird er so glücklich, daß er in der Hoffnung, es wäre das letzte Mal für lange Zeit, bei dem Parademarsch auf dem Casernenhof die Beine wie verrückt „schmeißt”.

Das aber ist sein Unglück: denn der Hauptmann, der wirklich daran gedacht hat, seinen Lieutenant in Zukunft etwas zu schonen, ändert bei dem Wirbel, den die Premier-Lieutenants-Beine in der Luft ausführen, wieder seine Ansicht und sagt sich: Wer noch so jung und geschneidig ist, bedarf keiner Erholung. —(14)

Gegen die Worte „dazu die Herren Offiziere” gibt es kein Mittel.

Ich kannte einen Hauptmann, der litt an einer entsetzlichen Krankheit — an der Beschäftigungs-Theorie.(15)

Er war allen Ernstes der Ueberzeugung, daß er verpflichtet sei, seine Lieutenants den ganzen Tag zu beschäftigen.(16)

Die Leute in der Caserne sind ja immer beschäftigt, irgend etwas haben sie immer zu thun: des Morgens werden zuerst die Betten gemacht, dann die Stuben gereinigt und darauf beginnt das Exerciren. Ist dies fertig, werden Gewehre geputzt, Appells abgehalten, Mittags gegessen, die Eßnäpfe gewaschen, die Stuben wieder in Ordnung gebracht, zu Dienst wieder angetreten und nach dem Dienst wird dann wieder geputzt, Flickstunde abgehalten, kurz, die Leute haben immer etwas zu thun, damit sie auf keine dummen Gedanken kommen, das heißt, was man beim Miltär dumme Gedanken nennt.

Zu dem sogenannten kleinen Dienst, als da ist: Stuben reinigen, Gewehre putzen, essen und Sachen in Stand setzen werden immer nur Unterofficiere zur Aufsicht commandirt — der Hauptmann, von dem ich erzähle, schickte auch zu diesem Dienst stets seine Officiere, nicht abwechselnd bald den Einen bald den Anderen, sondern jeden Tag Alle.(17)

Schön ist so Etwas gerade nicht, aber wenn der Herr Hauptmann bei jedem Dienst, den er für die Leute ansetzt, hinzufügt: „dazu die Herren Officiere,” so ist da Nichts zu wollen.(18)

Da geschah es, daß an einem schönen ersten October, dem üblichen Termin der Officiersversetzungen, zu der gefürchtetsten aller Compagnien ein ganz junger Officier kam, der sowohl wegen seiner Jugend als auch wegen seines ganzen Wesens den Beinamen „das Kind” erhalten hatte.(19)

Dem Kind sollte es vorbehalten bleiben, Wunder zu wirken.

Es war nach einer Felddienstübung, der Hauptmann ritt hinter der Compagnie, an der Tête marschirten die Officiere, ebenso der Feldwebel.

Man unterhielt sich über Dies und Das, bis das Kind plötzlich ganz den Ton und die Stimme seines Hauptmanns nachahmend, sagte: „Ach, Feldwebel, schreiben sie doch einmal den Dienst für morgen auf. Heute Nacht von 3 bis 5 Uhr Schnarchen der Rekruten und alten Mannschaften: dazu die Herren Officiere.

Um 5 Uhr aufstehen, waschen mit besonderer Berücksichtigung der linekn Füße: dazu die Herren Officiere.

Um 5 Uhr 30 Min. Kaffeetrinken: dazu die Herren Officiere.(20)

Um 5 Uhr 45 Min. Reinigen der Eßnäpfe, aus denen der Soldat in Ermanglung von Tassen bekanntlich Kaffee trinkt: dazu die Herren Officiere.

Um 5 Uhr 50 Min. Abtrocknen der Eßnäpfe: dazu die Herren Officiere.”

So ging das weiter; sehr geistreich und sehr witzig waren diese Bemerkungen ja nun gerade nicht, aber(21) die sogenannten Witze des Kindes waren mit schallender Heiterkeit von Seiten der Untergebenen aufgenommen worden.

Ein Camerad wollte dem Kinde abwinken, aber dieses erzählte voll ehrlicher Entrüstung:(22) „Neulich Nachmittag sollte ich in meinem Zug Appell mit reinen Hemden abhalten und wissen Sie, wieviel reine Hemden da waren? Eins — die übrigen waren alle noch in der Wäsche. Ein Hemd — „dazu die Herren Officiere” — God save the Queen!

Schallendes Gelächter folgte diesen Worten; der Häuptling that das Klügste, was er thun konnte — er hörte nichts, er studirte sehr eifrig in der Generalstabskarte, die er aus der Satteltasche genommen hatte,(23) und was das Kind ihm gesagt hatte, überlegte er sich in stiller Stunde.

Er besserte sich, wenn auch nicht viel, so doch ein klein wenig; dennoch wurde noch oft über die Worte „dazu die Herren Officiere” geflucht. Nur einmal nicht, das war, als der Herr Hauptmann seinen Abschied eingereicht hatte und dem Scheidenden zu Ehren ein Liebesmahl stattfand, „dazu die Herren Officiere.”

Da kamen sie gerne.(24)


Fußnote:

(1) In der Buchfassung heißt es hier: „Garnisonkarte”. (zurück)

(2) In der Buchfassung heißt es hier: „geladenen und gesicherten”. (zurück)

(3) In der Buchfassung heißt es hier: „geht auf der Straße, neben sich die beiden Entfernungsschätzer,”. (zurück)

(4) In der Buchfassung heißt es hier: „kost' ja nur 'nen Thaler, 'nen Thaler”. (zurück)

(5) In der Buchfassung heißt es hier nur: „auf den Hut”. (zurück)

(6) In der Buchfassung heißt es hier: „— im Marsch, Marsch sind sie von der Chausse in den Chausseegraben verschwunden”. (zurück)

(7) In der Buchfassung heißt es hier: „Dann commandirt”. (zurück)

(8) In der Buchfassung heißt es hier: „mit durchgedrückten Knieen und nach auswärts genommenen Fußspitzen”. (zurück)

(9) In der Buchfassung heißt es hier: „einzutreten”. (zurück)

(10) In der Buchfassung heißt es hier: „im Büchemann [recte: Büchmann - D.Hrsgb.]”. (zurück)

(11) In der Zeitungsfassung fehlen hier die beiden folgenden Absätze:

Diese Deutung, die der Herr Premier dem Worte „dazu” giebt, läßt ihn unwillkürlich lächeln — nun weiß er „wozu” er auf der Welt ist — als lebendes Unterhaltungsblatt.

Dann überfällt ihn plötzlich die Wut, daß er nur, um seinen Hauptmann Geschichten zu erzählen, hierher hat mit hinauslaufen müssen.

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(12) In der Zeitungsfassung fehlen hier die vier folgenden Absätze:

„Wir wollen die Uebung hier abbrechen,” redet er seinen Premier an, „ich habe mich mit der Spitze so lange beschäftigen müssen, daß ich nun keine Zeit mehr habe — um elf Uhr muß ich auf dem Kasernenhof sein. Wir wollen abrücken.”

„Ganzes Bataillon — Kehrt. Das Gewehr über — ohne Tritt marsch.”

Man wandert den heimatlichen Kochtöpfen entgegen.

Neben dem Herrn Premier reitet der Hauptmann, die Langeweile plagt ihn und nachdem er seinem Herzen Luft gemacht hat, daß er an seinem Sekond so wenig Unterstützung habe, sagt er:

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(13) In der Zeitungsfassung fehlt hier der folgende Absatz:

„Na, denn man heraus mit der Sprache, wenn Sie etwas so Amüsantes wissen.”

(zurück)

(14) In der Zeitungsfassung fehlen hier die beiden folgenden Absätze:

Armer Premier, du gedachtest es gut zu machen, nun aber hast du es „zu gut” gemacht und das ist häufig schlimmer, als wenn man etwas schlecht macht.

Am nächsten Morgen ist Kompagnie-Exerzieren; mit Schrecken liest der Herr Premier: „dazu die Herren Offiziere”, er denkt daran, einen Selbstmord zu begehen und seine Leiche dann zur Sicherheit nochmals zu vergiften, aber mit Rücksicht darauf, daß er daheim Weib und Kind hat, die ohne sein Gehalt ver–der–ben, wie der brave in Rußland gefangene Grenadier singt, giebt er diesen doppelt selbstmörderischen Gedanken auf.

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(15) In der Buchfassung lautet dieser Absatz:

Ich kannte einen Hauptmann, der litt an einer entsetzlichen Krankheit, — richtiger wäre es allerdings zu sagen, der hatte eine Krankheit, unter der seine Untergebenen, in Sonderheit seine Officiere, arg leiden mußten.

Diese Krankheit war die Beschäftigungs-Theorie.

Das ist noch schlimmer als die Pestilenzia, die schlimmer sein soll, als Migräne.

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(16) In der Buchfassung fehlt dieser Absatz. (zurück)

(17) In der Zeitungsfassung fehlt hier der folgende Absatz:

Die Lieutenants kamen gar nicht aus der Kaserne heraus, morgens um fünf Uhr, im Sommer um vier mußten sie das Aufstehen der Mannschaften revidieren und abends um neun Uhr, im Sommer um zehn mußten sie sich davon überzeugen, ob die Kindlein auch alle im Bette lägen und oft kam es auch noch vor, daß sie Nachts revidieren mußten, ob nicht der eine oder andere Schläfer erwacht und „durchgebrannt” sei.

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(18) In der Buchfassung wird dieser Absatz noch ergänzt, und zwei folgende Absätze fehlen in der Zeitungsassung:

. . . so ist da nichts zu wollen, beschweren kann man sich nicht darüber, thut man es dennoch, so bekommt man Unrecht und der Hauptmann setzt, damit man in Zukunft nicht wieder auf solche dumme Gedanken kommt, womöglich noch mehr Dienst an.

In solchem Falle ist es gut,
Man macht sich daraus nichts,
Man heuchelt einen Löwenmut
Und macht ein froh Gesicht — — —

Das thaten die armen Lieutenants dann auch, da ihnen nichts anderes übrig blieb, aber sie segneten den Tag, an dem sie zu einer anderen Kompagnie versetzt wurden.

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(19) In der Zeitungsfassung fehlt hier der folgende Absatz:

Wie singt Schiller:

„Was oft der Verstand der Verständigen nicht sieht,
Das sieht oft in Einfalt ein kindlich Gemüt.”

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(20) In der Buchfassung wird dieser Absatz noch ergänzt:

. . . dazu die Herren Officiere, — sie dürfen aber nicht mittrinken, damit den Leuten das ihenen zustehende Quantum nicht geschmälert wird.

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(21) In der Buchfassung wird dieser Absatz noch ergänzt:

. . . aber sie waren sehr frech und so dauerte es denn auch nicht lange, bis der Hauptmann, den man ganz weit hinten, zum mindesten in der Türkei vermutete, mit einem Donnerwetter „Herr Lieutenant, wie können Sie sich unterstehen, in solcher Weise den königlichen Dienst ins Lächerliche zu ziehen?” herankam, denn die sogenannten Witze des Kindes waren mit schallender Heiterkeit von Seiten der Untergebenen aufgenommen worden.

„Herr Lieutenant, ich verbitte mir solche Scherze!”

Da legte das Kind seine Hand an den Helm, das heißt für den, der die Zeichensprache versteht, „Zu Befehl” und sagte dann halblaut, aber doch so deutlich, daß der Hauptmann es verstehen mußte: „Ja, ja, mir wird verboten, in harmlosen Worten den Dienst lächerlich zu machen, wer verbietet aber dem Hauptmann, den königlichen Dienst durch die Art und Weise, wie er ihn abhalten läßt, lächerlich zu machen?

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(22) In der Buchfassung fehlt dieser erste Satz dieses Absatzes.

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(23) In der Buchfassung wird der Absatz an dieser Stelle beendet, und es folgt dort dann:

Die wenigsten Vorgesetzten können es vertragen, wenn ihre Untergebenen ihnen grob werden, wie dies bei Liebesmählern und anderen Gelegenheiten, wenn man aus irgend einem Grunde nicht mehr Herr seiner Sinne ist, ja zuweilen trotz der jedem Soldaten innewohnenden Disziplin und Subordination vorkommt. Dann bekommen sie es mit der Angst und geben unter tausend Fällen neunhundert­neunund­neuzigmal klein bei.

Dies that auch der diensteifrige Hauptmann — was das Kind ihm gesagt hatte überlegte er sich in stiller Stunde und gedachte des Wortes: „Kindes Mund — thut Wahrheit kund.”

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(24) In der Buchfassung wird dieser Absatz noch kurz ergänzt:

Da kamen sie gerne, nun hatten sie vor ihm Ruhe.

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© Karlheinz Everts