Das große Loos.

Humoreske von Freiherrn v. Schlicht.
in: „Hamburger Fremdenblatt” vom 25.Juni 1896,
in: „Nebraska Staats-Anzeiger und Herold” vom 3.2.1905 und
in: „Meine kleine Frau und ich”.


Seit den ersten Tagen meiner Geburt spielte ich ein ganzes Loos in der Hamburger Lotterie, natürlich dachte ich nicht gleich bei meiner Ankunft auf dieser Welt selbst daran, mir solch ein nützliches Papier anzuschaffen, sondern ich übernahm das von meinem kurz vor meiner Geburt verstorbenen Vater hinterlassene Loos, das meine gute Mutter fortan für mich weiterspielte. Selten, sehr selten sind Frauen gute Rechenmeisterinnen — meine gute Mutter gehörte wenigstens nicht zu diesen Künstlerinnen — und so kam es, daß in ihren Augen das Loos nicht nur ein Stück Papier war, auf das man eventuell einmal etwas gewinnen konnte, sondern es war für sie bar Geld. Ich erinnere(1) ganz deutlich, daß ich an dem Tage, da ich confirmirt worden war, den ersten Einblick in meine zukünftigen Vermögens­verhältnisse erhielt. „An dem Tage Deiner Mündigkeit,” sprach meine Mutter zu mir, „wirst Du außer dem Lotterieloos Dein väterliches Vermögen ausgezahlt erhalten.” Und als ich endlich als erwachsener Mensch dastand und mein Vermögen in guten Tausend­mark­scheinen in beide Hände gedrückt bekam, flüsterte meine Mutter feuchten Auges: „Und hier, mein Sohn, hast Du das Lotterieloos.”

Ich aber hielt mich an Das, was ich in bar mein Eigen nannte und hatte wenig Verständnis und Interesse für den unansehnlichen Lappen. Trotzdem nahm ich ihn dankend in Empfang, äußerte dabei aber scherzend: „Na, hoffentlich wird es eines Tages gewinnen.”

„Es wird gewinnen,” sprach meine Mutter, und eine solche Zuversicht, ein so fester, unerschütterlicher Glaube sprach aus dem Ton ihrer Stimme, daß sich in mir zwar noch kein Glaube, wohl aber Hoffnung zu regen begann.

Und die Hoffnung ward stärker, je mehr im Laufe der Jahre die schönen Tausend­mark­scheine den Weg alles Irdischen gingen.

Und die Hoffnung wurde zum Glauben, als ich eines Morgens den letzten der Mohicaner ins Portemonnaie steckte und zu mir sprach: „Wenn auch diese Tausend alle sind, dann ist's vorbei.”

Was sollte ich wohl ohne Geld anfangen, zu verdienen war in meinem Stand Nichts — ich war damals noch Officier. Sollte ich borgen ohne Aussicht, es zurückgeben zu können, sollte ich meiner Mutter den ruhigen Lebensabend rauben und ihr Das wegnehmen, was sie selbst gebrauchte?

Aber vorläufig waren diese Sorgen ja noch überflüssig, ich hatte noch Geld, keinen Pfennig Schulden und vor allen Dingen noch das Lotterieloos. Es würde gewinnen, sicherlich, die Mutter hatte es gesagt, und deren Wort war für mich ein Evangelium, an dem zu zweifeln ich nie gewagt haben würde.

Es würde gewinnen, sicherlich — aber es gewann doch nicht. Zwanzig Jahre hatte mein Vater es gespielt, dreißig Jahre spielte ich es nun bald selbst — einmal mußte es doch gezogen werden, wenn die Waisenknaben sich nicht gegen mich verschworen hatten. Aber alle Hoffnungen erwiesen sich als eitel, das Loos gewann nicht, aber dennoch sollte es mir zum großen Loos werden.

Auf einer Abendgesellschaft war es. Nach einem guten Diner saßen wir Herren und Damen zusammen, und das Gespräch drehte sich plötzlich um das in Gegenwart junger Mädchen immer sehr verfängliche Thema des Heiratens.

„Und warum heiraten Sie nicht, Herr Lieutenant?” fragte mich da unvermittelt meine schlanke, dunkeläugige Nachbarin, der zu gefallen ich mich schon den ganzen Abend bemüht hatte.

„Ich?” gab ich erstaunt zurück, „ein armer Teufel wie ich hat genug zu thun, wenn er sich allein anständig durch das Leben schlägt.”

Bei den Worten „armer Teufel” glaubte ich Etwas wie aufrichtiges Mitleid und Theilnahme in den schönen Augen meiner Nachbarin zu lesen, vielleicht war auch der Klang meiner Stimme ernster und trauriger gewesen, als ich es beabsi chtigt hatte, denn ich fühlte alle Augen auf mir ruhen. Um keinen Mißklang aufkommen zu lassen, fuhr ich daher fort: „Ich kann aber noch 'mal reich, sehr reich werden.” Und in humoristischem Ton erzählte ich die Geschichte meines Lotterielooses.

Alles lachte, als ich geendet, nur meine Nachbarin nicht, und als ich sie hinterher mit halblauter Stimme fragte: „Mein gnädiges Fräulein, glauben Sie, daß eine Dame sich entschließen könnte, mich auf den eventuellen Gewinn meines Lotterielooses zu heiraten?” antwortete sie, über und über erröthend: „Warum nicht, wenn Sie der Dame sonst nicht unangenehm sind!” —

Acht Tage später war ich mit meiner schönen Nachbarin verlobt, und kaum ein Vierteljahr später war ich der glücklichste aller Ehemänner, da mein Schwiegervater ein sehr verständiger Mann war und mir die Erlaubniß ertheilte, zu heiraten, bevor ich gewonnen hatte. In überströmender Dankbarkeit zog ich am Hochzeitstag meine kleine Frau an mich: „So, Schatz, nun will ich mein Lotterieloos aufgeben, einen größeren Gewinn, als es mir schon in Dir gebracht hat, kann es mir unmöglich noch bringen.”

Aber meine kleine Frau bewies, daß sie in einem Kaufmannshause erzogen war und praktischen Blick besaß. „Spiele nur ruhig weiter,” gab sie zur Antwort, „nun darfst Du das Loos erst recht nicht aufgeben; Du weißt ja, wo Tauben sind, fliegen Tauben zu. Ich muß gestehen, daß, eines Tages das große Loos gewinnen zu können, in meinen Augen die schönste Aussicht ist, die es in unserer an schönen Aussichten so reichen Welt überhaupt nur gibt.”

So spielten wir denn weiter, jahraus, jahrein, natürlich mit demselben Erfolg wie bisher — das Wort meiner inzwischen verstorbenen Mutter wollte sich nicht erfüllen. So dachte ich allmählich gar nicht mehr an mein Loos — ich wurde erst wieder daran erinnert, als ich eines Tages in eine Garnison versetzt wurde, in der das Spielen der Hamburger Loose verboten war. Der Collecteur machte mir Schwierigkeiten, er erklärte, mir unter keinen Umständen das Loos mir(2) nach meinem neuen Wohnsitz nachschicken zu können. Ich war glücklich, eine Gelegenheit zu haben, es endlich aufgeben zu können, aber meine Frau widersprach wiederum, man müsse dem Glück die Hand bieten, es werde sich schon ein Ausweg finden. Schließlich wurde abgemacht, daß ein in der alten Garnison stehender Kamerad das Loos auf meine Kosten für mich weiter fort spielen(3) solle. Ich drückte ihm bei meiner Abreise den Betrag für das laufende Jahr in die Hand und dachte nunmehr mit keinem Gedanken mehr an das Los, bis ich eines Nachts ganz unvermittelt wieder daran erinnert wurde.

Mir träumte, ich hätte den Hauptgewinn sammt der Prämie gewonnen.

Meine kleine Frau ist trotz ihres praktischen Sinnes abergläubisch, wie sehr, Das erfuhr ich erst, als ich ihr am nächsten Morgen beim Frühstück ganz nebenbei von meinem Traum erzählte.

Starr blickte sie mich an: „Und Das sagst Du mir erst jetzt?”

„Wie Du gehört hast, ja,” gab ich ihr(4) zurück. „Im Uebrigen denke ich, lohnt es sich nicht weiter, ein Wort darüber zu verlieren, Träume sind Schäume.”

„So sprechen nur Thoren,” versetzte sie, „die Karten und die Träume lügen nie.” Sie begann mir Beispiele anzuführen, wo die Träume wirklich in Erfüllung gegangen waren, sie sprach so ernst und überzeugend, daß ich selber anfing, irre zu werden.

„Möglich wäre es ja immerhin,” gab ich zur Antwort — aber wenn man erst einmal die Möglichkeit zugibt, ist der Glaube nicht mehr fern.

Als ich mich kurz darauf zum Dienst begab, ging ich auf der Post vor und sandte meinem kameraden einnTelegram mit bezahlter Rückantwort: „Wann ist Ziehung?” Einige Stunden später hatte ich die Antwort: „Ziehung der letzten Classe gestern begonnen.”

Das war in der That mehr als sonderbar, ich hatte thatsächlich keine Ahnung gehabt, wann Ziehung sei, und nun mußte ich gerade gestern den Traum haben, gestern, da die Ziehung anfing, die das große Loos irgend einem Glücklichen bringen mußte.

Dieser Glückliche war ich, denn noch länger zweifeln zu wollen, schien mir Wahnsinn, und so telegraphirte ich denn sofort zurück: „Bitte sofort Drahtnachricht, wenn gewonnen, besonders ob großes Loos!”

Aber trotz meiner festen Zuversicht wurde mein Glaube doch wieder erschüttert, als ein Tag nach dem anderen verging, ohne daß der Telegraphenbote sich bei uns sehen ließ. Wir lebten wie im Fieber, die Unruhe und Ungewißheit machten uns förmlich krank, fast unberührt kamen die Speisen wieder von unserem Tisch, wir waren unempfindlich gegen Hunger und Durst, Nachts floh uns der Schlaf, wir dachten, sprachen und beschäftigten uns mit nichts Anderem, als mit dem großen Loos.

Endlich konnte ich meine Aufregung nicht mehr beherrschen, und ich telegraphirte: „Wie steht's? Wann ist der letzte Ziehungstag?” Die Antwort lautete: „Bis jetzt Nichts. Morgen.”

Also der morgige Tag würde die Entscheidung bringen. Daß ich an diesem Tage vor Aufregung nicht gestorben bin, ist mir auch heute noch ein Räthsel. Ich war unfähig, das Geringste zu denken und zu thun, nicht einmal zu rauchen vermochte ich, an Schlafen war selbstverständlich gar nicht zu denken, zwei Stunden nur hatte ich es im Bett ausgehalten, dann war ich aufgesprungen, um der Entscheidungsstunde entgegen zu wachen, einmal mußte sie doch kommen.

Und sie kam. Nie, nie werde ich sie vergessen. Die Uhr zeigte ein Uhr siebenundzwanzig Minuten, als der Diener ins Zimmer trat und mir eine Depesche überreichte. Meine Frau, die mir am Tisch gegenübersaß, war bleich wie eine Todte, ich selbst zitterte wie Espenlaub. Ich vermochte das Telegramm nicht zu halten, es fiel zu Boden; der Diener bückte sich, um es aufzuheben und durch eine Ungeschicklichkeit riß er hierbei die Oblate ab. Das Telegramm war geöffnet — Gott sei Dank — ich hätte auch nicht die Kraft dazu gehabt.

„Der Postbote fragt, ob Antwort nöthig ist,” weckte mich der Diener aus meiner Starrheit.

Da kam ich zu mir und übeflog das Telegramm. „Nein, Antwort ist nicht nöthig,” keuchte ich, „aber hier, geben Sie dem Postboten hundert Mark, er soll sich einen vergnügten Tag machen.”

Der Diener verschwand, und fast bewußtlos sank ich in einenn Stuhl — ich glaubte, ich würde sterben.

„Aber so sprich — was ist denn?” fragte meine Frau, ihre Blicke starr, unverwandt auf mich richtend.

„Lies selbst,” gab ich zurück, und sie las:

„Nichts von Bedeutung. Großes Loos und Prämie.”

Starr, sprachlos saßen wir einander gegenüber, keines Wortes, keiner Bewegung fähig.

„Ach, wenn Das doch Deine gute Mutrter erlebt hätte,” sprach da endlich meine Frau.

Und dies Wort löste unsere Erstarrung — wir begannen zu weinen, aus Trauer um die Todte, aus Freude über den Gewinn, aus Erregung, Abspannung, Ermattung. Wir weinten, weinten und weinten. Aber ebenso plötzlich wie unsere Trauer begonnen, endete sie — mit einem wilden Freudenschrei sprangen wir in die Höhe und führten einen Indianertanz aus, daß jeder Unparteiische uns zum Mindesten für entsprungene Tollhäusler gehalten hätte. Aber auch dieser Taumel ging vorüber, hochklopfenden Herzens blieben wir endlich stehen und fragten uns fast gleichzeitig: „Was nun?” Ja, was nun? Das war viel leichter gefragt, als beantwortet.

So sind wir Menschen, erst wünschen wir uns alles Mögliche, und haben wir es endlich erreicht, so fragen wir: Was nun?

Abermals las ich laut das Telegramm: Nichts von Bedeutung. Großes Loos und Prämie!

„Das nennt der gute Mensch nichts von Bedeutung,” sprach ich zu meiner Frau, „fünfmal­hunderttausend Mark; mit Dem, was Dein Vater Dir bei unserer Hochzeit geschenkt hat, bin ich nun beinahe Millionär — jawohl, Millionär — und als solcher werde ich nun nicht mehr länger zögern, mir endlich meinen sehnlichsten Wunsch zu erfüllen.”

„Und Der wäre?” fragte meine Frau.

„Weißt Du es wirklich nicht?” gab ich zurück. „Ich ziehe den bunten Rock für immer aus; ich habe genug an dem Lieutenantsein; mögen Andere an meine Stelle treten, jetzt werde ich mein Leben gehörig genießen.”

Fassungslos starrte meine Frau mich an.

„Was willst Du? Den bunten Rock ausziehen? Deinen schönen, ehrenvollen Stand aufgeben? Nie und nimmermehr werde ich Das zugeben.”

Ich lachte belustigt auf. „Na, Kindchen, ich denke, darüber hätte ich doch ganz allein zu bestimmen.”

„So?” klang es gereizt zurück, „ich dächte doch, daß auch ich ein Wort mitzusprechen hätte, wenn es sich um mein Lebensglück handelt.”

„Um Dein Lebensglück?” fragte ich verwundert.

„Gewiß,” gab sie zur Antwort, „denn Du glaubst doch wohl nicht, daß ich ein Leben an der Seite eines Mannes ertrüge, dessen ganze Beschäftigung in Essen, Trinken und Rauchen besteht. Lieber ließe ich mich scheiden.”

„Du bist ein großes Kind,” versetzte ich, „übrigens habe ich bis zu dieser Stunde immer geglaubt, Du hättest mich um meiner selbst willen, nicht(5) meines Standes willen geheiratet?”

„Du bist abscheulich,” antwortete sie unter Thränen.

Ihr Kummer stimmte mich milde, ich wollte sie umarmen, aber sie stieß mich zurück .

„Nun gut, ganz wie Du willst,” sagte ich, „aber ich glaube, Du kennst mich gut genug, um zu wissen, daß ich an einem Entschluß, den ich nach langem Ueberlegen gefaßt habe, mit aller Entschiedenheit festhalte und mich durch Nichts bewegen lasse, ihn zu ändern. Du wirst vernünftig werden und später billigen, was ich noch heute zu thun gedenke. Ich reiche sofort meinen Abschied ein und laß mich gleich beurlauben. Morgen schon werden wir verreisen.”

„Nie und nimmer.”

„Dann bleibst Du eben hier; des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Ich aber reise.”

„Und wohin, wenn ich fragen darf?”

„Nun, überall hin, wo es schön ist und wo man sich für sein Geld amusiren kann; nach Wien, Paris, Monaco, Konstantinopel, na, ich werde schon noch Städte finden.”

„Und da wolltest Du hin — ohne mich?”

„Liebes Kind, Dein Entsetzen ist ganz ungerechtfertigt; was bleibt mir denn anders übrig, als allein zu reisen, wenn Du mich nicht begleiten willst?”

„Nie und nimmermehr.”

„Na, dann lohnt es sich ja nicht, weiter in Dich zu drängen — willst Du denn so liebenswürdig sein und dem Diener Anweisung geben, meinen Koffer vom Boden zu holen?”

„Ich soll Dir auch noch helfen, Deine wahnwitzigen Pläne auszuführen, Du bist wirklich mehr als sonderbar.”

„Und Du bist wirklich mehr als unliebenswürdig.”

„Was willst Du damit sagen?”

Erregt, tief aufathmend stand meine Frau mir gegenüber, ihre Augen sprühten Blitze.

„Was ich damit sagen will? Ich habe bis zu diesem Augenblick immer geglaubt, daß Du in jeder Beziehung alle anderen Frauen himmelhoch überragtest, daß ich in Dir in jeder Hinsicht das große Loos gewonnen hätte, und nun sehe ich zu meinem Bedauern —”

„Daß Du eine Niete bist,” wollte ich sagen, doch der Eintritt des Dieners, der mir ein Telegrammm überreichte, ließ mich verstummen. Ich nehme(6) ihm die Depesche aus der Hand, da erst gewahrte ich den rothen, dem Telegramm beigefügten Zettel.

„Telegramm ein Uhr sieben und zwanzig Minuten verstümmelt”, las ich, und als ich mit raschem Griff die neue Depesche geöffnet hatte, sank ich, keines Wortes mächtig, einer Ohnmacht nahe, auf einen Stuhl. Ich winkte dem Diener zu gehen, er sollte nicht Zeuge meiner Schwäche sein.

Meine Frau war, sobald sie meinen jammervollen Zustand gewahrte, aufgesprungen und hatte sich theilnehmend über mich gebeugt. „Aber so sprich doch,” bat sie, „was ist denn los, was ist geschehen — aber so sprich doch.”

Ich versuchte zu antworten, aber die Worte blieben mir in der Kehle stecken. So reichte ich ihr denn das Telegramm und sie las:

„Nichts von Bedeutung. Großes Loos nebst Prämie fiel auf Nummer,” und nun folgte eine Zahl, die mit der Nummer meines Looses so viel Aehnlichkeit hatte wie ein todter Kanarienvogel mit einem lebenden Walfisch.

„Was nun?” stöhnte ich, und als mir einfiel, daß ich diese Frage vor kaum einer halben Stunde allerdings in freudiger Veranlassung schon einmal gestellt hatte, überfiel mich von Neuem das heulende Elend.

Aber merkwürdiger Weise stimmte meine Frau dieses Mal nicht mit ein.

„Was nun?” fragte sie mit frohlockender Stimme, „weißt Du es wirklich nicht? Soll ich es Dir sagen?”

Und als ich sie verständnißlos anblickte, fuhr sie fort: „Wenn Du mich lieb hast, so danke Deinem Schöpfer auf den Knieen, daß Du nicht das große Loos gewonnen hast. Hättest Du Deinen Entschluß ausgeführt und wärest Du ein sogenannter Staatsbummler geworden, nicht eine Minute, Das schwöre ich Dir, wäre ich mehr bei Dir geblieben. Leute, die nichts thun, kann ich nicht achten — ohne Achtung ist aber Liebe ein Unding — so denke ich, so bin ich erzogen.”

„Ist Das Dein Ernst?” fragte ich tonlos.

„Kennst Du mich so wenig,” gab sie zur Antwort, „daß Du glaubst, ich würde solche Worte im Scherz sprechen?”

Mir war heiß und kalt geworden bei ihren Worten, was hätte ich wohl auf der Welt noch anfangen sollen, wenn sie, meine liebe, kleine Frau mich verlassen hätte? So sprang ich denn auf, zog sie an mich und küßte ihr die Thränen fort, die noch immer in ihren Augen schimmerten.

Noch immer spiele ich in der Lotterie dasselbe Loos — es ist bis zum heutigen Tage noch mit keinem nennenswerthen Gewinn gezogen worden, und ich muß offen bekennen, daß ich mir gar nicht wünsche, daß mein Loos jemals „das große” wird.


Fußnote:

(1) In der Buchfassung heißt es: „Ich erinnere mich”. (zurück)

(2) In der Buchfassung fehlt dieses „mir”. (zurück)

(3) In der Buchfassung heißt es statt: „weiter fort spielen”: „weiterspielen”. (zurück)

(4) In der Buchfassung heißt es: „gab ich zurück”. (zurück)

(5) In der Buchfassung heißt es: „nicht um meines Standes willen”. (zurück)

(6) In der Buchfassung heißt es: „Ich nahm ihm”. (zurück)


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