Die Ehestifterin.

Von Freiherr von Schlicht
in: „Die Ehestifterin”


Ganz unverhofft und unerwartet hatte ich Besuch von einem Neffen bekommen, den ich zum letztenmal sah, als er in kurzen Sportshosen in die Quinta ging und der nun plötzlich als ein königlich preußischer Leutnant vor mir stand, den die Uniform sehr gut kleidete und der auch sonst in jeder Hinsicht einen ganz ausgezeichneten Eindruck machte. Er war tadellos in seinen Manieren, natürlich und ungekünstelt in seinem ganzen Wesen. Was er erzählte, hatte Hand und Fuß, kurz, er war wirklich ein sehr netter Mensch und wie mein Neffe mir gefiel, so gefiel er erst recht meiner Frau, die ihn bei diesem Besuch zum erstenmal in ihrem Leben sah. Meine Frau war von Heinemann, wie mein Neffe seit undenklichen Jahren in der ganzen Familie genannt wurde, vollständig entzückt und sie erklärte mir immer wieder, noch nie einen so reizenden kleinen Leutnant kennen gelernt zu haben. Das mochte stimmen, aber mit dem „kleinen Leutnant” haperte es auf alle Fälle, denn er hatte eine Länge von 1,89 Meter, wenn man die Stiefelabsätze mitzählte, wurden es sogar noch 3 Zentimeter mehr.

Meine Frau hatte an Heinemann gar nichts auszusetzen, absolut nichts, trotzdem er erst vierundzwanzig Jahre zählte, war er schon vollständig fehlerfrei, aber einen großen Fehler hatte er natürlich trotzdem, denn wo ist die Frau, die einenn Mann ganz vollkommen findet.

Und Heinemann hatte den ganz großen Fehler, daß er noch nicht verheiratet war. Gewiß, er war erst vierundzwanzig Jahre alt, aber trotzdem machte er in seinem ganzen Benehmen den Eindruck eines Achtundzwanzig­jährigen, wenn nicht sogar den eines Neunundzwanzig­jährigen und beinahe sogar den eines Dreißigjährigen. Da war es für ihn die höchste, aber auch die allerhöchste Zeit, sich zu verheiraten. Und als meine Frau sich danach erkundigte, ob er denn mit seinen vierundzwanzig Jahren immer noch keine Lust zum Heiraten habe, da kam es heraus: Lust hatte er schon, er war auch bereits ein paarmal so gut wie verlobt gewesen, aber bei ernstlicher Prüfung habe sich die jedesmalige heimliche Braut doch nicht als die Richtige erwiesen, das auch schon deshalb nicht, weil er selbst nicht reich war und weil die bisherigen heimlichen Bräute ebenfalls nicht genug Vermögen besaßen. Für die notwendige Kaution hatte es allenfalls gelangt, abr wer kann heute als verheirateter Offizier mit 2500 Mark auskommen? Schließlich will man doch auch avancieren und das Avancement ist davon abhängig, daß man finanziell gut gestellt ist. Statt der gesetzlich verlangten 2500 Mark brauchte er als Verheirateter doch mindestens — —

Über das, was er nach seiner Ansicht später als Ehemann brauchen würde, schwieg mein Neffe sich aus, wohl weil er das selber nicht wußte und so meinte er denn nach einer langen Pause nur nochmals: „Als Verheirateter braucht man im Jahr doch mindestens — —

Wieder herrschte tiefes Schweigen, bis meine Frau plötzlich ausrief: „Das ist aber auch das Allermindeste.”

„Es ist sogar das Allerallermindeste,” meinte ich nun auch meinerseits anscheinend ganz ernsthaft, während es den beiden mit ihren Worten wohl wirklich ernst gewesen war und so erreichte ich es denn auch völlig unbeabsichtigt, daß meine Frau meinem Neffen zurief: „Da hörst du es ja, Heinemann, unter dem geht es wirklich nicht. Dein Onkel muß es ja wissen, der ist ja selbst als Offizier verheiratet gewesen, bevor er Schriftsteller wurde und dann später mich heiratete. Also, wenn dein Onkel es auch sagt, wird es schon stimmen, unter zwölftausend Mark Zinsen im Jahr geht es wirklich nicht.”

Heinemann machte plötzlich ein freudestrahlendes Gesicht, sicher war er in seinen Gedanken mit viel weniger im Jahr ausgekommen, aber die Vorstellung, daß seine Zukünftige ihm eine so reiche Mitgift mitbringen würde, hatte sicher für ihn sehr viel Verlockendes. Aber er verriet das nur für einen kurzen Augenblick durch ein freudiges Aufleuchten seiner hübschen dunkelbraunen Augen, dann hatte er sich als Mann und als Offizier schnell in die neue Situation gefunden und stimmte nun bei: „Schön, wenn ihr das sagt, wage ich natürlich nicht zu widersprechen, ich weiß nur nicht, wo ich eine so reiche Braut finden soll. In meiner Garnison gewiß nicht.”

„Aber hier,” rief meine Frau schnell, „du hast ja jetzt in einer Nachbargarnison ein ganzjähriges Kommando und Zeit genug, wenigstens an jedem Sonntag zu uns zu kommen, wenn nicht auch manchmal des Wochentags, um hier eine Gesellschaft mitzumachen oder mit uns in das Theater zu gehen. Du kannst des Abends immer wieder in deine Garnison zurückfahren.”

„Das könnte ich schon,” meinte Heinemann, „ich könnte sogar jeden Abend kommen, des Nachmittags von vier Uhr ab bin ich immer dienstfrei,” bis er sich dann an meine Frau mit der Frage wandte: „Und du glaubst wirklich, daß es dir gelingen würde, mir eine Braut zu verschaffen?”

Meine Frau richtete sich stolz auf, als sei sie zum mindesten eine berufsmäßige Heirats­vermittlerin, die die zukünftigen Bräute in jeglichem Alter und in jeder Preislage auf ihrem Lager hat, dann meinte sie: „Ich werde dir die Braut besorgen, du mußt mir aber natürlich nur eines versprechen, daß du dich selbst dabei um gar nichts kümmerst, daß du alles vollständig mir überläßt, vor allen Dingen aber, daß du dich in deiner jetzigen Garnison nicht etwa auch nach einer Braut umsiehst,” und mit flehender Stimme bat sie plötzlich: „Nicht wahr, Heinemann, das schwörst du mir, nicht nur in deinem eigenen Interesse, sondern auch meinetwegen. Ich freue mich ja so schrecklich darauf, dich zu verheiraten und die Freude darfst du mir nicht verderben.”

„Das werde ich doch schon meinetwegen nicht tun,” gelobte Heinemann und in der Freude ihres Herzens stieg meine Frau, die von kleiner Figur ist, plötzlich auf einen Stuhl und gab dem langen Heinemann, der vor ihr stand, einen herzhaften Kuß. Und bevor sie von ihrem Stuhl wieder herunterkletterte, gab sie ihm noch einen und vielleicht hätte sie ihm noch einen gegeben, wenn sie nicht plötzlich wieder auf ihrem Stuhl gesessen hätte, aber im Sitzen ging das Küssen nicht.

Meine Frau strahlte! Sie hatte es früher nie begriffen, daß es anderen Frauen tatsächlich Vergnügen gemacht haben sollte, Ehen zu stiften. Sie hatte es nie geglaubt, wenn sie das hörte, aber nun, da sie es selber wollte, erschien ihr das früher Unbegreifliche und Unfaßbare als etwas ganz Selbstverständliches. Wer konnte auch wohl über Freuden urteilen, die er selber bisher noch nicht auskostete?

Meine Frau strahlte! Jetzt würde auch sie eine Ehe stiften, und ihr war, als sei ihr ganzes bisheriges Leben schal und zwecklos gewesen. Gewiß, es hatte ihr auch früher nicht an Tätigkeit und Abeit gefehlt, aber nun erst wußte sie, warum sie auf die Welt gekommen war: einzig und allein, um Heinemann zu verheiraten. Trotzdem es draußen Bindfaden regnete und obgleich das Barometer trotz allen Klopfens nicht steigen wollte, lag die Welt vor meiner Frau im rosigsten Sonnenschein.

Mir aber graute im stillen und ich dachte zurück an die Zeit, da die jetzige junge Herzogin von Braunschweig noch unverheiratet war. Da hatte die Lieblingsbeschäftigung meiner Frau darin bestanden, mir immer und immer wieder zuzurufen: „Ich bin nur neugierig, wen die Prinzessin Viktoria Luise noch einmal heiraten wird.” Auf den Spaziergängen, bei den Mahlzeiten, namentlich aber des Abends, wenn wir zusammensaßen und plauderten, hatte meine Frau mich zahllose Male gefragt: „Mit wem wird die Prinzessin sich wohl verloben?” Meine Frau hatte beständig bei dem Gedanken gezittert, daß die hübsche junge Prinzessin keinen Mann fände und als die sich dann verlobte, da hatte meine Frau mir zugerufen: „Weißt du, wenn die Prinzessin sich nicht bald verlobt hätte, ich glaube, dann wäre ich verrückt geworden, soviel Gedanken habe ich mir über sie und über ihren zukünftigen Mann gemacht.”

Im Kaiserhause kann keine größere Freude geherrscht haben, als in meinem Schädel, als die Frage: „Wer wird die Prinzessin heiraten?” endgültig gelöst war. Und mir graute, wenn ich daran dachte, daß meine Frau sich nun fortan täglich damit beschäftigen würde, wen Heinemann heiraten solle. Aber schon mit Rücksicht auf unseren Besuch sprach ich meine geheimsten Gedanken nicht aus und ich verschwieg sie auch, als ich wieder mit meiner Frau allein war. Die war ja so namenlos glücklich, „und nicht wahr,” bat sie mich, „du wirst mir die Freude nicht verderben und nicht gleich ungeduldig werden, wie du es eigentlich jeden Abend wurdest, wenn ich die kleine Prinzessin in Gedanken verheiratete? Es war doch ein harmloses Vergnügen, das hättest du mir ruhig lassen sollen, anstatt es mir immer zu zerstören.”

„Aber diesesmal wird es sich um kein harmloses Vergnügen handeln, sondern ich fürchte, um bitteren Ernst,” warf ich ein, „und ehe du die Richtige gefunden hast — —”

„Ich habe sie schon gefunden,” rief meine Frau triumphierend, „und wenn ich dir das nicht eher sagte, geschah es natürlich nur, weil ich Heinemann nicht zu zeitig Hoffnungen machen wollte. Ich muß bei dem jungen Mädchen, an das ich sofort dachte, natürlich erst mal auf den Busch klopfen.”

„Aber die hat meinen Neffen doch noch nie gesehen,” warf ich ein, „wie willst du denn da auf den Busch klopfen und vor allen Dingen, bei wem willst du denn klopfen?”

„Das verrate ich auch dir nicht,” rief meine Frau mir zu, „das ist mein Geheimnis, ich werde gleich morgen mit dem jungen Mädchen über Heinemann sprechen, ihr natürlich nur ganz im allgemeinen erzählen, welchen reizenden Besuch wir heute hatten und wenn die dann neugierig wird und erklärt, gern einmal zu uns kommen zu wollen, wenn Heinemann wieder bei uns ist, dann ersehe ich ja schon daraus, wie der Hase läuft.”

„Oder auch nicht,” widersprach ich, „denn von allein kann die junge Dame doch gar nicht den Wunsch äußern, mit Heinemann zusammentreffen zu wollen und wenn du sie auch nur indirekt danach fragst, ob ihr das Spaß machen würde, dann kann die doch gar nicht nein sagen, wenn sie nicht direkt unhöflich und ungezogen sein will.”

„Das schon,” meinte meine Frau nach kurzem Besinnen etwas kleinlaut, bis sie doch schnell wieder neuen Mut schöpfte, sie würde schon diplomatisch zuwege gehen und ihr Vorhaben mußte ihr gelingen, denn so gut wie diese paßte keine andere Braut zu Heinemann: sie hatte Geld, sie war hübsch, von großer, schlanker Figur, sie war klug, sie liebte den Sport, kurz, es war ein Prachtmädel, das nur deshalb heute noch unverheiratet war, weil sie schon soviel Körbe ausgeteilt hatte, daß sich von den hiesigen Herren keiner mehr an sie herantraute. Die war für Heinemann die gefundene Frau, die mußte ihn heiraten, ob sie wollte oder nicht und sie würde schon wollen.

Aber als meine Frau dann am nächsten Tage von ihrem diplomatischen Besuch zurückkam, da wollte sie doch nicht, das heißt, meine Frau wollte natürlich, aber die andere wollte nicht und meine Frau wollte plötzlich auch nicht mehr, denn diese Ella Rettberg, bei der sie gewesen war, hatte sich als ein so entsetzlich dummes Mädchen erwiesen und deren Dummheit bestand darin, daß sie nicht nur unseren Heinemann nicht heiraten wollte, sondern überhaupt keinen Mann und das deshalb nicht, weil sie gar nicht begriff, warum man denn überhaupt einen Mann heiraten müsse, und warum man eine Frau nicht heiraten könne. Es wurde mir schwer, zu glauben, aber das junge Mädchen war mit ihren zwanzig Jahren tatsächlich noch so dumm und von ihrer Mutter absichtlich in solcher Unwissenheit großgezogen worden, daß sie zwar nicht mehr an den Storch glaubte, aber trotzdem, oder gerade deshalb keine Ahnung davon hatte, wie sich das menschliche Geschlecht fortpflanzt. Und als meine Frau der Mutter der jungen Dame gegenüber ihrer Verwunderung Ausdruck gegeben hatte, wie man heutzutage ein junges Mädchen so unerfahren aufwachsen lassen könne, hatte die Mutter erklärt, ein wirklich anständiges Mädchen erführe alles in der Hochzeitsnacht noch früh genug und sie würde alles tun, was sie könne, damit ihre Tochter bis zu ihrem Tode unaufgeklärt bliebe.

Und ein so dummes Mädchen hatte meine Frau mit unserem Neffen verheiraten wollen! Nun erst wurde uns klar, warum dieses Fräulein Ella bisher so viele Körbe austeilte, weil die überhaupt noch nicht wußte, was die Liebe zu einem Manne bedeutete.

Meine Frau war sprachlos! Aber es ist nur ein Glück, daß eine Frau um so leidenschaftlicher drauflosreden kann, je sprachloser sie ist. So machte meine Frau denn ihrem Herzen Luft: sie hatte sich so darauf gefreut, Heinemann gerade mit diesem jungen Mädhcen zu verheiraten, nun hatte die dumme Gans ihr diese Freude verdorben und meine Frau beruhigte sich erst wieder, als ich ihr erklärte, daß es doch Gott sei Dank noch andere junge Mädchen gäbe, die gewiß auch sehr anständig, aber trotzdem etwas aufgeklärter wären.

Das sah meine Frau denn auch ein und ehe ich wußte, wie mir geschah, hatte sie sich ihren Hut wieder aufgesetzt und eilte nicht nur zur Tür, sondern auch zum Hause hinaus. Und als sie nach einer Stunde wieder zurückkam, strahlte sie! Sie war bei einem Fräulein Albrecht gewesen, die gar kein Hehl daraus zu machen pflegte, daß sie auf Grund ihres leidenschaftlichen Temperamentes lieber heute als morgen heiraten werde und als meine Frau ihr von unserem Neffen gesprochen hatte, da war die sofort Feuer und Flamme geworden und hatte gebeten, sie bald möglichst einmal mit ihm zusammen einzuladen. Gleich heute wollte meine Frau an Heinemann schreiben, an welchem der nächsten Tage es ihm passe, einmal des Abends zu uns zu kommen.

Voller Verwunderung hörte ich meiner Frau zu, dann aber sagte ich: „Was du mir da erzählst, ist ja alles sehr gut und sehr schön und ich wünsche es gewiß der jungen Dame von ganzem Herzen, daß sie bald einen Mann bekommt, denn ich finde es mehr als grausam, daß ein junges Mädchen, dessen ganze Natur sich nach einer Ehe sehnt, vielleicht eine alte Jungfer werden muß, wenn sie mit Rücksicht auf ihre gesellschaftliche Stellung nicht aufhören will, ein anständiges junges Mädchen zu bleiben. Wie gesagt, ich wünsche ihr baldmöglichst einen Mann, aber daß unser Neffe sie heiratet, ist doch ganz ausgeschlossen, denn du scheinst mir vollständig vergessen zu haben, daß dieses Fräulein Albrecht bisher nur deshalb keinen Mann gefunden hat, weil ihre Eltern ihr kaum mehr als die allernotwendigste Aussteuer mitgeben können.”

Allerdings, das hatte meine Frau vollständig vergessen, daran hatte sie nicht einen Augenblick gedacht. Und wer war daran schuld? Meine Frau? Keine Ahnung! Ich, ich ganz allein, denn wenn ich ihr nicht davon gesprochen hätte, daß es auch junge Damen der Gesellschaft gäbe, die zwar hochanständig aber trotzdem aufgeklärt wären, dann hätte sie nie und nimmer gleich an dieses Fräulein Albrecht gedacht, von der alle Welt wußte, warum sie sich nach einer Ehe sehnte. Einzig und allein ich war daran schuld, daß meine Frau gerade dieses junge Mädchen aufgesucht hatte, nein, Gott sei Dank, ich doch nicht ganz allein. Meine Frau? Keine Ahnung! Wohl aber dieses Fräulein Ella Rettberg, denn wenn die nicht so wahnsinnig dumm gewesen wäre, dann hätte meine Frau es gar nicht nötig gehabt, auch noch einen anderen Besuch zu machen. Hätte Fräulein Ella sich sofort bereit erklärt, Heinemann zu heiraten, dann wäre alles gut gewesen.

Nun aber war es nicht gut. Im Gegenteil, die Sache war mies und meine Frau saß mir mit einem ganz entsetzten Gesicht gegenüber, während sie mir zugleich zurief: „Was mache ich da nur?”

Das wußte ich auch nicht und so meinte ich denn nur: „Mir tut es ja deinetwegen leid, daß du dich in einer so unangenehmen Situation befindest, aber die Schuld hast du selbst, warum bist du auf die wahnsinnige Idee gekommen, unseren Neffen verheiraten zu wollen.”

„Weil es für mich nichts Schöneres auf der Welt gibt, als Heinemann glücklich zu machen, ebenso glücklich wie ich es mit dir — —”

Meine Frau vollendete den Satz nicht, so tat ich es denn, indem ich ihr das Schlußwort zurief: „bin!”

Aber meine Frau widersprach: „Das habe ich nicht gesagt und das wollte ich auch nicht sagen, denn eine Frau darf es ihrem Manne niemals eingestehen, daß sie mit ihm glücklich ist. Tut sie es dennoch, dann begeht sie einen großen Fehler. Das höchste Lob, was eine Frau ihrem Manne zollen darf, lautet, daß sie mit ihm glücklich sein könnte, wenn er nicht trotz seiner vielen guten Eigenschaften auch noch sehr viele Fehler hätte. Das wollte ich auch dir sagen, damit du dir nicht etwa einbildest, ich wäre bei dir wirklich glücklich. Es gibt überhaupt keine ganz glücklichen Frauen, die gibt es höchstens solange die Flitterwochen andauern, hinterher entdeckt doch jede Frau an ihrem Manne diesen oder jenen Fehler.”

„Vielleicht beruht das auf Gegenseitigkeit,” versuchte ich mein Geschlecht zu verteidigen.

„Dann aber ist das nicht die Schuld der Frauen, sondern einzig und allein die der Männer, weil die uns dann nicht mehr mit den Augen der Liebe betrachten,” verteidigte meine Frau sich und ihr Geschlecht und wohl, um bei diesem Gespräch nicht in die Enge getrieben zu werden, rief sie mir jetzt zu: „Aber um das alles handelt es sich doch jetzt gar nicht, sage mir lieber, was ich mit diesem Fräulein Albrecht machen soll.”

„Das kommt ganz darauf an, was du ihr erzähltest,” versuchte ich meine Frau zu beruhigen. „Wenn du ihr gegenber nur ein paar allgemeine Redensarten gebraucht hast, bei denen sie sich schließlich nicht allzuviel denken konnte, wird sich schon ein Ausweg finden lassen. Was hast du ihr denn erzählt?”

„Na, was man in solchem Falle zu erzählen pflegt,” meinte meine Frau etwas kleinlaut, „ich habe ihr natürlich das Lob deines Neffen in den höchsten Fisteltönen vorgesungen.”

„Und was hast du ihr erwidert, als sie dich fragte, ob du glaubtest, daß sie unserem Neffen gefallen würde?”

Meine Frau sah mich ganz groß an, während ihre Wangen sich dunkelrot färbten, dann rief sie mir zu: „Woher weißt du es, daß Fräulein Albrecht mich danach gefragt hat?”

„Na, das kann ich mir doch denken,” gab ich zur Antwort, „die Frage liegt doch so nahe, daß sie ganz selbstverständlich ist.”

„Und ebenso selbstverständlich wie die Frage, war doch auch meine Antwort,” verteidigte meine Frau sich abermals, um dann hinzuzusetzen: „Ich konnte ihr doch unmöglich erklären, daß sie Heinemann nicht gefallen würde. Erstens wäre das mehr als unhöflich gewesen und zweitens hätte sie mich dann doch naturgemäß gefragt, warum ich da erst zu ihr gekommen wäre. Ob ich wollte oder nicht, es blieb mir nichts anderes übrig, als ihr zu sagen, nach meiner Ansicht würde Heinemann von ihr entzückt sein und ich sehe es auch wirklich nicht ein, warum er das nicht sein sollte. Sie hat eine hübsche schlanke Figur, schöne, tiefschwarze Augen, einen auffallend hübschen Mund — — na, und daß sie kein Geld hat, darüber muß er dann einfach hinwegsehen.”

„Trotzdem du ihm erklärtest, zwölftausend Mark im Jahr sei das Allerwenigste, was seine spätere Frau an Zinsen haben müsse.”

Meine Frau sah mich ganz groß an: „Habe ich das wirklich gesagt? Da mußt du dich irren, wenigstens kann ich mich bei dem besten Willen nicht darauf besinnen. Aber selbst, wenn ich es sagte, na, so was sagt man, aber man denkt sich doch nicht allzuviel dabei. Im übrigen ist es natürlich sehr angenehm, wenn man zwölftausend Mark jährlich zu verzehren hat, aber es geht auch mit weniger. Als wir uns heirateten, hatten wir doch auch nicht gleich soviel und wir sind trotzdem glücklich gewesen, wenigtens war ich es.”

„Pardon,” widersprach ich, „du wolltest sagen, du hättest trotzdem mit mir glücklich sein können, denn du erklärtest mir doch vorhin selbst, eine Frau dürfe nie zugeben, glücklich zu sein.”

„Wohl aber darf sie ihren Mann daran erinnern, daß sie mit ihm zusammen glücklich war,” rief meine Frau mir zu, „das muß sie ihm sogar von Zeit zu Zeit unter die Nase reiben.”

„Also reibe!” bat ich.

Aber meine Frau schalt: „Laß doch solche schlechten Scherze, nach denen ist mir wahrlich nicht zumute. Sage mir lieber, wie ich mich wieder aus dieser Affäre herausziehe. Jetzt sehe ich es selber ein, ich hätte Fräulein Albrecht nicht soviele Hoffnungen machen sollen. Heiratslustig wie die ist, sitzt die jetzt vielleicht schon zu Hause und näht an ihrer Aussteuer.”

„Und vielleicht auch schon an den Windeln für ds erste Kind,” warf ich ein.

„Nein, das tut sie ganz gewiß nicht,” entgegnete meine Frau, „denn Fräulein Albrecht sehnt sich wohl nach einem Manne, daraus macht sie ja gar kein Gehimnis, aber ebenso offen erklärt sie stets, daß sie keine Kinder in der Ehe haben möchte, wenigstens nicht in den ersten sieben Jahren.”

„Dann mußt du ihr ganz einfach erklären, Heinemann dächte über diesen Punkt wesentlich anders. Er wäre wahnsinnig kinderlieb und er würde nur eine Frau heiraten, die ebenso dächte. Du mußt ihr auseinandersetzen, mein Neffe hielte es schon von seinem Standpunkt als Offizier für seine heiligste Pflicht, dem Geburten­rückgang nach besten Kräften entgegenzuarbeiten, damit es dem Staat nicht an Soldaten fehle und es sei sein sehnlichster Wunsch, wenigstens sieben Söhne zu bekommen. Vielleicht, daß Fräulein Albrecht einsieht, daß Heinemann dann doch nicht der richtige Mann für sie ist und daß sie unter diesen Umständen auf das Vergnügen verzichtet, seine persönliche Bekanntschaft zu machen.”

Mit einem Sprung, der einem berufsmäßigen Akrobaten alle Ehre gemacht hätte, saß meine Frau plötzlich auf meinem Schoß und schlang ihre beiden Arme um meinen Hals: „Ach, du weißt ja gar nicht, wie lieb ich dich habe und wie glücklich ich wenigstens in diesem Augenblick bei dir bin. Und wie klug du zuweilen sein kannst! Ich will es dir offen gestehen, auf das, was du mir da eben sagtest, wäre ich nie und nimmer gekommen und doch liegt es so nahe, wo wahnsinnig nahe, daß es mir später natürlich selbst eingefallen wäre, wenn du mir nur Zeit gelassen hättest, in Ruhe nachzudenken. Du mußt nicht etwa denken, daß ich so dumm bin, wie du es vielleicht von mir glaubst. Nein, dumm bin ich ganz gewiß nicht und um dir das zu beweisen, will ich dir nur erklären: schon ehe du es mir sagtest, hatte ich schon selbst im stillen daran gedacht, ob ich den von dir ausgesprochenen Vorwand nicht dazu benutzen solle, um Fräulein Albrecht jeden Gedanken an eine Heirat mit Heinemann wieder auszureden. Ich dachte nur, du würdest mich auslachen, wenn ich es sagte.”

Schon während meine Frau zu mir sprach, hatte sie den Platz auf meinem Schoß wieder verlassen und saß mir jetzt wieder auf ihrem Stuhl gegenüber. Und es war mir ein Rätsel, warum sie überhaupt vorübergehend auf meinem Schoß gesessen hatte, denn wenn sie wirklich denselben Gedanken gehabt hätte, wie ich, hätte sie sich den Akrobatensprung doch schenken können.

Ja wenn — — aber ich hütete mich natürlich, das auszusprechen

Ich schwieg und meine Frau schwieg auch. Sicherlich bereute sie es, meine geistige Überlegenheit, wenn auch nur vorübergehend, anerkannt zu haben, wenigstens bildete ich mir das ein, aber meine Frau schwieg, wie ich wenig später erfuhr, aus einem anderen Grunde. Sie überlegte, ob sie diesem Fräulein Albrecht nochmals einen Besuch machen oder ob sie ihr schreiben solle, daß sie leider vergessen hätte, heute morgen davon zu sprechen, daß unser Neffe so wahnsinnig kinderlieb wäre und daß es deshalb doch wohl das beste sei, wenn Heinemann sich durch Vermittlung meiner Frau nach einer anderen Frau umsähe.

Nach reiflichster Überlegung entschloß sie sich zu einem Brief und als sie den zum Hause hinaus hatte, kannte ihr Glück keine Grenzen, einmal, weil sie dieses Fräulein Albrecht als eventuelle zukünftige Braut unseres Neffe nun glücklich wieder los war, vor allen Dingen aber, weil sie sich jetzt für ihn nach einer anderen Braut umsehen konnte. Gott sei Dank war an hübschen und auch an wohlhabenden jungen Damen in der Stadt kein Mangel und meine Frau zählte mir an ihren Fingern, obgleich sie nur zehn hat, ohne Stocken siebenunddreißig junge Damen auf, die als eventuelle Bräute in Frage kamen. Natürlich war es für sie nicht leicht, unter diesen Vielen die Richtige zu finden, aber sie würde sich schon für die Richtige entscheiden. Erst galt es natürlich nur zu sortieren, die Spreu von dem Weizen abzusondern.

Und meine Frau sortierte, bald standen auf dem einen Blatt Papier, das den Weizen enthielt, siebzehn, bald neunzehn, bald drei, bald zwölf Namen. Und ebensooft wechselte die Zahl derjenigen, die als Spreu wenig oder gar nicht in Frage kamen. Meine Frau sortierte und sortierte. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend saß sie vor den beiden Zetteln, auf denen die Namen der eventuellen Bräute standen. Meine Frau hatte für nichts anderes auf der Welt mehr Interesse und wenn ich sie fragte, ob sie mit mir ausgehen wolle, antwortete sie mir entweder gar nicht, oder sie rief mir zu: „Mein Gott, störe mich doch nicht in einem fort, wie soll ich denn da zu einem Resultat kommen? Ich schwankte eben gerade zwischen Berta Heinze und Anna Stolze. Beide sind sehr hübsche wohlhabende junge Mädchen, aber ich glaube, Fräulein Anna ist auf die Dauer verträglicher, Fräulein Berta ist aber noch hübscher, als Fräulein Anna, aber Fräulein Berta ist Halbwaise, während Fräulein Anna ihre Mutter mit in die Ehe brächte, wenn auch natürlich nicht mit in das Haus. Wie geagt, wie soll ich da zu einem Resultat kommen, wenn du mich nicht die halbe Minute in Ruhe nachdenken läßt. Aber da du nun doch einmal da bist, rate mir bitte, für wen ich mich entscheiden soll.”

Ich aber riet in diesem und in ähnlichen Fällen gar nichts, sondern machte, daß ich fortkam und überließ es meiner Frau, allein weiter zu sortieren.

Und die sortierte und sortierte, bis dann plötzlich ein Brief kam, der nicht nur das ganze Sortiment, sondern auch meine Frau vollständig umwarf. Meine Frau las den Brief dreimal durch, dann holte sie tief Atem und fiel gleich darauf noch tiefer in Ohnmacht. Und das nicht ohne Grund. Fräulein Albrecht, mit der meine Frau über unseren Neffen sprach und die so gern heiraten aber keine Kinder haben wollte, dankte meiner Frau vielmals für den Brief, in dem sie darauf aufmerksam gemacht worden sei, daß sie aus gewissen Gründen für unseren Neffen doch nicht die richtige Frau sei. Zuerst sei das auch ihre Ansicht gewesen, als sie den Brief las, dann aber habe sie sich den reiflich überlegt und da sei sie plötzlich zu der Erkenntnis gekommen, daß sie sich bisher versündigt habe, wenn sie stets erklärte, sie wünsche sich in ihrer späteren Ehe keine Kinder. Jetzt dächte sie darüber ganz anders, sie stehe jetzt völlig auf dem Standpunkt unseres Neffen und sie würde dem Himmel von ganzem Herzen für jedes Kind dankbar sein, mit dem ihre spätere Ehe gesegnet werden sollte. Und dann kam ein Passus, in dem es wörtlich hieß: „Sie, meine sehr verehrte liebe gnädige Frau haben mir soviel Gutes und Schönes von Ihrem Herrn Neffen erzählt, daß ich ihn schon liebgewonnen habe, bevor ich ihn nur kenne und ich bitte Sie nochmals höflichst, wie Sie es mir schon mündlich versprachen, mir Ihren Neffen baldmöglichst vorzustellen. Sollte ich dem wirklich gefallen, wie Sie, gnädige Frau, es mir bei Ihrem Besuche mit absoluter Bestimmtheit erklärten, dann würde ich später meine Lebensaufgabe darin sehen, Ihren Herrn Neffen so glücklich wie nur irgend möglich zu machen und er würde es nie zu bereuen haben, daß seine Wahl durch Ihre liebenswürdige Vermittlung gerade auf mich fiel.”

Aus jedem Worte dieses sehr diskret und sehr vornehm gehaltenen Briefes klang es heraus, es war der Schreiberin bitterer Ernst mit dem, was sie schrieb und so tat mir das arme Mädel denn aufrichtig leid. Ich sah sie im Geiste ganz deutlich zu Hause sitzen, wie sie auf den Bräutigam wartete, vielleicht, daß sie schon, frei nach den Jungfrauen aus der Bibel, die moderne elektrische Öllampe putzte, um bei hellem Lichterschein den Verlobten begrüßen zu können und während die auf den Geliebten harrte, verlobte meine Frau den alle zehn, nein, alle drei Minuten mit einer anderen.

Mir persönlich tat das arme Mädel wirklich leid und ich dachte, meiner Frau würde es ebenso gehen, aber als die aus ihrer Ohnmacht endlich wieder erwachte und die Augen aufschlug, war sie empört! Ja, mehr als das, sie war einfach außer sich und so rief sie mir denn zu: „Weißt du, eine solche Unverschämtheit ist mir denn doch noch nicht vorgekommen. So etwas will ein anständiges junges Mädchen sein! Die wirft sich deinem Neffen ja förmlich an den Hals und klammert sich an ihm fest wie eine Klette.”

„Dürfte das nicht vielleicht deine Schuld sein?” nahm ich die junge Dame in Schutz, „nach allem, was Fräulein Albrecht schreibt, scheinst du ihr doch sehr große Hoffnungen gemacht zu haben und daß sie da nun nicht ohne weiteres zurücktritt, kann ihr doch kein Mensch übelnehmen, besonders dann nicht, wenn sie sich auf Grund deiner Schilderungen tatsächlich schon etwas in unseren Heinemann verliebt haben sollte.”

„Ein anständiges Mädchen verliebt sich aber nicht so schnell,” verteidigte meine Frau sich, „und außerdem habe ich ihr gar keine Hoffnungen gemacht, das hast einzig und allein du getan.”

Wenn ich nicht schon auf einem Stuhl gesessen hätte, würde ich mich vor Erstaunen erbarmungslos auf die Erde gesetzt haben. Starr und fassungslos blickte ich meine Frau an, dann aber rief ich: „Ich hätte der jungen Dame Hoffnungen gemacht? Aber um Gottes willen inwiefern denn nur?”

Ich hätte sämtliche Eide der Welt darauf geschworen, daß meine Frau das auch nicht wußte, aber es geschah ein Wunder, sie wußte es doch und so sagte sie denn jetzt: „Du ganz allein bist an allem schuld, denn wenn du nicht darauf gekommen wärest, daß die beiden nicht zusammen paßten, weil Fräulein Albrecht sich später keine Kinder wünschte, dann hätte ich ihr nie etwas davon geschrieben. Ich hätte ihr überhaupt nicht mehr geschrieben, sondern sie ganz einfach links liegen lassen. Dadurch aber, daß ich ihr schrieb, habe ich natürlich Hoffnungen in ihr erweckt, denn unwillkürlich mußte sie sich sagen, daß wir sie mit unserem Neffen verloben würden, wenn sie über kurz oder lang über die Kinderfrage anders dächte. Dieses Thema aber hast du einzig und allein aufgerührt. Und darum hast du in ihr Hoffnungen erweckt, du ganz allein.”

„Glaubst du wirklich, was du da redest?” fragte ich meine Frau. „Ich tue es nicht, und du darfst eins nicht vergessen: als du mich damals aus Dankbarkeit küßtest, weil ich diesen Ausweg erfand, da erklärtest du mir ausdrücklich, du hättest den Gedanken natürlich schon lange vor mir gehabt. Also trifft die Schuld nicht mich, sondern dich.”

„Du aber hast den Grund zuerst ausgesprochen,” widersprach meine Frau, und meine Hände ergreifend, bat sie plötzlich mit tränenerstickter Stimme: „Ach, tu mir doch den einzigen Gefallen und nimm die ganez Schuld auf dich, tu mir doch die Liebe, ich will dir dann auch gern behilflich sein, daß du aus der Patsche wieder herauskommst, in die du durch deine Unüberlegtheit geraten bist.”

Um meiner Frau gefällig zu sein, nahm ich die Schuld auf mich, dann aber bat ich: „So, nun hilf mir raus aus der Patsche.”

Und meine Frau half, genial, wie nur eine Frau zu helfen vermag, indem sie mir freudestrahlend zurief: „Weißt du, die Sache ist doch mehr als einfach. Daß die beiden sich jetzt heiraten müssen, unterliegt für mich keinem Zweifel. Ein Zurück gibt es diesem Fräulein Albrecht gegenüber nun nicht mehr und eine bessere Frau kann dein Neffe sich auch gar nicht wünschen. Ich bin sicher, daß er sich auf den ersten Blick in sie verliebt und sie dann sehr bald heiratet. Es bleibt nur noch die Geldfrage zu lösen. Daß die beiden im Jahre zwölftausend Mark brauchen, ist natürlich ein Unsinn. Wenn sie acht haben, ist das auch genug und wenn du ihnen vorläufig sechstausend im Jahre gibst, werden sie auch noch nicht verhungern.”

„Wer soll ihnen das Geld geben?” fragte ich, als ich mich nach einer halben Stunde von diesem Schreckschuß erholt hatte. „Wer soll die beiden unterhalten? Ich? Ja, bist du denn ganz von Gott verlassen? Woher soll ich das Geld nehmen und vor allen Dingen, wie soll ich wohl dazu kommen, die beiden auf meine Kosten heiraten zu lassen?”

„Weil du ganz allein schuld daran bist, daß die beiden sich heiraten werden und heiraten müssen,” rief meine Frau mir abermals zu. „Du hast die Sache eingefädelt, nun mußt du sie auch zu einem glücklichen Ende führen.”

Und vielleicht hätte ich das eines Tages wirklich gemußt, wenn nicht völlig unerwartet ein Brief von meinem Neffen gekommen wäre, in dem dieser bat, wir möchten uns vorläufig noch nicht nach einer Frau für ihn umsehen, er habe es sich inzwischen reiflich überlegt, er sei zum Heiraten doch noch zu jung und außerdem habe er zufällig ein allerliebstes kleines Mädchen kennen gelernt, das zwar nicht daran dächte, geheiratet zu werden, das aber trotzdem, oder gerade deshalb wenigstens für die Dauer seines militärischen Kommandos seinem Herzen sehr nahestände. Wir möchten deshalb es auch nicht übelnehmen, wenn er sich in der nächsten Zeit nicht bei uns sehen ließe. Zum Heiraten sei es nach einem Jahr ja immer noch Zeit und wenn meine Frau sich dann nach einer Braut für ihn umsehen wolle, würde er ihr von ganzem Herzen dankbar sein.

Selten habe ich mich über einen Brief so gefreut, wie über diesen und damit mein Neffe sich mit mir freue, sandte ich ihm heimlich fünfhundert Mark. Aber noch viel tausendmal größer als meine Freude war die meiner Frau. Heinemann hatte recht, er war zum Heiraten noch viel zu jung. Gott sei Dank, daß er das selber einsah und noch Gott sei danker, daß er es schrieb. Nun konnte meine Frau diesem Fräulein Albrecht wenigstens mit gutem Gewissen der Wahrheit gemäß erklären, daß Heinemann sich eines anderen besonnen und daß vorläufig aus einer Partie zwischen ihnen beiden zu ihrem aufrichtigsten Bedauern nichts werden könne.

Ach, meine Frau war ja so namenlos glücklich, daß sie sich mit Anstand aus der verfahrenen Geschichte herausziehen konnte. Nun würde sie auch wieder ihres Lebens froh werden, denn jetzt konnte sie es mir ja eingestehen, sie hatte in der letzten Zeit des Nachts überhaupt nicht mehr geschlafen, sondern fortwährend über Heinemanns Bräute nachgedacht. Wäre das noch lange so weitergegangen, dann hätte meine Frau nach ihrer gewissenhaften Überzeugung sicher einen Nervenchok bekommen und sie begriff es jetzt auch gar nicht mehr, wie es jemandem ein Vergnügen bereiten könne, einen anderen Menschen zu verheiraten.

Meine Frau war ja so namenlos glücklich, daß sie Heinemann nicht mehr zu helfen brauchte, eine Frau zu finden — — aber am allermeisten freute sie sich doch darauf, ihn im nächsten Jahr, wenn er ernstlich an eine Heirat dachte, bei dem Suchen nach einer Braut behilflich sein zu dürfen!


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© Karlheinz Everts