Die Traumflöte.

Humoreske von Teo von Torn.
(Mit fünf Illustrationen nach Zeichnungen von Georg Koch)
in: „Über Land und Meer” 1902 Seite 209 - 212


Rittmeister von Prodehl war längst über den Aberglauben hinaus, daß ihm die Einstellung neuer Rekruten noch irgend welche besondere Ueberraschungen bereiten könnte.

Er war Fatalist in dieser Hinsicht.

Fritz Reuters tiefgründige Einteilung der Menschen wandte er auf die Soldaten im allgemeinen und auf die Rekruten im speziellen an: es giebt so 'ne und so 'ne.

Die einen sind dumm von Geburt, die andern aus Neigung; die einen können links und rechts nicht unterscheiden, weil sie zunächst nicht wissen, was links und rechts ist, die andern verwechseln diese beiden Elementarbegriffe des königlichen Dienstes aus Eigensinn; die einen „latschen”, weil ihnen die Beine von Haus aus ein wenig verkehrt eingeschraubt sind, die andern, weil sie immer einwärts statt auswärts verstehen, oder weil ihnen das geometrische Gefühl abgeht für den „nicht ganz rechten Winkel”, den jedes Paar Soldatenfüße in Reih und Glied zu bilden hat.

Hinsichtlich der besonderen Aufgaben des Kavalleristen gab es für den Herrn Rittmeister auch nur zwei Gruppen: der einen mußten überhaupt erst die besonderen Merkmale erklärt werden, in denen sich ein königliches Dienstpferd von andern Säugetieren unterscheidet, bei der andern war außerdem noch die Prätension zu überwinden, daß sie diese Merkmale bereits kenne. Beide Gruppen aber erwiesen sich als einheitlich und gleichwertig in dem Bestreben, den Todesritt von wahnsinnig gewordenen Klammern auf einer Wäscheleine anschaulich darzustellen.

So war es immer gewesen in der ersten Zeit — und so war es diesmal auch. Und da der Herr Rittmeister sich keinen andern Erwartungen hingegeben hatte, so erlebte er keine Enttäuschungen. Eine hohe Lebens- und Dienstphilosophie, die bei Herrn von Prodehl nur in einem Punke versagte.

Die Einjährigen!

Da er selbst Gymnasialabiturient gewesen war, konnte er sich trotz aller gegenteiligen Erfahrungen von der Ansicht nicht freimachen, daß die Qualifikation zum einjährig-freiwlligen Dienst von vornherein eine genauere Kenntnis wenigstens der Himmelsrichtungen bedinge. Leider sah er sich hierin, wie auch in manchen andern Voraussetzungen so oft enttäuscht, daß nach und nach eine gewisse Abneigung gegen die ganze Institution sich bei ihm einwurzelte.

Es war in den ersten Tagen nach der Einkleidung. Das militärische Jahr hatte auch bei der zweiten Schwadron des Dragonerregiments Friedrich Albrecht seinen ewigen Kreislauf mit der Einzelausbildung zu Fuß ohne Waffen begonnen. Die Sache war natürlich kein Bild für Götter, — ein seltsam und befremdlich Spiel menschlicher Unvollkommenheiten. Da war einer auch für Zucker nicht zu bewegen, seine Nase in die erforderliche Richtung zur Knopfreihe zu bringen. Ein andrer suchte seine Hosennaht an den unmöglichsten Stellen. Die ausbildenden Unteroffiziere und Gefreiten schwitzten Blut und Oel, wie man beim Kommiß sagt, und mancher unterdrückte Fluch legte sich ihnen zurück auf die edlen Teile. In Gehörweite des Schwadronchefs fehlt nämlich den Kasernenhofblüten die rechte Keimkraft.

Rittmeister von Prodehl stand beiseite und sah sich die Bescherung an — mit der ruhigen Aufmerksamkeit eines Arztes, der da weiß, daß eine richtige Diagnose die halbe Heilung ist. Soweit das die ehernen Gesetze des Exerzierreglements zuließen, individualisierte er. Er sah nicht nur die Fehler, sondern auch deren intimere Ursachen und prägte sie sich ein, um nachzuhelfen, wenn er seine Zeit für gekommen erachtete. Diese war noch nicht da. Die Leute mußten erst aus dem Allergröbsten heraus sein.

Für heute hatte Herr Jobst von Prodehl der Schwadronsmutter nur einige Kleinigkeiten in das umfangreiche Notizbuch diktiert und wandte sich bereits zum Gehen, als sein Blick auf einen schmächtigen Jüngling fiel, dessen Achselklappen die schwarz-weißen Schnüre zierten, und dem sein Instrukteur vergeblich klarzumachen versuchte, daß der Hals zwar frei aus den Schultern gereckt werden müsse, der Soldat aber nie den Eindruck eines neugierigen Storches machen dürfe.

„Sagen Sie mal, Abromeit,” äußerte der Schwadronschef zu seinem Wachtmeister, nachdem er sich den Einjährigen eine Zeitlang angesehen, „es ist also Thatsache, daß wir diesmal nur einen erwischt haben —”

„Zu Befehl, Herr Rittmeister.”

„Der Himmel meint es gut mit uns, Abromeit. Einer ist zwar auch noch zu viel, aber immer besser als drei. Was halten Sie von dem Manne?”

„Der Einjährige Schertel scheint ganz anstellig, Herr Rittmeister. Jedenfalls giebt er sich Mühe. Er ist nur noch ein bißchen schlotterig in den Gelenken. Unfest. Auch in seinem ganzen Auftreten. Er schleicht immer — wie einer, der Hühneraugen hat oder auf der Brandsohle geht. In seinem Wesen hat er was Nachdenkliches, Pflaumenweiches —”

„So. Also Traumflöte. Na, das wollen wir ihm schon abgewöhnen,” schmunzelte Herr von Prodehl, erfreut über die Fortschritte des von ihm zur „psychologischen Differenzierung” erzogenen Wachtmeisters. „Soll noch Murr in die Knochen kriegen. Was ist er doch gleich im Zivilstande?”

„Pharmazeut und Literat, Herr Rittmeister,”

„Allmächtiger! Da haben wir's ja wieder — ein Unglück kommt selten allein. Ich entsinne mich jetzt. Er ist der Sohn des hiesigen Hofapothekers Schertel und sogar Doktor der Chemie, wenn ich nicht irre.”

„Zu Befehl, Herr Rittmeister.”

Einen Moment sah der Schwadronschef vor sich hin, als wenn er sich etwas ins Gedächtnis zurückrufen wollte. Dann sagte er kurz, im Abgehen:

„Also besondere Obacht haben auf die Traumflöte, Wachtmeister. Werde mir den Mann in den nächsten Tagen mal genauer ansehen. Mahlzeit.”

*           *           *

Die Seelenkunde ist an sich eine sehr achtbare Wissenschaft. Wenn ihre Erfolge auf dem Kasernenhofe noch zu wünschen übrig lassen, so liegt das einmal an ihrem in der Hauptsache theoretischen Charakter, und zum andern daran, daß es unter den Soldaten so viele grundverschiedene Seelen giebt. Alle diese Sonderheiten auf rein wissenschaftlichem Wege in die reglementmäßige Einheitlichkeit zu formen, ist unmöglich — deshalb muß man hie und da grob werden.

Was zum Beispiel half alle Psychologie, wenn der Einjährige Hellfried Gamaliel Schertel auf das gar nicht mißzuverstehende Kommando „Marsch, marsch!” beim Antreten auf Vordermann anstatt des geölten Blitzes einen Menschen markierte, der einen lieben Verwandten tief gebeugt zu Grabe begleitet? In einen solchen trockenen Schleicher mußte eben von Zeit zu Zeit ein heiliges Donnerwetter einschlagen, sonst war im Falle einer Mobilmachung das Vaterland von den andern gerettet, ehe Hellfried Gamaliel Schertel auch nur ein einziges Mal Vordermann genommen hatte.

Rittmeister von Prodehl hatte mehr Sorge mit diesem Menschen, als ihm seine beunruhigendsten Träume vorgespiegelt. Die Gliedmaßen baumelten dem Einjährigen am Leibe, als wären sie in den Gelenken nur mit einem einzigen Faden befestigt, und als könnte er bei einer energischeren Bewegung einen Arm oder ein Bein glatt auf den Altar des Vaterlandes deponieren. Dazu diese Laschheit und verträumte Melancholie. Die etwas hervortretenden wasserblauen Augen hatten immer einen Ausdruck, als wenn der bessere Teil des Einjährigen Hellfried Gamaliel Schertel gar nicht vorhanden wäre, sondern in einer andern, ganz andern Welt lebte. Daran mochte es auch liegen, daß der Einjährige den ihm gewidmeten Ermahnungen zeitweilig eine so verständnislose Passivität entgegensetzte.

Der Rittmeister sprach zu Hause sonst nie über dienstliche Angelegenheiten. Aber nachdem er fast einen ganzen Vormittag damit vertrödelt, der Traumflöte beizubringen, daß die Pointe eines militärischen Grußes mehr in der Straffheit als in der Verbindlichkeit liegt — der Einjährige setzte nämlich unentwegt zu einer kleinen Verbeugung an —, warf er daheim doch die Mütze ärgerlich auf den Tisch, sich in die Sofaecke und rief händeringend: „Kinder, ich habe einen Einjährigen — einen Einjährigen, sage ich euch! Das Gestell paßt zum Soldaten wie der Igel zum Schnupftuch!”

Er war zu sehr mit seiner Verzagtheit beschäftigt, um den tragikomischen Blick zu bemerken, den seine Gattin dabei auf ihre Nichte warf.

Das frische, blonde Mädel — eine Waise, die Rittmeisters dauernd bei sich aufgenommen — war heftig zusammengeschrocken und hatte dann das Köpfchen tief über ihren Stickrahmen gebeugt.

„Das wundert mich eigentlich,” bemerkte Frau von Prodehl harmlos, „Herr Doktor Schertel ist doch sonst ein sehr gescheiter Mensch.”

„So? Dann werde ich den Kerl einsperren lassen, wenn er nur bei mir mit seiner Gescheitheit Verstecken spielt. Woher weißt du das übrigens?”

„Fritzi hat doch ziemlich oft von ihm erzählt — entsinnst du dich nicht? Sie ist wiederholt bei Bodenhausens mit ihm zusammengetroffen —”

„Aber Tante,” wandte das junge Mädchen ein, ohne aufzusehen. „Es war doch nur achtmal —”

„Das genügt gerade,” rief der Rittmeister, „damit du dir einen Begriff machen kannst, wie mir zu Mute ist, der ich täglich mit dem Menschen zusammentreffen muß! Aber nun möchte ich mir den Herrn Hellfried Gamaliel nicht auch noch in die Suppe einstippen. Schluß davon. Laßt uns zu Tisch gehen.”

Den Rittmeister wunderte es doch, daß Fritzi von Hasta, seine Nichte und Mündel, sonst mobil wie ein Eierquirl und bei Appetit wie ein Scheunendrescher, bei Tisch nicht ein einziges Wort sprach und mit einer an den Einjährigen Schertel erinnernden Melancholie in ihrem Frikassee herumstocherte. Noch mehr aber wunderte er sich eine halbe Stunde später. Er hatte sich mit seiner Nachmittagszigarre in sein Zimmer zurückgezogen und wollte sich eben auf die Chaiselongue hinstrecken, als die Thür sich öffnete und Fräulein Fritzi eintrat — mit einem Bündel Blätter in der Hand und einem Gesichtchen, auf dem Entschlossenheit und Verlegenheit einen heftigen Kampf kämpften.

„Onkel Jobst —”

„Mädel, wie kommst du in mein Allerheiligstes, und zu einer Stunde, da es bei Todesstrafe verboten ist, mich zu stören!” rief der Rittmeister zwischen Ernst und Lachen, indem er sich von dem Pfühl emporschwang.

„Verzeih, Onkel Jobst — die Sache ist aber zu wichtig. Ich muß dich sprechen. Du hast vorhin von — von Herrn Doktor Schertel gesagt, er passe zum Soldaten wie —”

„Wie ein Igel zum Schnupftuch. Allerdings. Und das ist eine Ansicht, zu der ich allen Grund habe.”

„Du wirst diese Ansicht ändern, Onkel Jobst, nachdem du diese herrlichen Soldatenlieder gelesen hast, die Herr Doktor Schertel kurz vor seiner Einziehung gedichtet und mir gewid— mir gegeben hat.”

Herr von Prodehl setzte zunächst zu einer kleinen Maulsperre ein. Nachdem er diese Anwandlung überwunden, mickte er bedächtig mit dem Kopf und pfiff dabei durch die Zähne. Ohne den Blick von dem brennheiß errötenden jungen Mädchen abzuwenden, nahm er ihm die Papiere aus der Hand und legte sie auf seinen Schreibtisch.

„Sieh mal an,” sagte er bedächtig, „also Hellfried Gamaliel Schertel — die Traumflöte — Soldatenlieder — und ausgerechnet dir gewidmet. Zwei verwunderliche Dinge. Wie kommt denn das eigentlich, Fritzchen?”

„Ach, Onkel Jobst —” hauchte die Kleine, indem sie die Händchen krampfhaft ineinanderpreßte, „ich — ich kann es dir nicht sagen.”

Damit war sie hinaus.

Rittmeister von Prodehl wiegte den Kopf und pfiff abermals durch die Zähne. Diesmal nur kurz, dafür aber ganz laut und mit dem Ausdruck vollkommenen Verständnisses. Auch ein andrer erleuchteter Gedanke schien noch in ihm aufzusteigen, denn er schnalzte mit den Fingern und trat schnell an seinen Schreibtisch.

„Für die Fahne — Lieder eines werdenden Soldaten — von Hellfried Gamaliel Schertel.”

Nach einer halben Stunde eifriger Lektüre und verschiedener Notierungen in sein Taschenbuch hatte der Rittmeister einen fertigen Plan, wie die Traumflöte zu kurieren sei und die zweite Schwadron des Dragonerregiments Friedrich Albrecht einen vernünftigen Soldaten mehr haben könne.

*           *           *

Es war eine der ersten Reitstunden.

Die Rekruten sind ja dabei fast alle ein wenig Excentrics. Aber was der Einjährige Schertel in dieser Stunde leistete, war derart grotesk, daß es als komisches Entree im Cirkus Busch beifälligste Heiterkeit entfesselt hätte. Er lag seinem Gaul fast immer auf dem Halse, und sobald ein leichter Schuckeltrab einsetzte, war er weder durch Zureden noch durch die tobende Energie des Wachtmeisters Abromeit zu bestimmen, diese zärtliche Anhänglichkeit aufzugeben. Dem Pferde wurde das schließlich auch über, und es setzte seinen Reiter zu wiederholten Malen auf den Sand.

Das mußte eben jetzt besonders nachdrücklich geschehen sein, denn Schertel blieb in bequemer Rückenlage am Boden, als wenn er sich besinnen wollte, ob es für ihn als gebildeten Menschen nicht angemessener sei, sich mit dem unvernünftigen Vieh überhaupt nicht mehr einzulassen. Endlich rüttelte ihn die Stimme des Rittmeisters auf.

„Sagen Sie mal, Einjähriger, wollen Sie da unten Ihr Jahr abdienen? Das dürfte auf die Dauer doch etwas einförmig sein, und außerdem werden Sie in dieser Lage nie dazu kommen, was der Dichter so herrlich besingt:

Dann jag' ich einher auf schnaubendem Roß
Und sporne die schäumenden Flanken;
Wie vor dem Gewitter zerstiebt der Troß,
Die Reihen der Feinde wanken!

Vorläufig, sehen Sie mal, schnaubt und schäumt Ihr Roß nur Wut über die niederträchtige Behandlung, die Sie ihm angedeihen lassen — und mit dem Wanken der Feinde ist das auch noch so 'ne Sache. Mit Ihren bisherigen Künsten werden Sie wenig Eindruck machen, es sei denn, daß der Troß sich totlacht, wenn Sie ihn anreiten. Also, bitte, nochmal und schöner!”

Der Einjährige hatte sich langsam und entgeistert erhoben. Fassungslos starrten seine blauen Augen auf den vergnügt lächelnden Rittmeister. Dann schoß ihm das Blut ins Gesicht — und er richtete sich so stramm und elastisch auf, wie das noch kein irdisches Auge an dem Einjährigen Schertel beobachtet hatte.

Er erklomm den Gaul ohne jede Hilfe und — saß. Zwar immer noch wie vom lieben Herrgott im Zorn auf einen Schinder geklemmt, aber er saß. Selbst beim Trab legte er sich nicht mehr hingebungsvoll vornüber. Die Augen quollen ihm zwar unter den weißlichen Augenbrauen hervor, daß sie schier auf eine Knopfgabel gezogen werden konnten, und das Gesicht verzerrte sich in der Anspannung aller Muskeln — aber er saß!

Wachtmeister Abromeit stand wie vor einem Meerwunder, und der Rittmeister freute sich.

„Na also, Einjähriger! Ich habe mir gleich gedacht, daß ein Mann, der so schöne Gedichte machen kann, es mit Geduld und Spucke auch zu einer anständigen Volte bringen wird. Eskadron — traaaab — locker die Zügel, Einjähriger! Noch lockerer! Runter mit dem Gesäß! Runter, sag' ich! Noch viel runterer! So — so ist es schon besser.”

Hellfried Gamaliel Schertel saß — und er fiel nicht mehr vom Trapez in dieser Stunde.

Damit setzte für ihn eine neue Aera erfolgreicher militärischer Erziehung ein, Wo er sich schlapp und verträumt zeigte, da wurde er munter gemacht mit einem Citat aus seinem Liederkranz „Für die Fahne”. Das half großartig.

Bei einem Hosenappell mit Stiefelparade war das Aufheben des rechten Fußes kommandiert worden.

„Wachtmeister, kommen Sie mal her!” rief der Rittmeister, indem er die Reihen der nägelblinkenden Sohlen entlang ging. „Hier hebt ein Kerl beide Beine zugleich auf. Ach so — das sind Sie, Einjähriger! Sie haben natürlich wieder den linken Fuß aufgehoben. Sagen Sie mal, was würde das für einen Jammer geben, wenn Sie in Ihren Versen die Füße so willkürlich behandeln wollten! Außerdem denken sie an die Worte des Dichters;

Und wenn der Koimmandoruf erschallt,
So ziehe ich meinen Degen
Und stürme durch den nächtlichen Wald
Dem Teufel selbst entgegen.

Solche schwierigen Sachen werden noch nicht einmal von Ihnen verlangt. Das Kommando besagte nur, Sie sollten den rechten Fuß aufheben. Da Sie anstatt dessen den linken aufheben, so ist das eines begnadeten Dichters unwürdig — und jener nächtliche Waldteufel wird Sie holen, wenn das noch einmal vorkommt!”

Und es ist nicht wieder vorgekommen.

Diese beeutenden Erziehungsresultate ihres Rittmeisters veranlaßten bald auch die andern Offiziere und Unteroffiziere der Schwadron, sich Schertelsche Verse anzueignen. Selbst die Mannschaften thaten desgleichen. Als ihn einmal in der Putzstunde seine lyrische Melancholie ergriff, weckte ihn der Dragoner Lastow zur Wirklichkeit, indem er ihm einen der Krüge hinhielt, die der Einjährige hatte ponieren[sic! D.Hrsgb.] dürfen:

„Stoß an, Bruderherz,
Verguß den Schmerz,
Hoch das Panier
Und bayrisch Bier!”

Der letzte Vers dieser Strophe war allerdings ein Extempore des Dragoners Lastow, aber das beeinträchtigte die ermunternde Wirkung nicht sonderlich.

So wurde die Traumflöte durch die Gewalt ihrer eigenen Poesie nach und nach ein ganz passabler Soldat. Und wenn — namentlich beim Reiten — wirklich mal ein Rückfall vorkam so brauchte der Herr Rittmeister den Hellfried Gamaliel Schertel nur beiseite zu nehmen:

„Wenn Sie das nicht besser machen, Einjähriger, dann bestelle ich heute nachmittag meine Nichte hierher, damit sie sich Ihre Clownerie mal ansieht. Verstanden?”

Dann riß der Einjährige die Knochen zusammen und that Wunder soldatischer Tüchtigkeit. Als er dann auch wirklich die Knöpfe bekam, wurde er von seinem Rittmeister zum Abendessen eingeladen — und bei dieser Gelegenheit wurde vereinbart, daß auch Fräulein Fritzi übers Jahr „Gefreite” werden sollte.

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