Glückliche Reise

Humoreske von Teo von Torn.
in: „New Orleans Deutsche Zeitung” vom 18.05 1902


„Schimmeck —!!”

Major von Bornrode hatte den Kopf durch die Thür seines Arbeitszimmers gesteckt und „lockte” seinen Burschen mit erhobener Stimme.

Diese Stimme war schon bei normalem Timbre ein Bataillonsschrecken. Sie war gewaltig und vor allen Dingen so tief, daß sie — wie ein kleiner Frechdachs von Fähnrich einmal meinte — unten wieder rauskam. Erhob der Major aber diese Stimme, dann erbebten die ältesten Feldwebel bis ins innerste Mark, und die Mannschaften hatten die betäubende Illusion der Sturmposaumen von Jericho.

Wladislaus Schimmmeck schoß denn auch wie ein geölter Blitz vom Treppenflur, wo er den Waffenrock des Herrn Majors gebürstet hatte, in das Entree. Hier wurzelte er einen Augenblick militärisch fest und folgte dann dem Gestrengen ins Zimmer.

Es war ein kritischer Tag allererster Ordnung. Der Bursche hielt es daher für rathsam, sich in möglichster Nähe der Thür aufzuhalten — um nicht durch die Wand zu müssen, falls der Herr Major aus irgend einem Grunde wieder „die Stimme erheben” sollte. Aber es kam nichts.

Herr von Bornrode ging mit langen Schritten sporenklingend auf und ab. Er hielt nachdenklich den Kopf gesenkt. Von Zeit zu Zeit kraute er sich nervös in dem kurz aufgebürsteten schneeweißen Haar, das mit der straffen Haltung und dem fast jugendlich frischen, von einem prächtigen dunkelblonden Schnurrbart pointirten Gesicht des Vierzigers seltsam kontrastirte.

Plötzlich legte er die Hände auf den Rücken und trat dicht an seinen zusammenfahrenden Schimmeck heran.

„Bin wohl saugrob gewesen heute früh, was?”

Auf Wladislaus Schimmmecks durchtriebenem Gesicht malten sich Ueberraschung und Verlegenheit. Unwillkürlich verließen die Finger die vorgeschriebene Hosennaht, schoben sich nach hinten und krauten verschämt an dem Leder seiner Reithose. Aber die gehobene Stimme seines Herrn brachten ihn sofort militärisch in Chik.

„Antwort — !!” heulte der Major, daß die Wanddekoration von Säbeln und Pistolen ins Klirren kam. Der Bursche fuhr mit dem Kinn in die Höhe, und kurz und schneidig klang es von seinen Lippen:

„Zu Befehl, Herr Major!”

„So — und was wolltest Du eigentlich von mir, als Du mir heute früh so zur Unzeit in die Quere kamst?”

„Um Urlaub bitten, Herr Major.”

„Urlaub —? Wozu —?”

„Zu Pfingsten.”

„Alle Wetter, haben wir auch schon wieder Pfingsten? Na schön — also Du kannst fahren.”

„Herr Major, ich — —”

„Halt's Maul! Sache ist erledigt! — Aber was ich noch sagen wollte — — — hast Du die Blumen besorgt und dem Fräulein in's Zimmer gestellt?”

„Zu Befehl, Herr Major. Es war nur ein einziges fertiges Bouquet zu haben, und das habe ich noch einem Frauenzimmer abgejagt, welches den Strauß bestellt und ihn eben abholen wollte.”

Herr von Bornrode hatte gar nicht gehört. Mit einem fast befangenen Ausdruck in seinem martialischen Gesicht setzte er seine Zimmer-Promenade fort und fragte nach einer kleinen Weile wie beiläufig:

„Was hat denn das Fräulein gesagt?”

„Gesagt nichts, Herr Major.”

„Na zum Donnerwetter, sie muß sich doch irgendwie geäußert haben!”

„Zu Befehl, Herr Major, — das Fräulein haben geweint.”

Mit einem Ruck blieb Herr von Bornrode stehen und sah befremdet auf; dann trat er an den Burschen heran und fragte mit krauser Nase:

„Was hat sie —?”

„Geweint, Herr Major — und dann haben das Fräulein seine Sachen gepackt und sind abgereist.”

„Abgereist — —?”

Der Major war so schrecklich erschrocken, daß Schimmeck ob dieser Wirkung seines Rapports sich den schlimmsten Befürchtungen hingab. Aber der Gestrenge war unberechenbar heute. Er faßte sich, richtete sich stramm auf und löste die Haken an dem Kragen seines Uniformrockes. — Dann trat er an's Fenster; und so ruhig hatte der Major überhaupt noch nicht gesprochen, wie jetzt, da er fragte:

— — —