„Im Notquartier”

Ein Manöverbild in 3 Akten

von

Frhr. von Schlicht und H.Gordon


Aufführung im Stadt-Theater zu Altona

am

**7., 10., 13.Febr. 1905


Besetzungsliste:

Baron von Grabow auf Grabowsee, Rittergutsbesitzer
Frieda, seine Tochter
Mathilde von Dahlenberg, Hausdame bei Baron von Grabow
Franz, Diener
Bertha, seine Frau
Frau Hella von Horstmann
Oberst von Langen, Kommandeur eines Infanterieregiments
Müller, Regimentsadjutant
Kurt von Ahrenberg, Fähnrich bei der Infanterie
Harald Graf Winter von Adlersflügel, Oberleutnant eines Husarenregiments
Hans von Wachwitz, Portepeefähnrich im Husarenregiment
Hugo Schmidt, Neger, Bursche bei Graf Harald
Goretzki, polnischer Soldat
Rettlitz, Hauptmann
von Borken, Leutnant
Wallberg, Leutnant
Heinze, Leutnant
Ordonnanz
Vier Burschen
Stimme
Spielleitung:

Willy Wilhelmi
Lene Schöller
Ida Bauer
Robert Scholz
Frau Lina Bach-Bendel
Frau Hermine Straßmann-Witt
Paul Bach
Ewald Bach
Hans Sternberg
Victor Stephany
Hermann Gotthardt
Herr Wötzel
Ludwig Auspitz
Reinhard Weiglin
Willy Pfeiffer
Herr Einer

Herr Bellers
(Infanteristen)
Herr Richter
Victor Stephany


„Die schöne Literatur”, Beilage zum Literarischen Zentralblatt vom 14. 1. 1905:

„Im Notquartier” Manöverbild in drei Aufzügen von Frhrn. v. Schlicht und Heinz Gordon, wurde durch Vermittlung der Berliner Verlagsfirma F. Bloch Erben von Direktor M. Bachur in Hamburg angenommen, wo das Werk demnächst die Uraufführung erleben wird.


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„Hamburger Echo” vom 9. Febr. 1905:

Im Altonaer Stadt-Theater jagten sich am Dienstag Abend einmal sehr viel alte und recht wenig neue Kasernenwitze, die sämtlich von stupender Geistreichigkeit waren. Dazu sah man eine Menge „zweierlei Tuch”, den bekannten jovialen Obersten, den schneidigen Leutnant und Adjutanten und den Fähnrich von der bekannten schüchtern-verwegenen Mischung. Daneben fehlte natürlich auch nicht der Tölpel von polnischem Soldaten, und neu war ein schwarzer Landsmann als Bursche. Damit diesen Herrschaften im vornehmsten Rock die rechte Folie nicht fehle, ist ihnen die notwendige Zivilmenschheit gegenübergestellt, in der das weibliche Element natürlich die Hauptsache ausmacht. So ist Gelegenheit gegeben zu allerhand herzerhebenden Bildern aus dem Soldatenleben, bei denen dem loyalen Philister die Brust schwillt, so daß er sich bezwingen muß, um nicht in die offene Szene mit einem dreifachen Hurra! hineinzuplatzen. Und es bietet sich auch Gelegenheit zu einer Reihe Liebesszenen, die das Herz der braven Haustöchter und der sie begleitenden nicht minder trefflichen Mütter hörbar schlagen läßt.

Da mag die Erfindung der Handlung noch so dürftig, die Zeichnung der Personen noch so schablonenhaft, die Witze mögen noch so alt und die neuen noch so blöd sein, solche Sachen schlagen immer durch, wenn sie das rechte Publikum finden. Und wo in der weiten Herrgottwelt gäbe es ein Publikum, das weniger mit ästhetischem Gewissen belastet, von so kindlicher Harmlosigkeit in künstlerischen Dingen, und dazu so brav gesinnt wäre, wie das Publikum, das sich gemeiniglich im Stadt-Theater zu Altona zusammenfindet. Wer es nicht glauben will, sehe sich nur einmal 14 Tage das Repertoire dieses Theaters an. Was da gegeben wird, verträgt wirklich nur personifizierte Gutmütigkeit, die sich mit Blödheit paart.

Dieses Publikum machte es denn auch dem Herrn Heinz Gordon, einem Schauspieler, und dem Freiherrn von Schlicht, der von seinem kritisch-kühnen Ausfluge zu den „Erstklassigen Menschen” reuig zur zuckersüßen Militärhumoreske zurückkehrte, mit ihrem neuesten Elaborat, das sie „Im Notquartier” nannten, möglich, einen Bombenerfolg zu erzielen, obwohl das Stück in technischer Mache, in der Zeichnung der Personen und auch in dem Aufgebot von Kasernenwitzen und ulkigen Manöversituationen hinter den meisten älteren Militärstücken weit zurückbleibt.

Unter Stephanys Regie war die Aufführung im ganzen recht flott. Die Leistungen der einzelnen Darsteller dagegen waren sehr verschieden und zeigten, daß es den Schauspielern zum Teil selbst kein Vergnügen machte, die Puppen zu spielen, die ihnen von den Herren Autoren zugemutet waren. Nichtsdestoweniger war der Freiherr v. Schlicht glücklich. Er strahlte vor Vergnügen, wenn er vor dem enthusiasmierten Publikum erscheinen konnte.


„Hamburger Fremdenblatt” vom 1. Febr. 1905:

Im Altonaer Stadt-Theater wird am Mittwoch das Lustspiel „Krieg im Frieden” von Moser und Schönthan wiederholt.

Die nächstfolgende Novität ist ein dreiaktiges Werk von Freiherrn v. Schlicht (Graf Wolf v. Baudissin) und Heinz Gordon, betitelt „Im Notquartier”, das in der kommenden Woche an dieser Bühne zur Uraufführung gelangt. Die beiden Verfasser sind bereits eingetroffen, um den Hauptproben und der Erstaufführung beizuwohnen.

[Am 31.Jan. und am 2.Febr. 1905 meldet das „Hamburger Fremdenblatt” in den „Offiziellen Hamburg-Altonaer Fremden-Listen”:
Hotel Kaiserhof, Altona — Graf Baudissin, Schriftsteller, Dresden

Am 3.Febr. 1905 meldet das „Hamburger Fremdenblatt” in den „Offiziellen Hamburg-Altonaer Fremden-Listen”:
Hotel Hamburger Hof — Graf Baudissin (Frhr. v. Schlicht), Schriftst., Dresden]


„Hamburger Fremdenblatt” vom 5. Febr. 1905:

Altonaer Stadt-Theater. Am Dienstag findet die Uraufführung des dreiaktigen Manöverbildes „Im Notquartier” von Frhrn. v. Schlicht (Graf Wolf v. Baudissin) und Heinz Gordon in hervorragender Besetzung statt. Die beiden Verfasser werden der Vorstellung beiwohnen.


„Hamburger Fremdenblatt” vom 7. Febr. 1905:

Altonaer Stadt-Theater. Am Dienstag findet die Uraufführung des dreiaktigen Manöverbildes „Im Notquartier” von Frhrn. v. Schlicht (Graf Wolf v. Baudissin) und Heinz Gordon mit Herren Wilhelmi, Scholz, Ewald, Bach, Stephany (der auch die Regie führt) Gotthardt, Wötzel, Paul Bach, Auspitz, Sternberg, Frl. Bauer, Frau Straßmann, Frl. Schöller, Frau Bach-Bendel etc. in Anwesenheit der beiden Verfasser statt.


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„Hamburger Fremdenblatt” vom 9. Febr. 1905:

Stadt-Theater in Altona
(„Im Notquartier.”)

Rezept: Ein Dutzend Offizierskarikaturen aus Thönys Album, ein paar Frauenzimmerchen, die jedem Leutnant aus der Hand fressen, ein Schock Kalauer und Jargonwitze aus Schlichts Militärhumoresken, zwei oder drei „an den Haaren herbeigezogene” Verlobungen und ein paar in bunten Röcken steckende Clowns, alles wahllos durcheinander geschüttelt und gerüttelt — es gibt zwar kein Lustspiel, nicht einmal einen Schwank, aber zur Not gibt's ein theatralisches „Notquartier”. Einem Publikum von Geschmack und Kunstempfinden gegenüber fällt solch ein Notquartier freilich beinahe unter den juristischen Begriff der Nötigung.

Selten ist ein fadenscheinigeres und unechteres Theaterstück über unsere Bühne gegangen als dieses sogenannte Manöverbild von Frhrn. v. Schlicht und Heinz Gordon. Der Verfasser der unzähligen ergötzlichen Militärschnurren und des lustigen Romans „Leutnant Flirt”, der Mitverfasser eines so wirksamen Bühnenstückes wie „Im bunten Rock” ist drauf und dran,sich seinen Namen gründlich zu verderben, wenn er mehr „Schöpfungen” von der Gattung „Notquartier” auf die Bühne bringt. Das Ganze macht den Eindruck, als hätten sich's die beiden Verfasser abgequält. Eine eigentliche Handlung ist nicht vorhanden, von Situationskomik keine Spur, der Humor, oder das, was als solcher wirken soll, geht von banalen Scherzen aus, die Sprache ist papiern und wo's sentimental wird, bei Abendröte, Musik und Liebeserklärungen — ui jegerl! — da fallen einem die Worte ein: „Mutter, wat jehn Ihnen die jrienen Beeme an!?” Das Schlimmste aber ist es, daß die Menschen gar so unecht sind, sogar die Herren Leutnants, die der Freiherr v. Schlicht doch aus demm ff kennt, es sind wirklich zumeist Thönysche Albummenschen, die sich in der Zeichnung ja ganz gut machen, aber auf der Bühne unglaublich albern erscheinen. Die paar echten Scherze, die hier und da ängstlich auftauchen, die wenigen gut erfundenen Bilder, die man mit der Laterne suchen muß und die mit der Handlung in gar keinem Zusammenhang stehen, führen in der allgemeinen Oede von Erfindungsarmut ein mitleidswürdiges Scheinleben.

Die Idee, die zweifellos von Schlicht herrührt, ist ganz gewiß nicht übel. Er wollte ein flottes, lustiges Manöverbild zeichnen, wollte zeigen, wie es auf einem Gutshofe hergeht, in den auf einmal eine ganze Horde von Offizieren und Mannschaften einbricht und alles auf den Kopf stellt. Der Besitzer des Gutes und seine Damen sind militärfromm, sie freuen sich der Ueberrumpelung, öffnen willig Herzen, Küche und Keller, es wird geliebt und pokuliert und wenn die Trommel zum Abmarsch schlägt, nehmen die Sieger alle Herzen mit. Das ist die Idee. Alles andere ist herzlose Schauspielermache. Da gibt es einen recht trottelhaften Gutsherrn, der sich anstellt, als sei er der größte Soldatenfeind, während er in Wirklichkeit für das Militär schwärmt, eine unglaublich langweilige Hausdame, die von allen Offizieren als ein Muster von Geist und Grazie gepriesen wird, ein Töchterlein, das sich in ekliger Weise leutnantstoll gebärdet, einen dichtenden Grafen, der die Schrulle hat, Ehen zu stiften, die unnatürlichste militärische Personnage des ganzen Stückes, ein paar Fähnriche, die es einmal zu einer hübschen Situation bringen, ein Dienstbotenpaar und zwei Soldatentypen. Die eine ist natürlich der bekannte Wasserpolack, dessen ganzer Humor darin besteht, daß er sich unaufhörlich juckt — zu sprechen hat er nichts, der andere ist ein Husar afrikanischer Abstammung. Wenn man nicht darüber lacht, daß dieser Afrikaner schwarz ist, dann gibt's an ihm auch nichts zu lachen. Die handlungsarmen Hin- und Herschiebereien dieser Persönlichkeiten auf der Bühne zu beschreiben, darf ich mir versagen. Den einzelnen Bildern aus dem Soldatenleben, dem Einzug ins Notquartier, dem „Biwak” in der Halle des Schlosses, wo man eine Anzahl von Soldaten auf Strohsäcken schlafen — hören kann, folgte das Auditorium mit Interesse. In seiner Mehrheit war das glückliche Publikum anderer Ansicht, als der Rezensent, es schien sich ganz gut zu amüsieren, lachte über den dichtenden Grafen und den kratzenden Wasserpolacken, und rief unter lebhaftem Applaus den anwesenden Frhrn. v. Schlicht, sowie die Hauptdarsteller häufig vor die Rampe.

Die Regie (Herr Stephany) hatte sich angestrengt und den ersten Akt, der in einer großen Halle spielt, für Altonaer Verhältnisse sehr gut inszeniert. Ueber das Spiel ist leider sehr viel Gutes nicht zu sagen. Den Gutsherrn mit zwei Seelen in der Brust spielte Herr Wilhelmi mit gewohnter Hingabe. Seine Damen standen indes nicht auf der Höhe. Fräulein Bauer hatte keinen ihrer guten Tage, sie hatte sich im ersten Akt, sagen wir milde, denn doch allzu einfach gekleidet und faßte die ganze flott und liebenswürdig gedachte Maid recht traurig auf. In dem militärtollen Töchterlein des Frl. Schöller war auch nicht die Spur von Entwickelung oder künstlerischer Entfaltung. Das war nicht einmal eine gewöhnliche Naive. Aus der Gutsnachbarin mit ihrer forcierten Lustigkeit konnte auch Frau Straßmann wenig machen. Ganz famos fand sich dagegen in die Rolle des dichtenden Kavallerie-Grafen Herr Stephany; es ist ganz sein Verdienst, daß er die unnatürliche Figur mit einem Schimmer von Komik umgab. Sehr flott gab auch Herr Gotthardt seinen Fähnrich, während der Fähnrich des Herrn Sternberg etwas mehr Schneid vertragen hätte. Herr Scholz als Diener und Frau Bach-Bendel als Dienerin versuchten mit Glück den falschen Humor ihrer Rollen durch lebhaftes Spiel in wirklichen zu verwandeln. Schließlich sind noch Herr E. Bach als fescher Leutnant und Herr P. Bach als Oberst zu erwähnen, sowie der schwarze Kavallerist des Herrn Wötzel und der Wasserpolack des Herrn Auspitz, der allein schon durch stummes Spiel (die Rede war ihm leider versagt) die Lacher auf seine Seite brachte.

Ph. B.          


„Die schöne Literatur”, Beilage zum Literarischen Zentralblatt vom 25.2.1905:

Im Altonaer Stadttheater erlebte am 7.Februar das Manöverstück des Freiherrn von Schlicht „Im Notquartier” seine Uraufführung. Außer dem durch seine Militärhumoresken und das Sensationsbuch „Erstklassige Menschen” bekannten Verfasser zeichnete auch noch Franz[ ! D.Hrsgb.] Gordon als mitverantwortlich für den Schwank. Obwohl das Stück eine Handlungs­dürftigkeit, eine Witzlosigkeit und eine Häufung von Banalitäten aufweist, wie sie selbst in deutschen Theaterlustspielen selten ist, fiel es doch nicht, wie es verdient hätte, unter den Tisch, sondern es setzten sich viele fleißige Hände in Bewegung, um den Freiherrn v. Schlicht auf der Bühne erscheinen zu lassen, was ihnen denn auch gelang. Offenbar dachte das Publikum jedoch nicht daran, mit seinem Beifall den Wert des Stückes anzuerkennen, sondern wollte nur den vielberufenen Autor der „Erstklassigen Menschen” einmal von Angesicht zu Angesicht sehen.


„Bühne und Welt” 7.Jahrgg. 1904/05 Seite 523:

Zum Schluß sei noch einer Urpremiere in Altona gedacht, ein dreiaktiges Manöverbild „Im Notquartier” von Frhr. v. Schlicht und Heinz Gordon. Es ist ein unglaublich flaches und witzloses Machwerk. Daß es trotzdem Beifall finden konnte, ist ein tief bedauerliches Zeichen der hochgradigen Urteilslosigkeit des Altonaer Publikums.



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© Karlheinz Everts