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St.Petersburger Zeitung vom 4./17.3.1904
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St.Petersburger Zeitung vom 11./24.3.1904
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St.Petersburger Zeitung vom 12./25.3.1904
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St.Petersburger Zeitung vom 13./25.3.1904

„Das Liebesmanöver”

Lustspiel in 3 Akten

von

Curt Kraatz und Freiherr von Schlicht

 

 

Aufführungen im Alexandra-Theater in St.Petersburg durch das „Deutsche Gesamt-Gastspiel” unter der Leitung von Direktor Philipp Bock am 11./24., 12./25. und 13./26.März 1904


Besetzungsliste:

 März 1904

von Velsen, Oberst eines Infanterie-Regimentes
Katharina, seine Frau
Elli, seine Tochter
von Velsen, Major a.D.
Leontine von Breitenbach
Cäcilie, ihre Tante
Ernst von Winterstein, Oberleutnant
Curt von Winterstein, Kadett
Exzellenz von Koßwitz
Dr. Erich von Osten
Schröder, Bursche bei Oberst von Velsen
Kapellmeister
Ordonnanz
Erster Soldat
Zweiter Soldat
Dritter Soldat
Spielleitung:

Herr Marlow
Frau Margarethe Otto-Körner
Frl. Stephanie Kriß
Herr Engels
Frl. Vera Witt
Frl. Adele Werra
Herr Stahl
Herr Hermann Lohe
Herr Merten
Herr Böttcher

Herr Arndt
Herr Otto Collot



Herr Philipp Bock


Die Besprechung der Aufführung im Alexandra-Theater erschien in der „St.Petersburger Zeitung” am 12./25.März 1904:

Deutsches Gesamtgastspiel unter der Direktion des Herrn Ph.Bock. Am Donnerstag den 11.März: 1) „Wann wir altern” , Dramatische Plauderei in 1 Akt von O.Blumenthal , und 2) „Liebes-Manöver” , Lustspiel in 3 Akten von C.Kraatz und Frhrn. v. Schlicht . –

Einem schönen Zweck war der Ertrag der Vorstellung gewidmet: Zum Besten des unter dem Allerhöchsten Protektorat Ihrer Majestät der Kaiserin Alexandra Feodorowna errichteten Depots für die Krieger im Fernen Osten – und weihevoll wurde der Theaterabend durch einen von Direktor Ph.Bock gedichteten und gesprochenen Prolog eingeleitet. Sonnige Zeiten des Friedens waren es – so führte der Prolog aus – so oft Jahr für Jahr die deutsche Kunst in das Alexandra-Theater einzog. Nun sind ernste, sehr ernste Zeiten angebrochen. Die Palme des Friedens senkt sich trauernd, und im Fernen Osten zieht sich drohendes Gewölk zusammen. Schon ist das Gewitter ausgebrochen. Blitze zucken unheilbringend hervor, der Donner der Geschütze rollt drohend in der Ferne. Bangend um das Schicksal der braven Kämpfer, die – oft ihr Liebstes, ihr trautes Heim zurücklassend – hinausgeeilt sind, um an der äußersten Ostmark in patriotischer Begeisterung für Thron und Vaterland die Abwehr zu stellen. Wir, die Zurückbleibenden, haben nur heiße Wünsche ihnen nachzusenden, und inniges Flehen um Segen für den Sieg der gerechten Sache. . . Da regt es sich aber mächtig in den Herzen aller in der Heimat sehnend Harrenden: der Arme bringt sein kleines Scherflein dar, Hunderte, Tausende schließen sich an, der Reiche spendet seine Schätze, und lawinenartig schwillt die Masse der Spenden an . . . Hohe, edle Frauen stellen sich an die Spitze der Wohltätigkeit; fleißige Hände – feine, aristokratische Hände – regen sich, zu einfacher Handarbeit, in eifriger Fürsorge für die Kämpfer im Fernen Osten. Ihnen, den auf dem fernen Kriegsschauplatz Weilenden, gelten alle Gedanken, alle Opfer an Gut und Mühewaltung. Diesem schönen, edlen Zweck war der Ertrag der heutigen Vorstellung des deutschen Gesamtgastspiels gewidmet . . .

Hohe Herrschaften waren im Theater anwesend. Das Publikum verlangte stürmisch die Nationalhymne. Die Klänge des weihevollen Gesanges ertönten. Der Vorhang ging auf und die Truppe in ihrem ganzen Bestande sang die Nationalhymne, die dreimal wiederholt wurde.

Das erste Stück des Abends brachte Oskar Blumenthals feinsinnigen, poetischen Einakter, der das melancholische Thema „Wann wir altern” in melodischer Verssprache und zarten, tiefabgetönten Nüancen behandelt. Sinnig variiert und wunderbar von den Darstellern vorgetragen werden die wehmutsvollen Betrachtungen über das leise Nahen des Alters. Das Schwermütige des Motivs wird aber durch das kokette, graziöse Milieu im Stile des XVIII.Jahrhunderts gemildert. Reifrock und gepudertes Haar, gefällige farbenfreudige Kostüme bringen Lächeln in den Ernst der Stimmung. Lotte Witt als Comtesse Blandine hat alle Mühe ihr armes Herzchen zu wahren, das zwischen der Liebe zu dem jugendschönen de Rieux (Hermann Böttcher) und der Freundschaft zu dem alternden, väterlichen Freund (Adolf Klein) kämpft. Aber die Jugend ist grausam. Sie kennt nicht die stillen Leiden des langsamen Alterns. Und in egoistischer Lebensfreude und berechtigtem Liebesglück hat es nur Mitleid, kränkendes Mitleid mit dem, was nicht mit ihnen jung sein kann. Resignation – ist das einzige, was dem Alternden bleibt. Es braucht wohl nicht mehr ein weiteres Mal hervorgehoben zu werden, daß auch hier unsere Eliteschauspieler auf der Höhe der Situation waren: Lotte Witt, mit dem sanft-schmeichelnden weichen Tonfall ihrer Stimme fügte sich wunderbar in die melancholische, poetische Stimmung der Dichtung, und Adolf Klein brachte in seiner prachtvoll abgeklärten Sprechweise die feinsten Pointen zu tiefgehender Wirkung. –

Nun kommen wir – mit einigem Zögern – an die Besprechung des „großen” Stückes des Abends. Es ist das längere Stück, kann aber, beim besten Willen, nur die kürzere Kritik beanspruchen. –

Was ist das, C.Kraatz' und v.Schlichts „Liebes-Manöver”? Sind alle Geister des alten, abgestandenen Leutnants- und Backfisch-Lustspiels im XX.Jahrhundert wieder auferstanden? – Moser, Schönthan und tutti quanti . . . „Ein aufgewärmter Moser”, so faßte in einem Zwischenakt ein bekannter Liederkomponist sein Urteil über das Stück zusammen. Selbst auf die Gefahr hin, einen schlechten Kalauer zu leisten, müssen wir ihm beistimmen und, mit Änderung eines Buchstabens, das Urteil nachsprechen: „wie aufgewärmter Mosel!” – Wirklich, es schmeckte fade, wie – horribile gustu – gewärmter Moselwein . . . Das Stück wimmelt von Anlehnungen: von dem Oberst v.Velsen, den Leutnants, Kadetten, Backfischen und Salondamen bis zu den Soldaten und Offiziersburschen abwärts, den ganzen Theaterzettel herunter – nichts, wie Altbekanntes, dutzendemal gehörtes, Gesehenes, Wiedergekäutes . . . Selbst das angebliche neue Mittel des alten Majors (Georg Engels) im Schlußakt – ist eine französische Entlehnung. Einen einzigen Trost und eine einzige Freude bietet das Stück: es wird vortrefflich gespielt. Lotte Witt, Ludwig Stahl, Margarethe Otto-Körner, Hermann Böttcher, Stefanie Kriß, Trude Lobe (als Kadett) etc. bilden ein so schönes Ensemble, daß man denen im Publikum, die sich trotz allem bei diesem Stück amüsierten, diese Sünde gegen die heilige Kunst gern verzeihen kann . . .


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St.Petersburger Zeitung vom 11.(24.) 10.1904
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St.Petersburger Zeitung vom 13.(26.) 10.1904
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St.Petersburger Zeitung vom 14.(27.) 10.1904

„Das Liebesmanöver”

Lustspiel in 3 Akten

von

Curt Kraatz und Freiherr von Schlicht

 

Aufführung im Deutschen Theater im Saal der „Palme” unter der Leitung von Herrn v.Bastineller am 14.(27.) Oktober 1904


Besetzungsliste:

 14.10.1904

von Velsen, Oberst eines Infanterie-Regimentes
Katharina, seine Frau
Elli, seine Tochter
von Velsen, Major a.D.
Leontine von Breitenbach
Cäcilie, ihre Tante
Ernst von Winterstein, Oberleutnant
Curt von Winterstein, Kadett
Exzellenz von Koßwitz
Dr. Erich von Osten
Schröder, Bursche bei Oberst von Velsen
Kapellmeister
Ordonnanz
Erster Soldat
Zweiter Soldat
Dritter Soldat
Spielleitung:

Herr Martienssen
Frl. Genell
Frl. Sanden
Herr Dir. v.Bastineller
Frl. Sesulka
Frl. Nitschke
Herr Schulz-Wilmersdorf
Herr Lux
Herr Krall
Herr Fischer
Herr Jung

Herr Helms



Herr Dir. v.Bastineller


Die Besprechung der Aufführung im Deutschen Theater erschien am 17.(30.) Oktober 1904 in der St.Petersburger Zeitung:

Deutsches Theater im Saal der „Palme” (Direktion Emil v.Bastineller). Am 14.Oktober: „ Liebesmanöver ”, Lustspiel in 3 Akten von C. Kraatz und Freiherr v. Schlicht . –
Die Bezeichnung „neuestes Lustspiel”, die sich auf dem Theaterzettel findet, ist nicht absolut zu nehmen: es ist nur das neueste Stück der Verfasser des gelungenen Lustspiels „Im bunten Rock”. Sonst ist für uns nichts mehr neu, da wir es am Ende der vorigen Theatersaison im Ensemble des Herrn Ph.Bock erlebt haben, und originell ist es wahrhaftig auch nicht. Den männlich-ernsten Leutnant kennen wir noch aus „Krieg im Frieden” als Gegenstück zu dem Leutnantsgigerl Reiff-Reifflingen; der Lustspielbackfisch, den wir hier als Elli v.Velsen kennen lernen, ist uns schon in ein paar Dutzend deutscher Lustspiele begegnet; den kindlich-naiven Kadett, eine männliche Version des Backfischtypus, glauben wir auch schon in „Militärfromm” gesehen zu haben. Die Salondame des Lustspiels ist eine stereotype Figur und heißt bei den Herren Kraatz und v.Schlicht – Leontine v.Breitenbach. Man kann den ganzen Theaterzettel durchgehen, ohne auf eine einzige originelle Figur, ohne auf einen einzigen originellen Gedanken, eine neue Situation, eine noch nicht dagewesene komische Kombination zu stoßen. Weder die klatschsüchtige alte Junger „Käkilie” ist eine neue Erscheinung, noch der zerstreute junge Gelehrte Dr. Erich v.Osten, noch der Oberst, noch der martialisch-derbe Major a.D., noch der Offiziersbursche und alles, was den bunten Rock trägt – die tausend und erste Wiederholung tausendmal gesehener, gespielter und gehörter Bühnenfiguren, -situationen und -witzworte. Wozu die Wiederholung, besonders nachdem wir dasselbe Lustspiel in der Darstellung des Bockschen Eliteensembles auf einer Bühne mit allen erforderlichen Dekorationen und Akzessoirs erst vor gar nicht langer Zeit gesehen haben? Selbst, wenn man von einem Vergleich mit dem deutschen Gesamtgastspiel im Alexandra-Theater absieht, konnte die Aufführung der „Liebesmanöver” im Theater der „Palme” – ganz absolut genommen – nicht genügen. Die Rollen waren schlecht memoriert; im Ensemble haperte es infolgedessen auf Schritt und Tritt; jeder mußte sich seine Worte mühsam vom Souffleur ausbitten und wußte meist nicht – das merkte man an der willkürlichen Betonung der Textworte –, wenn er einen Satz sprach, was er im nächsten Satz sagen werde. Unter solchen Umständen konnte von einem Spiel nicht die Rede sein. Man „schwamm” meistens, und nicht sehr geschickt, über den Rollentext hinüber. Das vollkommen unmotivierte Bestreben, möglichst viel zu bieten – an allen Spieltagen der Woche etwas Neues – hat sich am Ensemble des Herrn v.Bastineller gerächt und nicht den wohl beabsichtigten Effekt gebracht: denn das Haus war fast ganz leer. Drei Dutzend Menschen im Zuschauerraum sind ein schlechter Resonanzboden für das Spiel auf der Bühne, das übrigens auch diesesmal eines regeren Besuches nicht wert war. Wir wollen daher schonend die Namen der Mitwirkenden in diesem Stück verschweigen.


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© Karlheinz Everts