Frauenlist.

Humoreske von Paul Bliß.
in: „Lienzer Zeitung” vom 07.07.1900


Sie waren nun bereits ein halbes Jahr verheiratet und noch nicht einmal war es vorgekommen, daß er allein hatte frühstücken müssen, immer war sein Frauchen so weit mit der Toilette fix und fertig gewesen, daß sie den Tisch decken und dem Gatten alles mundgerecht und bequem machen konnte, &mdash, und heute nun saß er zum erstenmal einsam und allein am Frühstückstisch, den ihm das Dienstmädchen gar nicht zu Dank gedeckt hatte.

„Komm', Elschen,” bat der verlassene Gatte, indem er den Kopf zum Schlafzimmer hineinsteckte, „komm, Frauchen, steh doch auf und mach Dich schnell fertig; es schmeckt mir noch einmal so gut, wenn Du mir servierst.”

Das Frauchen aber zog die Decke nur noch höher und antwortete mit matter Stimme: „Es geht wirklich nicht, Fritz, ich bin so müde, daß ich mich nicht aufrecht halten kann.”

Kleinlaut ging der Gatte zurück ins Speisezimmer und aß mißmutig sein Frühstück.

Nach zehn Minuten kam er wieder ins Schlafzimmer. „Ich geh' nun ins Bureau, — also gute Besserung!”

Mit matter Stimme dankte sie und reichte ihm die Hand hin, die er zärtlich küßte.

„Soll ich nicht doch lieber zum Arzt gehen, Schatz?”

Lächelnd beruhigte sie ihn: „Aber nein, es wird auch so vorübergehen, laß nur, wenn ich nur ruhen kann.”

Er küßte sie noch einmal, dann ging er.

Während des Vormittags kam ihm verschiedene Male der Gedanke, ob sein Frauchen nicht ernstlich erkranken könne, und ob es nicht doch besser wäre, gleich zum Arzt zu gehen. Aber die Geschäfte nahmen ihn derart in Anspruch, daß er zum vielen Grübeln gar keine Zeit behielt.

Als er gegen Mittag heim kam, war das Frauchen zwar aufgestanden, lag aber matt und schwach auf der Chaiselongue ausgestreckt. „Nun, Liebchen, noch nicht besser?” fragte er und streichelte zärtlich über ihr seidenweiches Haar.

„Leider nein,” erwiderte sie mit schwachem Lächeln.

„Na, nur nicht gleich verzagen, Schatz! Es wird schon wieder besser werden; ruh' Dich nur ein paar Tage recht gründlich aus, dann wird's schon wieder gut werden.”

Der Tisch war gedeckt und sie setzten sich zum Mittagessen nieder.

„Du mußt schon entschuldigen, Männchen,” bat sie leise, „das Mädchen hat gekocht; ich war so schwach, daß ich wirklich beim besten Willen nicht an dem heißen Herd stehen konnte.”

Er bekam einen heimlichen Schreck, denn er kannte die Kochkunst des Dienstmädchens, aber er nahm sich zusammen, um das Frauchen nicht zu ärgern. Und so aß er die Mahlzeit tapfer hinunter, obgleich alle Speisen miserabel schmeckten.

Frau Else beobachtete ihn genau in aller Heimlichkeit, und sie merkte zu ihrer Zufriedenheit seine versteckte Unbehaglichkeit.

Nach Tisch ging er wieder ins Bureau, doch als er abends heim kam, fand er das Frauchen wieder schlaff und matt auf der Chaiselongue liegen, und auch die Abendmahlzeit war von dem Mädchen zubereitet worden.

Und so ging das nun eine ganze Woche hindurch weiter, — früh, wenn er fortging, mußte Frauchen vor Mattigkeit noch liegen bleiben, so daß er gezwungen war, allein am einsamen Frühstückstisch zu sitzen, — mittags, wenn er wiederkam, hatte das Mädchen gekocht, — und abends war Frauchen auch noch so matt, daß wieder das Mädchen heran mußte, oder daß er sich mit kalter Kost begnügen mußte.

Als dies acht Tage so gegangen war, sah er ein, daß es so nicht weiter gehen konnte, und nun nahm er sich vor, ein ernsthaftes Wort mit dem Frauchen zu reden. Der nächste Tag war Sonntag, da brauchte er nicht ins Geschäft zu gehen, und da hatte er Zeit und Muße genug, dem kleinen Frauchen einmal ernsthaft ins Gewissen zu reden.

Mit diesem Vorsatz hatte er sich zur Ruhe gelegt; wie groß aber war sein Erstaunen, als er am nächsten Morgen erwachte und das Frauchen bereits vor ihm aufgestanden war.

„Nun, hat mein Herr Gemahl endlich ausgeruht?” klang ihre helle Stimme vom Frühstückstisch herüber.

Sprachlos vor freudigem Erstaunen kam er näher.

„Aber, Elschen, mein Liebling, — ich denke, Du bist so matt?”

„Es geht mir heute ein wenig besser, und deshalb wollte ich Dir mal einen frohen Sonntag bereiten.”

Er war glückselig, umfaßte und küßte sie, und hatte schon alle die sieben mageren Tage wieder vergessen.

Aber dieser Sonntag brachte ihm noch einige Ueberraschungen. Nicht nur, daß Frau Elschen nicht wieder matt wurde, nein, heute bereitete sie selber sogar das Mittagessen, und kochte noch dazu nur alle diejenigen Gerichte, die ihr Männchen so gern aß.

Er schwamm in einem Meer von Wonne und Glückseligkeit, und herzte und küßte das Frauchen, als ob sie erst einen Tag verheiratet wären. — Nach Tisch machte Frau Else den Vorschlag zu einer kleinen Landpartie.

Mit tausend Freuden stimmte er natürlich zu, und so fuhren sie beide hinaus in das junge Grün des beginnenden Sommers.

Und draußen im grünen Wald, unter einer breitästigen Linde, saßen sie dann beim Kaffee und plauderten heiter und sorglos von allen möglichen Dingen und herzten sich und scherzten, wie zwei ganz junge Liebesleute.

Dann bekam er die Erlaubnis, sich eine gute Cigarre anrauchen zu dürfen und als er dies gethan, lehnte er sich behaglich zurück und dachte in völliger Zufriedenheit darüber nach, wie schön und gut doch alles in dieser besten aller Welten eingerichtet war.

Frau Else hatte ihn immer ganz genau beobachtet und als sie ihn jetzt so glückselig, zufrieden lächelnd, dasitzen sah, hielt sie den rechten Zeitpunkt für gekommen und begann ihren sorgsam vorbereiteten Coup nun zur Ausführung zu bringen.

„Weißt Du, Männchen,” begann sie mit zärtlicher Stimme, „was ich wohl möchte?”

„Du hast einen Wunsch, mein Schatz? Nur heraus damit, er ist im voraus schon gewährt!”

„Na, na, überleg' Dir's nur erst genau,” sgate sie lächelnd.

„Er ist gewährt!” beharrte er, „denn ich weiß ja, daß meine kleine Frau nichts Unbilliges verlangen wird.”

„Nun denn, Mänchen, ich möchte gar zu gern eine Sommerreise machen.”

Bestürzt sah er sie an, legte die Cigarre fort und fragte erstaunt: „Eine Sommerreise?”

Lächelnd nickte sie. „Du weißt doch, wie matt und schwach ich während der ganzen letzten Woche war! So eine kleine Erholungsreise thut mir wirklich sehr not.”

Bedenklich schüttelte er den Kopf. „Ja, ja, — aber so eine Reise kostet Geld, mein Kind.”

„Dann leben wir eben ein bischen sparsamer.”

„Und dann bedenke mal die vielen Unbequemlichkeiten, die man sich solcher Reise wegen auferlegen muß, — schlechte Zimmer, harte Betten, und dann diese Wirtshauskost — o, ich kenne das alles! — während wir hier zu Hause doch alles nett, bequem und gemütlich haben.”

Frau Else verzog den Mund und sagte mit leichtem Vorwurf: „Aber bedenkst Du denn gar nicht meinen Zustand! Ich bin doch so nervös, daß mir eine erholung dringend not thut!”

Und lächelnd erwiderte er: „Ach, Schatz, das geht ja such so wieder vorüber, — nervös sind mehr oder minder heute ja alle Menschen, — und wenn Du nur in wenig Energie hast, dann kannst Du Dir allein am allerbesten helfen, denn solche Leiden sind doch meist nur eingebildet.&rdquo

Aber da hatte er nun etwas Schönes angerichtet!

Frau Else sah ihn mit funkelnden Augen an und sagte mit zitternder Stimme: „Eingebildet nennst Du mein Leiden? Du bist ja wirklich sehr rücksichtsvoll, das muß man sagen! — aber glaube nur ja nicht, daß ich Dich nicht kenne! Sehr genau kenne ich Dich sogar! Du bist ein Egoist! Jawohl, das bist Du! An Dich allein denkst Du nur, damit Du nur ja nicht um Deine Bequemlichkeiten kommst, das ist Deine ganze Sorge; aber ob ich an meinem Leiden elend zu Grunde gehe, darnach fragst Du keinen Augenblick!” Sie preßte ihr Tuch ans Gesicht und schluchzte heftig.

Und mit liebevollen Worten sprach er nun auf sie ein, sie zu trösten; aber da war alles umsonst: sie war erzürnt, war tief verletzt und unversöhnlich. Der schöne Tag nahm ein schlechtes Ende.

Endlich erklärte sie sehr energisch. „Bitte, laß uns nach Hause fahren, mein Kopfschmerz beginnt wieder, ich muß mich niederlegen.”

Resigniert gehorchte er.

Es war eine sehr stille Fahrt. Sie lehnte in der einen Ecke, hielt die Augen dicht zu und sprach kein Wort. Er lehnte in der anderen Ecke, und da sie seine Annäherungs­versuche sehr entschieden abgelehnt hatte, saß er nun auch schweigend da und hing seinen Gedanken nach. Nicht einmal rauchen durfte er mehr! Das greife sie zu sehr an, hatte sie geklagt.

Und so nahm der Sonntag, der so schön und hoffnungsreich begonnen hatte, wirklich ein sehr trauriges Ende.

Aber es sollte noch viel schlimmer werden!

Als der Gatte am nächsten Morgen aufstand, fühlte Frau Else sich schwächer denn je, und so mußte der geprüfte Mann wieder allein frühstücken, und als er mittags nach Hause kam, hatte das Dienstmädchen wieder gekocht und die Hausfrau ließ sich auch an der Mittagstafel nicht blicken; am Abend wiederholte sich dasselbe.

Und so ging es nun fünf Tage hintereinander mit derselben eintönigen Gleichmäßigkeit weiter.

Lächelnd ertrug der Mann alles, — er hatte ja die List seiner kleinen Frau längst durchschaut, und da er sehr bald einsah, daß aus diesem Kampf Frau Else doch als Siegerin hervorgehen würde, hatte er sich heimlich ja längst damit abgefunden, daß man in acht Tagen die geplante Reise antreten würde, — aber er wollte doch der Wissenschaft wegen einmal abwarten, wie weit ihre Verstellungskünste wohl ausreichen würden.

Und so ertrug er dies halbe Junggesellenleben eine ganze Woche hindurch, ohne sich auch nur mit einer Miene zu verraten.

Da, am achten Tage, aber spielte Frau Else ihren letzten Trumpf aus: ihre Mama kam ein paar Tage auf Besuch!

Nun lachte der junge Ehegatte aber doch, und voll Zufriedenheit sagte er sich: ich bin stärker als mein Frauchen! Denn sie hält sich für zu schwach, um allein mich besiegen zu können, deshalb holt sie sich Beistand! Das gab ihm nun das Bewußtsein seiner Hausherrnwürde wieder und deshalb erklärte er mit der Miene eines Fürsten, der ein Gnadengesuch genehmigt: „Es hätte all dieser Anstrengungen gar nicht bedurft! Selbstverständlich reisen wir, und zwar übermorgen schon!”

Und da fiel Frau Else ihm um den Hals und sagte kein Wort mehr von ihrem Leiden.

— — —