Besetzungsliste: | |
von Velsen, Oberst eines Infanterie-Regimentes
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Oskar Maximilian |
„Rostocker Anzeiger” vom 1.Nov.1903:
Stadt-Theater.
F. R. Liebes- Manöver, Lustspiel in 3 Akten von Kurt Kraatz und Freiherrn von Schlicht. Spielleitung: Oberspielleiter Karl Friedau.
Der bekannte Freiherr von Schlicht, richtig Graf Wolf Baudissin, hat sich mit Kurt Kraatz assoziert um ein Lustspiel zu schreiben, es ist aber ein Schwank daraus geworden, ein Schwank mit allen Militär-Requisiten aus der Regimentskammer des verstorbenen Gustav von Moser. Trotzdem enthält das Stück einen recht hübschen neuen Gedanken, dessen Träger der verabschiedete Major von Velsen ist, der von Herrn Friedau sehr humorvoll, wenn auch ein bischen drastisch dargestellt wurde.Dieser pensionierte Militär vertritt den Gedanken, daß der Offizier erst dann am glücklichsten ist, wenn er den Abschied genommen habe, um irgendwo in einem stillen Winkel seine Pension ruhig zu genießen. Dieser gute alte Major, der von allen Liebespaaren in ihren Nöten als Helfer angerufen wird, der im Hause seines Bruders, des Obersten, alle Bowlen vorkosten muß, was er mit solcher Hingabe besorgt, daß mindestens der erste Kessel voll leer wird, dieser alte Major täuscht sich doch gründlich, als er seinen Bruder und seine Schwägerin mit etwas gewagten Experimenten auf den bevorstehenden Abschied vorbereitet. Es hatte sich nämlich der kommandierende General unerwartet zu einer Besichtigung angemeldet, gerade zu der Zeit, wo das Regiment eine große Anzahl Reserve-Offiziere eingezogen hatte. Einer davon, der Assyriologe Dr. v. Osten, der ein stilles Liebesverhältnis mit des Obersten Tochter Elli unterhält, ist als Soldat von geradezu unglaublicher Unfähigkeit. Er begeht während der Besichtigung die größten Dummheiten, sodaß das Regiment in Unordnung gerät wie eine Hammelherde. Der General flucht und wettert auf dem Exerzierplatz und der Oberst ist aufs tiefste erschüttert, bewahrt aber seine Ruhe, und sein Bruder, der Major a. D., läuft nach Hause, um die Kommandeuse vorsichtig auf das Unglück aufmerksam zu machen. Als dies schon geschehen ist, als sich die beiden in dem Gedanken gefunden haben, Abschied von dem schönen Militärleben zu nehmen, erscheint der General selbst, um vor seiner Abreise den Obersten und seine Gattin noch einmal zu begrüßen. Er plaudert zunächst mit dem Major und schwelgt mit ihm in Erinnerungen an die vergangenen schönen Leutnantsjahre, wobei man auch darauf zu sprechen kommt, daß der Fehler eines Untergebenen ganz unrechtmäßig dem Vorgesetzten in die Schuhe geschoben werde. Da nimmt der General Gelegenheit, darauf hinzuweisen, wie auch in anderer Beziehung die Dummheiten der Untergebenen auf den Vorgesetzten wirken können, so habe z. B. die Dummheit des Reserveoffiziers dem General heute Morgen gezeigt, ein wie ausgezeichneter Offizier der Oberst sei, denn so schnell und geschickt habe er das Regiment wieder in die Hand bekommen, daß er sich nur freuen würde, den jetzigen Regimentskommandeur im nächsten Jahre bei der Führung der Brigade kennen zu lernen.
Mit diesem Urteil kehrt eitel Freude in die Obersten-Familie ein und die verschiedenen Verlobungen finden nach Ueberwindung aller kleinen Hindernisse statt. Eine sehr nette, allerdings auch nicht mehr neue Figur ist der kleine Kadett v. Winterstein, denn Elly Arendt unter dem allgemeinen Beifall des Publikums mit der ganzen Lustigkeit, womit die Autoren diese Rolle ausgestattet haben, zur Darstellung brachte.
Die Ausführung ließ nichts zu wünschen übrig. Herr Friedau, der das Stück geschickt und sachgemäß in Szene gesetzt, lieh dem Major v. Velsen die ganze derbe Gutmütigkeit, die solche Lustspiel-Figuren traditionell an sich haben. Herr Maximilian war ein prächtiger Oberst, voll Würde und Vornehmheit, und Rosa Woytasch stand ihm als brave Kommandeuse zur Seite, auch Fräulein Kahlenberg war eine liebenswürdige und reizende verliebte höhere Tochter, indes Therese Kosseg die Leontine als gewandte, gesellschaftlich versierte Salondame gab, den Adjutanten des Obersten, der schließlich durch alle Fährlichleiten Bräutigam der schönen Leontine wird, spielte Herr Emil Janson ansprechend und mit der ruhigen Festigkeit, die man an einem Regiments-Adjutanten wünscht, freilich will man auch für ihn sehr viel Geschmeidigkeit und Liebenswürdigkeit, Eigenschaften, an denen es der Künstler etwas fehlen ließ. Geradezu vorzüglich war Herr Kron, als der unglückliche Reserve-Offizier, er zeigte sich da von einer ganz anderen Seite und man kann wohl sagen, nicht von seiner schlechtesten. Franziska Wolbring und Bernhard Förster wurden ihren kleinen Rollen in jeder Beziehung gerecht und so darf man den Abend als einen Erfolg für das Rostocker Theater bezeichnen.
„Rostocker Zeitung” vom 30.Okt. 1903:
Stadttheater. Aus dem Theaterbureau wird uns geschrieben: Morgen Freitag gelangt zum ersten Male die Novität „Liebes-Manöver”, Lustspiel in 3 Akten von Kurt Kraatz und Frhr. v. Schlicht, zur Aufführung. Die beiden Autoren haben mit diesem ihrem neuesten Werke bei dessen Uraufführung in Köln — nach vorliegenden Berichten der Kölner Tageszeitungen — einen glänzenden, durchschlagenden Erfolg erstritten. So schrieb z. B. das „Köln. Tgbl.”: Das Stück übertraf in seiner Wirkung wohl die höchstgespannten Erwartungen der Direktion, wie der Autoren, und schon nach dem ersten Akte erging sich das Publikum in Beifallskundgebungen und Hervorrufen, daß es dem Theaterkenner schier angst und bange werden konnte um die zwei anderen Aufzüge. Aber auch nach dem zweiten Akte mußten die Autoren auf der Bühne erscheinen und unendlichen Applaus sowie einen Lorbeerkranz in Empfang nehmen, und als der Vorhang zum letzten Male niederging, da erneuerten sich die Ovationen in gleichem Maße.
„Rostocker Zeitung” vom 1. Nov. 1903:
Rostocker Stadt-Theater.
„Liebesmanöver”, Lustspiel in drei Akten
von Kurt Kraatz und Frhrn. v. Schlicht.
Es ist bei den neuen Lustspiel-Autoren noch genau so, wie es bei dem alten — nun „weiland” — Gustav von Moser war: die Herren vom Militär sind die Götterknaben, der Zivilmensch, der nur im Nebenberufe mal Soldat spielt, ist Hanswurst. Er begeht, mag er sonst auch noch so gut erzogen sein, im Salon die ergötzlichsten Albernheiten und ist von verblüffendster Schüchternheit, trägt selbstverständlich eine Brille und gehört in der Regel dem Gelehrtenberufe an. Früher war es oft ein Schulamts-Kandidat ode Studierender der Theologie, heute muß die lustige Zivilperson im Militärschwank moderner, aktueller sein. In den Tagen des Babel- und Bibelstreites ist, so sagen sich die Bühnendichter, nur ein Gelehrter, der in Assyrien oder sonst irgendwo Ausgrabungen veranstaltet, zeitgemäß. Und so schufen die Autoren der „Liebesmanöver”einen solchen „Mumienbuddler” in Gestalt des Dr. von Osten, der im Salon der Frau Oberst in unbeschreiblicher Verlegenheit Quasten von den schönen Sesseln abdreht, der sich als Reserveleutnant im Dienste schrecklich blamiert, gerade durch seine Dummheit aber das Glück des Herrn Oberst stiftet. Der Oberst erhält von der „besichtigenden” Exzellenz die beglückende Aussicht auf Beförderung, der Reserveleutnant nimmt mit Freuden seinen Abschied und — es ist kaum noch nötig das zu sagen: er führt die Tochter des Oberst als Braut heim.
Aber die Liebesmanöver? — Das sind die vielfältigen Mittel und Mühen, die vielfach verschlungenen Pfade, mit denen und auf denen die Liebespaare des Stückes mit Herz und Hand sich zusammenfinden. Da muß der vielgeprüfte Reserveleutnant notwendigerweise nicht seiner Herzensdame sondern einer Leontine von Breitenbach den Hof machen, damit einerseits sein Herzensbund mit der Oberstentochter nicht vorzeitig verraten wird, damit andererseits ein Konflikt zwischen der besagten Leontine und ihrem Zukünftigen, dem Oberleutnant von Winterstein entsteht. Und zu diesem Konflikt trägt eine klatschsüchtige Tante noch das Notwendige hinzu. Aber dieses und anderes, das die sogenannte Handlung der drei Akte ausmacht, ist nicht das eigentliche Gute und Löbliche an dem Stück, das im Großen und ganzen gerade keine starke Leistung seiner Autoren darstellt, das zum Teil mit recht ehrwürdig-alten Mitteln arbeitet und in seinem inneren Gewebe einige recht fadenscheinige Stellen aufweist. Die Wirkungskraft dieses Stückes, die sich gestern in manchen gelungenen Momenten in der heiter-behaglichen Stimmung des Publikums lebhaft dokumentierte, strömt im wesentlichen von zwei drolligen, mit kräftigem Humor aufgefaßten Figuren aus. Da ist ein urwüchsiger Major a. D., bei dem nach allem Donnerwetter gegen den Soldatenberuf, in dem er zu früh den Laufpaß erhielt, die feurige Liebe für die „Soldaterei” immer wieder zündend hervorbricht; und da ist zweitens eine, aus alten und ältesten Lustspielen, aus Witzblättern usw. zwar längst bekannte und jedem vertraute Figur: der naseweise Kadett, bei dem drollig-kindliches Wesen, Superklugheit und Wichtigkeit bunt durcheinander gemischt sind. Er is als Ueber-Blasierter „mit den Weibern schon fertig”, er schwärmt vom Windbeutel-Genuß und nascht vom Kuchenteller, er renommiert mit einem schneidigen Ritt und ist in Wahrheit höchst unglücklich in die große Trommel geritten, er — genug: er machte dem Publikum, das gegen die ältesten Bekannten in den Theaterstücken immer am dankbarsten ist, riesigen Spaß und entschied gemeinsam mit dem humorvollen Major den Heiterkeitserfolg des Stückes.
Auch der Darstellung sind nur in diesen beiden Rollen lohnende Aufgaben geboten. Frl. Arndt gab einen allerliebsten Kadetten; ein ihr eigener hübscher Humor, den sie schon in früheren Rollen bekundet hat, kam ihr trefflich zu statten. Herrn Friedaus Darstellung als Major a. D. v. Welsen war wieder von kräftigster, charakteristischer Lebendigkeit. Die anderen Rollen des Stückes sind zumeist matte, konventionelle Lustspielfiguren, bis auf einige komisch-groteske Züge, die den Unglücks-Leutnant der Reserve auszeichnen und die von Herr Kron drastisch veranschaulicht wurden. Frl. Kossegg fand sich mit der Leontiinen-Rolle geschickt ab, und Frl. Kahlenberg bemühte sich, einer von altersher bekannten Backfisch-Rolle einige frische Züge zu geben. Frl. Kahlenberg muß übrigens auf der Hut sein vor kleinen Maniriertheiten, die sie sich namentlich im Mienenspiel anzugewöhnen scheint. Herr Janson gab ganz brav, nur etwas gar zu zurückhaltend den Oberleutnant v. Winterstein.
Sch.
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© Karlheinz Everts