Besetzungsliste: | |
von Velsen, Oberst eines Infanterie-Regimentes
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Franz Jacobi |
Hessische Post 7.12.1903 |
Hessische Post 9.12.1903 |
Hessische Post 17.12.1903 |
Hessische Post 23.12.1903 |
Hessische Post 30.12.1903 |
Hessische Post 15.1.1904 |
Hessische Post 20.2.1904 |
Hessische Post 13.3.1904 |
Hessische Post 31.5.1904 |
„Hessische Post” vom 9. Dezember 1903:
Cassel, 8. Dezbr. 1903.
Einen höchst unverdienten Erfolg erzielte gestern Abend der mit kaum glaublicher Anmaßung als „Lustspiel” bezeichnete Schwank „Liebes-Manöver” von Kurt Kraatz und Freiherrn von Schlicht. Das ganze ist eine überaus schwache Aufwärmung der von Moser, Schönthan und den Autoren selbst bis zum Uebermaß schon bearbeiteten militärischen Späße, die schließlich nur noch wirksam bleiben, weil in jedem und in jeder guten Deutschen immer so viel Soldat steckt, daß es stets Freude macht, unsere lieben Leutnants auf de Bühne zu bewundern, sei es auch in den unmöglichsten Situationen.
Bei dem gestrigen Stück handelt es sich um die Tatsache, daß der höhere Offizier oftmals unschuldig in die Pensionierung hineingedrängt wird durch die Dummheiten, die seine Untergebenen machen und für die er verantwortlich ist. Diese Gefahr schwebt auch über dem Haupte des Obersten von Velsen, der schon Zylinderhut und Regenschirm von weitem winken sieht, weil bei einer Besichtigung durch den kommandierenden General der Reserveleutnant Dr. von Osten die ganze Uebung umgeschmissen hat, — sie geht aber glücklich vorüber und der Oberst bewährt sich gerade bei der Auswetzung der Scharte als vortrefflicher Führer, dem der Exzellenztitel nun nicht ausbleiben kann. Die Liebesmanöver, denen das Stück seinen Namen verdankt, spielen eine mehr untergeordnete Rolle und werden abgehalten im Hause des Obersten zwischen dessen Tochter und dem als Soldat höchst unglücklichen Dr. v. Osten, und der großstädtischen Nichte der Oberstenfamilie, Leontine von Breitenbach und dem mit Edelmut dreimal abgebrühten Regimentsadjutanten Ernst von Winterstein. Auch die bei diesen Manövern vorkommenden Situationen sind alle schon recht alt und abgegriffen, ebenso wie die sämtlichen handelnden Figuren mit wenigen Ausnahmen. Auch kommen in dem Stück Sachen vor, die selbst dem hamrlosesten Zivilisten sofort als faustdicke Unmöglichkeiten erscheinen müssen. Ich bin zwar selbst kein Soldat gewesen, kann mir aber nicht denken, daß bei einem preußischen Regimente der Regimentsadjutant die Conduiten der Offiziere und vor allem seine eigne in der Brieftasche spazieren trägt und jungen Damen zur gefälligen Kenntnisnahme zur Verfügung stellt. Ebenso unmöglich erscheint es mir, daß ein Reserveoffizier und sei er ein noch so harmloser Mensch und Soldat, es wagen wird, sich bei seinem Obersten im Frack zu melden und dann ohne weitere Einladung dazubleiben, um dem Obersten zum Geburtstage zu gratulieren, selbst wenn er ihn schon von früher aus dem Seebade kennen sollte. Aehnliche, an die Urteilslosigkeit der Zuschauer ebenso große Anforderungen stellende Situationen sind noch mehr in dem Machwerke enthalten.
Eine wirklich gute Figur ist in dem Stücke enthalten, das ist der pensionierte Major von Velsen, eine Spezialfigur aus den Schlicht'schen Romanen, der seine frühe und seiner Meinung nach unverdiente Pensionierung mit gutem, etwas rauhem Humor erträgt, und dessen vortreffliches Herz sich unter der rauhen Schale nur schwer zu verbergen vermag. Aus diesem Prachtkerl machte denn auch Herr Jürgensen eine feine Charakterstudie. Auf die Kosten dieses Majors kam denn wohl auch ein guter Teil des Erfolges, der allerdings in erster Linie durch die vortreffliche Darstellung des frischen und frechen, verliebten und gefräßigen Kadetten Curt von Winterstein durch Fräulein Hannewald bedingt wurde.
Das Oberstenpaar wurde durch Herrn Jacobi und Fräulein Pichon würdevoll vertreten. Fräulein Berka fehlt für das moderne Lustspiel die Frische und der Humor, sie ist immer zu sehr Julia, oder Melitta. Herr Wolfram gewann der unglaublichen Figur des gelehrten Dr. von Osten soviel Humor wie möglich ab. Der Ernst von Winterstein des Herrn Kothe könnte viel mehr militärischen Schneid vertragen, so wie er jetzt ist, ist er zu sehr der edelmütige und schmachtende Liebhaber. Auch Fräulein Ellmenreich als Leontine könnte den selbständigen Zug im Charakter Leontinens mehr hervortreten lassen.
Die klatschsüchtige Tante Cäcilie und der General von Koßwitz lagen bei Frau v. Mills-Milarta und Herrn Hellbach in guten Händen.
Wie schon am Eingang bemerkt wurde, hatte das Stück trotz seiner Minderwertigkeit einen starken Heiterkeitserfolg.
-l-r.
„Casseler Tageblatt und Anzeiger” vom 8. Dezember 1903 (Morgenblatt):
Königliche Schauspiele. Das neue Lustspiel von Curt Kraatz und Freiherr v. Schlicht „Liebesmanöver” erzielte bei seiner gestrigen hiesigen Erstaufführung, dank der vortrefflichen Darstellung, einen starken Heiterkeitserfolg. Eine eingehende Besprechung des Stückes folgt im heutigen Abendblatt.
„Casseler Tageblatt und Anzeiger” vom 8. Dezember 1903 (Abendblatt):
Cassel, 8. Dezember. Das Repertoire unseres königlichen Theaters ist um ein Stück bereichert worden, das zum Amüsement eines hochverehrlichen Publikums geschrieben ist. Es nennt sich „Liebes-Manöver” und seine Autoren sind Curt Kraatz und Freiherr von Schlicht, eine Doppelfirma, welche anfängt, sich als Konkurrenz der Herren Blumenthal und Kadelburg ein Renommé zu erwerben. Man kennt den Grafen Baudissin, der sich unter dem Pseudonym Frhr. von Schlicht verbirgt, als einen Schriftsteller, der auf dem Gebiete der Militärhumoreske erfolgreich ist und sich manchmal satyrisch genug gibt, um in den Spalten des Simplizissimus zu Worte zu kommen. Seine Stoffe sind die militärischen Dinge, das Offiziers-, das Soldatenleben und der Gamaschendienst. Er kennt sie so gründlich, daß seine Satyren als wahr empfunden werden. Eine versteckte, sehr schüchterne, nur episodisch entwickelte Satyre liegt auch in dem Stück, das gestern seine hiesige Erstaufführung erlebte. Aber der Frhr. von Schlicht, der sich zuweilen dicht neben den bösen, bitterbösen Witzen des Simplizissimus ausnimmt, als ob er in die Gesellschaft gehöre, ist auf der Bühne ein ganz anderer. Er weiß, daß lachend die Wahrheit zu sagen, scharf und schroff zu sein, nur an wenig Stellen in die heutige Zeit paßt. Selbst in der Politik gibts keine derben Kürassierstiefel mehr, nur noch Lackschuhe, und die Geschicke der Nationen werden mit einem konventionellen Grübchenlächeln gelenkt. Ab und zu taucht einmal ein enfant terrible auf, das sich einen Augenblick recht ungebärdig benimmt, um mangels der nötigen Größe nach dem ewigen Gesetze der Schwere wie ein Bilse in der Erscheinungen Flucht ruhmlos zu versinken. Auch der Simplizissimus-Schlicht ist kein Molière geworden, der seiner Zeit den Spiegel vorhält und er will es auch nicht versuchen. Zwei Pärchen auf der Bühne zusammenzubringen, nach den Regeln der vorbilderreichen Kunst zu gefallen und die Gunst aller Guterzogenen sich zu erwerben, ist doch ein viel dankbareres und einträglicheres Geschäft. Nebenher lassen sich ja noch allerhand kleine Anspielungen als piquante Zugaben anbringen, aber der Kaviar soll um Gottes willen nicht die Hauptsache werden. Niemand soll mit verdorbenem Magen nach Hause gehen, niemand soll sich getroffen fühlen und wer nach der Komödie über schlechten Schlummer klagt, hat entschieden zu lange oder nicht lange genug im Nachtcafé gesessen. Schade um den Schlicht!
Allerdings hat er schon „Im bunten Rock” bewiesen, was wir von ihm auf dem Theater zu erwarten haben. Das alte Kapitel vom „Krieg im Frieden” dort und hier, Eroberungen des „Zweierlei Tuch” hier und dort. In dem neuen Stück: Zwei Mädchen, die mit Hindernissen lieben und diese beseitigen, indem sie die Gegner durch allerlei Manöver täuschen, die schon der Reihe nach von allen deutschen Schwankdichtern „neu” erfunden worden sind. Die Verliebten vertauschen einfach für einige Zeit den Angebeteten, die eine macht dem Herzallerliebsten der Anderen den Hof, und sie richten dadurch mancherlei Verwirrung und Vergnügen beim Publikum an, bis am Schluß des dritten Aktes sich alles klärt und Papa Oberst, die Frau Kommandeuse und der alte Onkel Major a. D. ihren Segen geben und höchstens noch eine klatschsüchtige alte Tante als einzig Unzufriedene übrig bleibt und sich unter Protest empfiehlt, was als guter Witz mit gebogenen Händen begrüßt wird. Um das Ganze zu beleben, giebts dann noch allerhand Extraüberraschungen. Blumenthal und Kadelburg machen den Erfolg mit Regengüssen, schwankenden Schiffsverdecken und schreiben eine Extrarolle für den Komiker, Kraatz und Schlicht führen mit weniger Glück als erste das table tennis ein, aber dafür entwerfen sie im „Bunten Rock” eine Bombenrolle für die erste Salonschlange und im „Liebesmanöver” eine Extra-Hosenrolle, in der sich die Naive austollen kann, daß es eine Art hat. Ein kleiner Kadett in den Liebesmanövern entscheidet tatsächlich den Erfolg der Aufführung. Die Komik einer Nebenrolle wird das Dominierende, wir vergessen darüber ganz den heiklen Stoff, den die Autoren so nebenher vorsichtig mit den Fingerspitzen berühren, den Stoff, aus dem die Satyre hätte geschnitzt werden können, die tausend Zufälligkeiten, die eine militärische Carrière entscheiden, das Thema vom Avancement und vom Abschiede des Offiziers, dessen Tüchtigkeit sich in der rosenroten Zeit des garantierten europäischen Gleichgewichts nicht vor dem Feinde erproben kann, sondern bei der Besichtigung entschieden wird. Das sind Dinge, die sich v. Schlicht für Blätter reserviert, die gelegentlich konfisziert werden. Auf dem Theater beglückt er uns mit Schwänken, die er frei nach berühmten Mustern mit der Marke „Lustspiele” versieht. Was die Hauptsache sein müßte und ein wirkliches Thema, eine Idee für ein allerdings satyrisches Lustspiel ergeben würde, behandelt er en bagatelle als Episode. So stellt er uns in den „Liebesmanövern” einen alten Major a. D. vor, der sich mit Leib und Seele noch als Soldat fühlt, aber für den Rest seines Lebens nicht mit der Tatsache fertig werden kann, daß irgendein unbedeutender Fehler eines Untergebenen ihn um die berühmte Ecke gebracht hat. Seinem Bruder, einem Obersten, prophezeit er genau dasselbe Schicksal, das wie ein Damoklesschwert über dem Haupte eines jeden Offiziers schwebe. Und richtig, die stets zu erwartende Dummheit eines Untergebenen wird in geeignetem Moment gemacht. Ein unglückseliger Leutnant der Reserve „schmeißt” bei einer unerwarteten Besichtigung durch Excellenz das Regimentsexerzieren. Aber o Wunder, was dem Major den Strick gedreht hat, wird für den Obersten, der sich für verloren hält, eine Stufenleiter im Avancement, Kann man sich einen besseren Vorwurf wünschen, als er in dieser zum Vorteil einer alltäglichen Liebesgeschichte bei Seite gedrückten Episode liegt?
Konventionell wie im übrigen die ganze Komödie, sind auch die Charaktere des Lustspiels. Wir begrüßen lauter alte gute Bekannte, die alle Autorengenerationen überleben und nur den Rock und die Perücke ändern. Der sieghafte Schwerenöter trägt diesmal Infanterieuniform, Herr Kothe gab den liebenswürdigen Helden der Pose und Phrase, den von der Geliebten ganz à la Veilchenfresser anfänglich verkannten guten Kerl recht schneidig und hatte in Fräulein Ellmenreich, welche als Leontine die übliche gewitzigte Großstädterin-Liebhaberin darstellte, eine gewandte Partnerin. Fräulein Berka, die im klassischen Repertoire tüchtige Talentproben gegeben hat, scheint sich im modernen Lustspiel nicht recht heimisch zu fühlen. Ihre Elli hatte in Form und Wesen etwas gezwungen Naives. Die Glanzrolle des Stückes vertrat diesmal Fräulein Hannewald und übte ihr Spaßmacheramt als Kadett v. Winterstein mit soviel ausgelassener Lustigkeit, sie pointierte so naiv drollig, daß Beifall bei offener Szene nichts Seltenes war. Herr Jürgensen hatte als Major a. D. v. Velsen eine gute Maske gewählt und machte aus dem redseligen polternden Major (Militärs a. D. poltern im Lustspiel immer), was daraus zu machen war. Herr Wolfram fand sich mit gutem Humor in die nicht in sein Fach gehörige Rolle des ungeschickten Reserveleutnants v. Osten, der „draußen” Assyriologe ist. Fräulein Pichon zeichnete die ehrgeizige Kommandeuse und sorgenvolle Hausfrau mit sicheren Strichen, während Herr Jacobi seinen Obersten v. Velsen als eine echte prächtige Soldatenfigur verkörperte. Frau v. Mills-Milarta war mit drastischer Komik die übliche schrullenhafte, klatschsüchtige Lustspiel-Tante. Zur Staffage rechnet dann noch eine Anzahl kleiner Rollen, die durchweg gut gespielt wurden. Der Regie gebührt für das Arrangement und das sichere Zusammenspiel uneingeschränkte Anerkennung.
Z.
In der Frankfurter Zeitung, Nr.341 vom 9. Dezember 1903, findet man folgende Notiz:
Man berichtet uns aus Kassel v. 7. ds.:
Die heutige erste Aufführung des nach berühmten Mustern verfaßten Schwankes „Liebesmanöver” von Kraatz und Frh. v.Schlichting erzielte einen Heiterkeitserfolg.
Das „Hamburger Fremdenblatt” meldet am 13.Dezember 1903:
„Liebes-Manöver”, das neue dreiaktige Lustspiel von Kurt Kraatz und Freiherrn v. Schlicht hat am Hoftheater in Kassel einen durchschlagenden Erfolg gehabt.
Am 25. Dezember 1903 liest man in der Nr. 357 der Frankfurter Zeitung (Zweites Morgenblatt):
Am Hoftheater in Kassel hat eine Frankfurterin, Frl. Hannewald, einen schönen Erfolg gehabt. Die Künstlerin gibt den jungen Kadetten in dem Schwank „Liebesmanöver”. Die dortige Kritik hebt hervor, wie charmant die junge Naive diese Rolle durchführe.
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© Karlheinz Everts