Besetzungsliste: | ||
1903 | 1905 | |
von Velsen, Oberst eines Infanterie-Regimentes
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Herr Luebeck |
Otto Frank |
„Kieler Zeitung” 24.10.1903:
Stadttheater. Die Proben zu dem neuen Lustspiel „Liebes-Manöver” sind soweit vorgeschritten, daß das reizende Werk Sonnabend zum ersten Mal gegeben werden kann.
„Kieler Zeitung” 27.10.1903:
Kieler Stadttheater.
„Liebesmanöver” von Curt Kraatz und Freiherrn von Schlicht.
Militärhumoresken zünden auf dem Theater immer, wenn sie nur mit guter Laune und flottem Bühnengeschick komponiert sind: zwei Voraussetzungen, deren Berücksichtigung auch der gemeinsamen Arbeit der Herren Kraatz und Freiherrn von Schlicht ihre Erfolge sichert. Was die flotte bühnenmäßige Einrichtung bei dieser Arbeit anbelangt, so wird daran in der Hauptsache vermutlich der erstgenannte Mitverfasser beteiligt gewesen sein; hinsichtlich der guten Laune aber, die aus der scherzhaften Charakterisierung der militärischen Typen, aus der Schilderung der, dem Milieu des Offizier- und Soldatenlebens entwachsenen komischen Situationen, sowie aus dem mit den letzteren eng verketteten ulkigen Wortwitz hervorsprudelt, kennen wir unseren, unter dem Pseudonym eines Freiherrn von Schlicht sich verbergenden, aber längst nicht mehr verborgenen schleswig-holsteinischen Landsmann Graf Baudissin nachgerade hinreichend genug, um seine fröhliche Art als dasjenige Moment zu erkennen und anzuerkennen, das die gemeinsame Bühnenarbeit materiell von Anfang bis zu Ende durchdringt und lebendig macht. Das galt von der vorjährigen Komödie „Im bunten Rock”, und das gilt von dem am Sonnabend auf unserem Stadttheater zum ersten Mal aufgeführten schwankhaften Dreiakter „Liebesmanöver”, der zweifellos einen durchschlagenden Heiterkeitserfolg erzielt hat. Es ist viel gelacht worden, man hat nach den Aktschlüssen und bei offener Szene mit reichem Beifall nicht gegeizt; kurzum, man hat sich trefflich amüsiert und wir sind überzeugt, wäre das Stück vor einem Sonntags-Haus gegeben worden, der Eindruck der ohnehin unbedingt zu konstatierenden Wirkung wäre ein fundamentaler gewesen. Nun, das Stück wird noch öfter Spaß machen. —
Wenn man sich amüsiert und auslacht, soll man nicht nach literarischen Werten suchen, die das Stück so wenig beansprucht wie alle anderen Militärkomödien ähnlichen Genres. Ja, nicht einmal neue Grundzüge in der Handlung, wie in der Gestaltung der auf die Bühne gestellten Prsonen darf man erwarten; im Gegenteil! die Typen der neuen Komödie kennen wir alle und die Liebesgeschichten sind so oder ähnlich schon unzählige Male dagewesen; aber was trotzdem ein Aufkommen wie Langeweile, von Empfindungen trivialer Wirkung ausschließt, ist die temperamentvolle Detailarbeit, die Erfindung neuer komischer Episoden und Situationen auf bekanntem Terrain, die Ausstattung herkömmlicher Typen mit neuen Charaktertrics und neuen Bonmots und komischen Wortwirkungen; lauter Dinge, bei deren Schöpfung und Ausgestaltung die Verfasser eine ausgemachte Agilität bekundet haben, und denen die Komödie ihren Erfolg schon bei der Uraufführung im Kölner Residenztheater verdankte. Das Stück spielt im Hause des Oberst von Velsen; zum engeren Familienkreise gehören außer dem Vater dessen Gattin Katharina, die Tochter Elli und der Bruder des Oberst, der Major a. D. von Velsen, der es nicht vergessen kann, daß man ihm frühzeitig den blauen Brief ins Haus schickte, in seiner polternden Manier — ein bekannter Typ — am Militarismus herumkrittelt, im übrigen aber trotz seiner Grobheit ein guter Kerl ist, der unter der rauhen Haut ein weiches Herz verbirgt. Im Rahmen dieser Familie spielen sich zwei Liebesromane ab, deren Anfänge bereits vor dem ersten Aufgehen des Vorhangs liegen. Die Tochter des Hauses Elli liebt den jungen Archäologen Dr. Erich von Osten, der als Reserve-Leutnant eingezogen ist, für den Dienst im bunten Rock aber so wenig Talent zeigt, daß er bei der Inspizierung des Regiments seines Schwiegervaters in spe die ganze Truppe in Unordnung und dadurch den Oberst in Gefahr bringt, seinen Abschied zu erhalten. So wenigstens fürchtet im letzten Akt die ganze Familie, aber die Geschichte kommt anders; Excellenz von Koßwitz, der inspizierende General, hat den Schuldigen und zugleich die Sicherheit erkannt, mit welcher der Oberst sein Regiment wieder in Ordnung gebracht hat. Letzterem wird daher zum allgemeinen Jubel des Hauses nicht der Abschied, sondern die Beförderung zum Brigadier in Aussicht gestellt. Wie dieser militärische Konflikt, so lösen sich auch die beiden Liebesverhältnisse in Wohlgefallen auf. Allerdings nicht ohne vorherige Liebesmanöver. Denn Elli weiß, daß ihr Anbeter nicht mit den günstigsten Chancen um sie werben wird; um aber seinen unbefangenen Verkehr im elterlichen Hause zu ermöglichen, bittet sie ihn, scheinbar dem zum Besuch anwesenden Fräulein von Breitenbach den Hof zu machen, was dem verliebten Assyriologen allerdings nur schwach gelingt. Fräulein von Breitenbach ist ihrerseits in den Adjutanten des Oberst, Oberleutnant Ernst von Winterstein, verliebt, einen jener ebenfalls längst typischen braven Männer in Uniform, so einen modernen Tellheim, der auch wie dieser die Witwe eines verstorbenen Kameraden unterstützt. Hieraus ist ein Geklatsch entstanden, das Fräulein v. Breitenbach durch eine Tante zu Ohren kommt; und nun drohen die bis dahin einem scherzenden Geplänkel gleichenden Liebesmanöver zwischen den beiden einen ernsten Charakter anzunehmen; Fräulein von Breitenbach sucht durch eine Scheinverlobung mit Dr. v. Osten den geliebten Mann recht tüchtig zu kränken; aber das Mißverständnis löst sich rechtzeitig auf, und am Schluß hat man zwei glückliche Liebespaare. Ein höchst ergötzliches Moment wird durch den Kadetten Kurt von Winterstein in die Handlung gebracht, eine mehr traditionelle als lebenswahre, aber höchst amüsante Figur, für die Frau Claire Illing zum lebhaftesten Beifall des Publikums die volle Frische, Keckheit und komische Souveränität in Spiel und Sprache fand.
Aber auch sonst war die gute Laune der Darsteller derjenigen der Verfasser des Stückes congenial, so daß die Komödie unter der Regie des Herrn Schloneck, der nebenbei aus dem General v. Koßwitz eine recht sympathische Figur machte, in lebendigem Tempo heruntergespielt wurde. Den gewohnten sicheren Ton für ihre Rolle fand Frau Klinder als Frau des von Herrn Luebeck würdig dargestellten Oberst. Herr Feuerherd hatte für den Leutnant Winterstein die ehrliche Herzenswärme, wenn er im Spiel technisch auch nicht die volle Agilität bekundete, um für die im Wechsel reichen Intentionen des Fräulein Giesecke als Leontine von Breitenbach ein gleich lebendiges Korrelat zu bieten. Niedlich in ihrer Naivität war die Elli des Fräulein Halper; Herr Katzorke hielt sich bei der Wiedergabe des Majors von Velsen im wesentlichen an den Typ des Polterers; Fräulein Lentz als Tante Cäcilie hat viel schulmeisterliche Bewegung, war aber als komischer Frauentyp nicht übel. Angenehm berührt hat uns wieder das Spiel des Herrn Schlegel als Gelehrter im bunten Rock. Es ist das eine Figur der modernen Militärhumoreske, die zumeist allein auf die militärische Unbeholfenheit hinausgespielt wird, auf eine rein typische Karrikatur, die freilich in der Regel die Lacher auf ihrer Seite hat, aber die Natürlichkeit der Verliebtheit der Partnerin in Frage stellt. Herr Schlegel wußte diese Figur, ohne ihre Komik zu beeinträchtigen mit einem durchgehenden echten, persönlichen, menschlichen Zug auszustatten, der den Typ zum Individuum, und zwar zu einem Individuum macht, in dem sich der komisch unbeholfene Soldat mit dem verliebten, aber durchaus gesund verliebten Menschen zu einem Charakter aus einem Guß zusammenschließt.
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© Karlheinz Everts