Besetzungsliste: | |
von Velsen, Oberst eines Infanterie-Regimentes
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Ernst Hallenstein |
„Hamburger Echo” vom 3.1.1904 |
„Hamburger Fremdenblatt” vom 3. Januar 1904:
Thalia-Theater. Die am Sonntag stattfindende Erstaufführung des Militärschauspiels „Liebes-Manöver” von Curt Kraatz und Frhr. v. Schlicht findet lebhaftes Interesse. Die Autoren dürften der Premiere beiwohnen.
Im „Kleinen Journal”, Berlin, liest man am 5.Jan.1904:
Der Schwank „Liebesmanöver” von Kraatz und Freiherr v.Schlicht hatte im Thalia-Theater in Hamburg einen vollen Heiterkeitserfolg.
„Hamburger Echo” vom 7. Januar 1904:
Das Thalia-Theater hat sich jetzt ein zweites Militärstück zugelegt, den Schwank „Liebesmanöver” von Kurt Kraatz und dem Freiherrn von Schlicht. Es ist ein Gegenstück zum „Zapfenstreich”, zu dessen lebensvoller Charakteristik und ehrlicher, tapferer Kritik es sich ausnimmt wie ein Schluck lauwarmer, dünner Apfelsinenlimonade zu einem Trunk erdfrischen Quellwassers. Der Freiherr von Schlicht wird von bescheidenen Leutchen gern als ein Satiriker und Kritiker militärischer Verhältnisse angesprochen. Er ist nichts weniger als das. Einen Humoristen möchte man ihn noch nennen. Er hat in der Tat Humor. Aber es ist nur ein feiner und recht kleiner Humor, der genügsam und zufrieden ist, wenn er sein Publikum zu einem Lächeln bringt. Der vollsaftige Humor, der aus einer großen freien Lebensanschauung resultiert und lachen kann über das Kleinliche nicht nur, sondern auch über das scheinbar Größere, geht ihm ab und ist ihm immer abgegangen.
„Liebesmanöver”, zu dem der Freiherr von Schlicht sich mit einem neuen Mitarbeiter verbunden hat, ist ein zweiter Aufguß vom „Bunten Rock” mit etwas neuem Süßholz. Es ist dieselbe Limonade. Zwei treu liebende Pärchen zum Anfang und zum Schluß. Und dazwischen ein Büschel, der aussieht wie gefährliche Brennesseln, in Wirklichkeit aber nur aus „tauben Nesseln” besteht, aus Bienensaug, aus dem die Herren Autoren zuckrigsten Honig destillieren. Dem einen Paar ist es recht leicht gemacht, einander legitim liebend in den Armen zu liegen. Dafür ist „Er” aber auch ein wirklicher Oberleutnant von der Linie, während der „Er” des anderen Pärchens nur ein Sommerleutnant ist. Es ist dieses der Professor von Osten, ein von den Autoren furchtbar albern gezeichneter Geselle, der im Manöver selbstverständlich eine furchtbare Wirrnis anrichtet und dadurch den Vater der Angebeteten, einen Obersten, beinahe um die Epauletten gebracht hätte. Glücklicherweise sind die Verfasser beide gute Kerle, die den Obersten vor dem Zylinderhut und den Sommerleutnant und Professor vor ewigem Junggesellenstand bewahren. Und so können wir am Ende beiden Paaren gratulieren und ihnen wünschen, daß ihr Geschick und das Kriegsministerium sie nimmer nach Forbach verschlagen möge, damit ihr Glück auf keine Probe gestellt werde.
Die Aufführung unter Flashars Regie war vorzüglich. Den Löwenanteil am Erfolg hatte Herr Bozenhard als von Osten. So lange er auf der Bühne war, kam man aus dem Lachen nicht heraus. Vortrefflich war auch Hallenstein als Oberst. Sonst seinen noch genannt Stockhausen, Homann, Franck, Flashar und die Damen Franck-Witt, Clemens, Horvath und Gröger.
„Hamburger Fremdenblatt” vom 5. Januar 1904:
Thalia-Theater
(„Liebesmanöver”)
Nehmt alles nur in allem: es war ein Schwank. Ihr werdet immer seines Gleichen seh'n. Was die Herren Curt Kraatz und Frhr. v. Schlicht uns in ihrem stark herumgekommenen, am gestrigen Sonntag hier mit lebhaftem Erfolge zuerst ausgeführten Schwank „Liebesmanöver” erzählen, spielt weder diesseits, noch jenseits von Forbach. Keine Indiskretionen, keine rabulistischen Ideen, dafür das uninteressante Bild der Schablone, ein Schachspiel mit alten Figuren, die diesmal zur Veränderung in den bunten Rock gesteckt sind. Der Schwank zeigt eine bedenkliche Blutleere. Er fristet sein Leben zumeist nur von Kasernenhofblüten, von dem militärischen Reis, das Schlicht ihm aufpfropfte, während die Zutaten des literarischen Kompagnons entschieden einem „billigen Mittagstisch” entstammen. Ich bin nicht der Meinung, daß ein Schwank unbedingt der Gipfel der Unwahrlichkeit sein muß, daß man alles von ihm ausscheide, was nach Vernunft aussieht, sondern ich denke mir den Schwank vor allem recht genießbar, wenn er seine Harmlosigkeit und Leichtgläubigkeit mit etwas Verstand paart, wenn er (ach, man wird ja so bescheiden!) nur ein wenig Verbindung mit dem Leben hat. Will er von alle diesem nichts wissen und pocht er auf seinen Freibrief, der ihn von diesen Imponderabilien entbindet, so sei er wenigstens so toll wie möglich. Leider erfüllen die „Liebesmanöver” weder die eine, noch die andere Bedingung ganz. Wäre Schlichts, auf militärischem Gebiete wohlbewanderter Humor nicht oft dazwischen gefahren, die Geschichte hätte baumwollen langweilig werden können, zumal alles, was jenseits der militärischen Grenze liegt, künstlich aufgepäppelt, gewaltsam in die Höhe getrieben erscheint. Dabei lassen sich die Verfasser noch forgesetzt in die Karten gucken, sodaß es selbst für Sonntagsspieler keine Ueberraschungen mehr gibt.
Um zwei Liebespärchen werden wir ins Manövergelände geführt. Das eine ist der Oberleutnant v. Winterstein und Leontine v. Breitenbach, das andere Dr. v. Osten, z.Z. als Leutnant der Reserve eingezogen, und Frl. Elli, Tochter des Oberst v. Velsen, bei dessen Regiment v. Osten seine Uebung macht. Da die Hindernisse, die schlechte Menschen den Liebesleuten in den Weg legen, nicht unüberbrückbar sind, so empfehlen sich der Oberleutnant und Leontine zuerst als Verlobte. Bei von Osten und seiner Elli ist die Sache schwieriger, weil der kurzsichtige Reserveleutnant in eine Paradevorstellung vor Exzellenz eine heillose Verwirrung hineingebracht hat, die vom Oberst, so gut es gehen wollte, repariert wurde. Der Oberst, seine Frau, sein Bruder, der an der Majorsecke gestrandet ist, vermuten nichts anderes, als daß dieser Lapsus von Ostens dem Oberst die Karriere kosten wird, aber die Herren Verfasser haben Erbarmen mit ihm. Sie lassen Exzellenz noch eben vor Torschluß einen Besuch beim Oberst abstatten und diesem ein Kompliment über den Schneid sagen, mit dem der Regimentskommandeur sich aus der Affäre bei der Paradevorstellung gezogen hat. Da von Osten auf diese Weise der intellektuelle Urheber seines Glücks ist — die Brigade steht in naher Aussicht —, so hat der Oberst auch nichts dagegen, daß der „Unglücksmensch” seine Elli heiratet, womit die „Liebesmanöver” ihr Ende gefunden haben.
Nur eine flotte und lustige Darstellung konnte über diese fadenscheinige, aus verbrauchten Motiven zusammengesetzte Handlung hinwegtäuschen. Diese wurde dem Stück denn auch gestern zu teil, sodaß es zu dem gemeldeten starken Erfolg kam. Herr Bozenhard als kurzsichtiger Reserveoffizier erntete mit Recht den Löwenanteil. Die Verlegenheit des schüchternen Liebhabers, wie die Unbeholfenheit des Zivilisten im bunten Rock fanden durch den Künstler einen geradezu drastischen Ausdruck, der die Lacher sofort auf seine Seite zog. Frisch und temperamentvoll spielte Herr Stockhausen den Leutnant von Winterstein, während Herr Franck den Major a.D. garzu bürgerlich anlegte. Herr Hallenstein spielt nicht umsonst im „Zapfenstreich”. Sein Oberst von Velsen war eine sympathisch berührende, von militärischem Geist erfüllte Figur; das Gleiche gilt von der Exzellenz des Herrn Homann. In der kecken Hosenrolle eines Kadetten zeigte Frl. Tetzlaff ebensoviel Schneid wie Humor, damit leicht die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich ziehend. Frau Franck-Witt gab der Leontine Anmut und Temperament, Frau Horvath ihrer Tante Cäcilie die nötige Dosis trockenen Humor. Frau Gröger war eine würdevolle Kommandeuse, Frl. Clemens der übliche Backfisch. In kleinen Rollen wirkten noch die Herren Flashar und Görner verdienstvoll mit. Herr Flashar hatte das Stück außerordentlich hübsch ausgestattet und ihm auch innerlich Halt und Farbe gegeben.
J. N.
„General-Anzeiger für Hamburg-Altona” vom 5.Jan. 1904:
Theater und Musik.
Thalia-Theater.
Liebes-Manöver. — Schwank in drei Akten von Curt Kraatz und Freiherrn von Schlicht.
Der Schwank, den die Herren Kraatz und von Schlicht gestern im Thalia-Theater auskramten, ist eigentlich eine bitter ernste Sache. Fast so ernst wie eine Bankerotterklärung. Denn alles, was die beiden vorzubringen haben, bedeutet nicht viel mehr, als daß sie nichts vorzubringen haben. Wenigstens absolut nichts Neues. Es sind die alten Militärpossenfiguren, die alten Schwankmätzchen, die alten Anhäufungen von Personen am Schluß der Akte, die alten Redensarten, mit denen auf die Lachmuskeln der Zuschauer gewirkt werden soll. Dieser nichtsbedeutende Krempel wird deshalb nicht besser, weil er alt ist. Man steht also im Grunde genommen auf der ganzen Linie vis-à-vis du rien. Die Herren Autoren haben wieder einmal dem lieben Gott Konkurrenz und aus nichts etwas machen wollen. Das ging natürlich über ihre Kraft, sowohl über die des Bühnenpossenpraktikers Kraatz als auch über die des Militärhumoristen Freiherrn von Schlicht. Den beiden Verfassern ist es ergangen, wie den beiden Löwen, die im Walde spazieren gingen und, von Wut entbrannt, einander aufgezohren haben. Der Schwankroutinier hat den feinen Satiriker und flotten Erzähler um die Ecke gebracht, und der letztere den ersten. Es ist eigentlich nur schade um den Freiherrn von Schlicht, der in dieser Posse augenscheinlich nur mit seinen abgedroschensten Wahrheiten zu Worte kommt. Außerdem werden diese in so plumper Form vorgetragen, daß ein einigermaßen empfindlicher Geschmack schon durch diese abgestoßen werden muß. Die Liebes-Manöver, die hier gemacht werden, sind wirklich unwürdig jeder Art von einigermaßen entwickelter Bühnenkriegführung. Man denke sich eine feine junge Dame, die einen anderen, einen Trottel, abküßt, um ihren eigentlichen Geliebten zu strafen, ihn eifersüchtig zu machen. Man denke sich einen Leutnant, der sich seine eigene ausgezeichnete Konduite vorlesen läßt, eine Konduite, in der u.a. zu lesen steht, daß er von eleganter gewinnender Erscheinung ist usw. Es ist das alles so unsäglich plump, daß es kaum in einem albernen Roman erträglich wäre, den man im Halbschlummer liest. Auf der Bühne mit ihrer unerbittlichen Deutlichkeit wirkt der Kram abstoßend.
Nichtsdestoweniger wurde gestern, als am Sonntag, über die alten Mittelchen und Schwänkchen gelacht. Frl. Tetzlaff als kecker Kadett amüsierte das Publikum sichtlich mit ihrer frischen Jungenhaftigkeit. Herr Bozenhard gab sich mit dem außergewöhnlich albernen Assyriologen alle erdenkliche Mühe. Die Liebhaberinnen des Schwanks fanden in Frau Franck-Witt und Frl. Clemens sehr erfreuliche Vertreterinnen. Herr Stockhausen war, so weit es anging, ein frischer Leutnant, Fr. Horvath die übliche, alte Klatschtante, Herr Franck der polternde pensionierte Major, Herr Hallenstein ein geplagter Oberst, Herr Homann eine ganz schablonenhafte Exzellenz, Herr Flashar hatte den Sonntagsschwank gut, eigentlich über Gebühr fein, inszeniert.
H. O.
„Der Humorist” vom 11.Jan. 1904:
Hamburger Nachrichten.
(Premieren am Thaliatheater:)
Als ein noch schwächeres Machwerk erwies sich der Schwank „Liebesmanöver” von Kraatz und Frh. v. Schlicht. „Schuster bleib bei deinem Leisten”, kann man wirklich sagen, soweit es sich um den Frhr. v. Schlicht handelt. Mit größtem Behagen liest man dessen militärische Humoresken, deren unverfälschte Natürlichkeit auf jeden, auch den ärgsten Hypochonder, anregend wirkt. Als Verfasser von Theaterstücken ist der Herr Graf Baudissin einfach unausstehlich. Die ältesten Triks werden angewendet, um die Handlung mühsam zu Ende zu führen; nur hin und wieder blitzt ein Bonmot hinein; damit aber ist es selbst bei einem Schwank nicht getan. Die sattsam bekannten militärischen Typen wurden von den Herren Stockhausen (Leutnant), Hallenstein (Oberst), Franck (Major a.D.), Homann (General) und Herrn Bozenhard, der als kurzsichtiger Reserveoffizier wahre Lachsalven entfesselte, famos wiedergegeben. Frl. Tetzlaff war ein fescher Kadett, Frau Franck-Witt eine anmutige Offiziersbraut, Frl. Clemens, ein netter Backfisch. Die älteren Semester waren durch die Damen Horváth und Gröger vertreten. Herr Flashar als Regisseur sorgte für das unumgänglich notwendige flotte Tempo.
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© Karlheinz Everts