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Ein buntes Blatt für Alle und Alles
No. 8 vom 14. November 1904


Die Reden des Sergeanten Krause

Herausgegeben von Freiherrn von Schlicht

VII.
Krause über die Finanzen.

Eine traurige Veranlassung veranlaßt mich heute, mit Euch über eine ganz traurige Sache zu sprechen, über die Finanzen. Ich habe gestern, wie Ihr wißt, Eure Brustbeutel, in denen Ihr Euer Geld aufbewahren sollt, revidiert und dabei die Entdeckung gemacht, daß Meier, dieser Verschwender, der mir überhaupt in vieler Hinsicht der punctum saliens, was so viel wie eine geistige Mißgeburt bedeutet, zu sein scheint, also, ohne den Faden der Ariadne, was eine griechische Schönheit war, zu verlieren, - Meier hatte schon gestern abend kein Geld nicht mehr, wo er doch verpflichtet war, noch 66 Pfennige zu haben, denn es sind noch drei Tage, bis es wieder Geld gibt. Denn da Ihr in der Dekade, alle zehn Tage, für die Dienste, die Ihr dem Staate zwar leisten sollt, aber gar nicht oder doch nur in höchst unvollkommener Weise leistet, 2 Mark 20 Pfennige bares Geld erhaltet, dürft Ihr pro Tag nur 22 Pfennige ausgeben. Wer mehr ausgibt, ist ein Verschwender, der da verdient, daß der Herr Feldwebel ihm seine Finanzen verwaltet, und zwar in der Art, daß er dem Betreffenden jeden Tag nicht nur seine 22 Pfennige, sondern auch noch einen ganz gehörigen Anschnauzer verabreicht. Und wenn ich in meiner Herzensgüte Herrn Meier noch nicht gemeldet habe, damit ihm sein Geld verwaltet wird, so geschah das, weil Meier aufrichtige Reue zeigte, und weil er mir erzählt hat, seine Liebste hätte heute Geburtstag und er hätte ihr für 1,50 Mark eine Brosche gekauft. Ich habe es gestern abend schon zu Meier gesagt, und ich sage es Euch allen nochmals: hütet Euch vor den Weibern, sie sind nun einmal ein notwendiges Übel, aber sie sind Blutsauger. Wenn sie merken, daß ein Mann Geld hat, dann ist er verloren, dann ruhen sie nicht eher, bis er ihnen seinen letzten Pfennig geopfert hat, und dann versetzen sie ihm einen Fußtritt in den Ruhestand, dann kann er gehen, und ein anderer tritt an seine Stelle. Mit Geburtstagsgeshenken fängt so was immer an, "Ich habe morgen Geburtstag", die Redensart kenn' ich. Auf die fallen nur ganz Dumme herein, so wie Meier einer ist. Glaubt mir, die Weiber haben überhaupt keinen Geburtstag, wenigstens dann nicht, wenn sie es sagen. Überhaupt, wer den Frauen glaubt, der verdient, dáß er genasführt wird. Um aber auf die Finanzen zurückzukommen, so ist es ein finanzieller Selbstmord, wenn ein Mensch, der für zehn Tage 2,20 Mark hat, dann auf einmal 1,50 Mark ausgibt, dann bleiben ihm für die andern zehn Tage nur 70 Pfennige, das sind 7 Pfennige pro Tag, und davon kann er nicht leben. Allerdings, leben kann er schon, denn Euch wird das Essen ja vor Euern großen Schnabel getragen, und seitdem der Reichstag Euch auch noch ein warmes Abendessen bewilligt hat, habt Ihr in einem Tag mehr Mahlzeiten als eine arme Beamtenfamilie in einer Woche. Also für das Essen braucht Ihr kein Geld, wohl aber für Putzpomade, Nähzeug, Stiefelwichse und andere wichtige Sachen. Und da langen 7 Pfennige für den Tag nicht, und wenn Ihr Euer Geld den Weibern nachwerft, dann muß Eure Reinlichkeit im Anzug darunter leiden, der Anzug gehört aber zum Dienst, er ist gewissermaßen ein Teil des Dienstes, und so ist ein Geburtstagsgeschenk daran schuld, daß der ganze königliche Dienst darunter leidet, was ich mir hiermit auf das energischste verbeten haben will. Der Dienst ist die Hauptsache, Ihr sollt keinen anderen Gedanken haben, und wenn es nach mir ginge, dann bekämt Ihr überhaupt kein Geld in die Hände. Was habt Ihr nötig, in der Kantine Bier zu trinken ? Trinkt Wasser, das ist viel billiger und gesünder, und vor allen Dingen, Bier macht dumm, saudumm, müde und schläfrig. Legt jeden Tag den Groschen für das Bier zurück, das macht im Jahr 36 Mark 50 Pfennig, in einem Schaltjahr sogar 36 Mark 60. In zwei Jahren 73 Mark, das ist so viel, als wenn Ihr die Zinsen eines Kapitals von 1800 Mark hättet. Ja, Ihr Heupferde, da macht Ihr große Augen, wie sich das so läppern tut. Und kommt trotzdem eines Tages die Versuchung über Euch, dann trinkt so viel Bier, wie Ihr wollt, aber sucht Euch einen Dummen, der es bezahlt. Womit noch gar nicht gesagt sein soll, daß der Dumme wirklich dumm zu sein braucht, es gibt genug ehrenwerte Männer, denen es ein Vergnügen ist, für uns zu bezahlen. Und Gott sei Dank, daß es solche Männer gibt! Wer da mit seinem Gelde auskommen will, muß sich ängstlich hüten, etwas auszugeben, das ist der erste Grundsatz, wenn man die Absicht hat, Großkapitalist zu werden. Nur nichts ausgeben, immer andere bezahlen lassen, darin besteht die Weisheit des Lebens. Ohne Geld kann kein Mensch leben, und der Staat am allerwenigsten, der braucht sogar immer mehr Geld, als er hat, nicht, weil er über seine Verhältnisse lebt, sondern weil die Ausgaben größer sind als die Einnahmen. Und dabei gibt es immer noch Menschen, die sich sträuben, ihre Steuern zu bezahlen, und dabei sollten sie froh sein, daß man ihnen Gelegenheit gibt, ihr Geld für andere Sachen, als nur für Vergnügungen auszugeben. Aber die Leute sind ja blind, sie wollen ja nicht sehen, wie notwendig für sie z.B. die Kolonien sind und unsere großen Kriegsschiffe und die Kanäle und all die anderen Sachen, von denen sie nichts haben, und die so unendlich viel Geld kosten, was aber im Laufe der Jahre alles wieder einkommen soll. Und wenn wir das auch nicht erleben, unsere Enkel erleben es, und wenn die nicht, unsere Urenkel, und die Ur-Ur-Urenkel ganz gewiß, und wenn dann der Staat im Golde schwimmt, dann brauchen unsere Nachkommen weniger Steuern zu bezahlen, sodaß wir also gewissermaßen das Geld, das wir jetzt an Abgaben entrichen, nutzbringend für unsere Nachkommen anlegen. Und für seine Kinder und Kindeskinder zu sorgen, ist die Pflicht eines jeden anständigen Menschen. Und so habe ich nie begriffen, wie die Leute über die Steuern murren können. Wer da gerne gibt, dem wird wiedergegeben, heißt ein altes Wort. Aber Meier, das sage ich Dir, bis Deine Bertha Dir die 1,50 Mark wiedergibt, kannst Du lange warten, denn wenn Du Dich Deiner Liebe gegenüber als Millionär aufspielst und mit den Groschen klapperst, dann sagt sie sich, da braucht er von mir nichts. Wer da ernten will, muß immer so tun, als ob er weniger hätte, als er hat. Nur wer so handelt, wird in Ruhe gelassen. Wer sich da aber hinstellt und sagt: seht mich an, ich bin ein reicher Mann, den rupfen die Hühner. Und dem Mann geschieht ganz recht! Das sage ich, der Sergeant Krause, und alles, was ich sage, ist eitel Gold. –



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© Karlheinz Everts