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für 5 Pfennig

Ein buntes Blatt für Alle und Alles
No. 50 vom 4. September 1905


Krause in Zivil

Herausgegeben von Freiherrn von Schlicht

XIII.
Krause über den Kassenboten.

Nachem ich meine Bewerbung um meine Anstellung als Museumsdiener zurückgezogen habe, nachdem man mir in schonender Weise beigebracht hat, daß wegen allgemeiner Überfüllung auf eine Anstellung in den nächsten zehn Jahren nicht zu rechnen sei, und nachdem ich zur Überzeugung gekommen bin, daß ich mich in der Tätigkeit eines Museumsdieners sehr irrte, indem derselbe gar nicht, wie ich annahm, täglich Gedächtnisfeiern auf seinem Stuhl abhält, sondern daß er sitzender Weise ganz fest schläft, was ich bei meinem letzten Museumsbesuch an dem lauten Schnarchen konstatierte und wobei ich dann erfuhr, daß der Diener gar nicht habe schlafen wollen, daß er aber habe schlafen müssen, indem es einfach zum Einschlafen langweilig sei, jeden Tag denselben Besuchern auf dieselbe Frage dieselbe Antwort geben zu müssen, also ich meine, nachdem ich diese Enttäuschung in meinem Innern erlebt, habe ich meine Absicht, mich in den Dienst der Muse zu stellen, aufgegeben und habe mich um eine Anstellung als Kassenbote bei der Reichsbank beworben.

Denn, meine Herren, darüber sind wir uns doch wohl alle einig, von allen Bänken, die es auf der Welt gibt, ist die Bank, sofern sie eine Bank ist, die allerwichtigste. Allerdings will ich offen gestehen, daß mir die Bedeutung einer Bank erst nach Beendigung meiner Dienstzeit klar wurde, indem ich die mir sauer verdienten tausend Mark bei meinem Dienstaustritt nicht in barem Gelde, sondern in Gestalt eines Schecks ausgezahlt erhielt, wobei Sie einen Scheck nicht mit einem Scheich verwechseln dürfen, indem das erstere nur ein beshriebens Blatt Papier ist, das aber unter Umständen hunderttausend Mark und noch viel mehr wert sein kann, während ein Scheich ein großer Betrüger ist, der oft keine fünfzig Pfennig wert ist.

Also ich meine, als mir das Geld auf den Tisch des Hauses gezahlt wurde, habe ich zum ersten Male die Institution einer Bank bewundert, und selbstverständlich gewünscht, daß das ganze Geld der Bank mir gehöre. Welcher Wunsch sich aber leider bis zum heutigen Tage noch nicht erfüllt hat, und wohl auch nicht erfüllen wird, obgleich es dringend wünschenswert wäre, daß der Inhalt meines Portemonnaies demnächst einmal eine allgemeine Auffrischung erhielte, indem sein Inhalt nächstens nur noch aus einem Hemdenknopf und einigen bereits benutzten Pferdebahnbilletts bestehen wird. Was in Ihnen aber nicht den furchtsamen Gedanken erwecken soll, ich trüge mich mit der Absicht, eine größere vierprozentige Anleihe in Gestalt eines Zehnmarkstückes bei Ihnen aufzunehmen. Wobei ich offen gestehe, daß ich mich allerdings schon vorübergehend mit diesem Gedanken trug, daß ich ihn aber wieder fallen ließ, weil ich mir sagte: sag gar nichts, dann leiht dir vielleicht einer von selbst etwas. Aber auch diese hoffnungsvolle Hoffnung habe ich wieder aufgegeben, weil ich sie aufgeben mußte, denn ein zukünftiger Bankbeamter, wie ich es bin, muß in durchaus geregelten Vermögensverhältnissen leben, und wenn mich meine zukünftigen Vorgesetzten fragen: wie steht es mit Ihnen in Bezug auf Moses und die Propheten ? Dann kann ich mich stolz in meine Brust werfen und sagen: "Meine Herren, ich habe zwar nichts, aber dafür besitze ich auch nichts." Das wird einen guten Eindruck machen, und meine Anstellung ist mir sicher.

Wer als Bankbeamter mit fremdem Geld wirtschaften will, muß in erster Linie für sich selbst ein guter Finanzminister sein, indem er sich von diesem hohen Reichsbeamten dadurch unterscheidet, daß der Erstere Anleihen aufnehmen muß, was der Zweite nicht darf, wofür der Finanzminister, wenn ihm die Anleihe geglückt ist, einen hohen Orden bekommt, wohingegen der Andere, wenn er sich aus seiner Pleite herausgepumpt hat, in den Verdacht gerät, gepumpt zu haben. Was für den Einen ehrend, ist für den Anderen schimpflich und erniedrigend, man fällt, wie man so sagt, unten durch und liegt gewissermaßen auf der Erde.

Um aber von der Erde wieder auf die Bank zu kommen, so werde ich meine dortige Laufbahn als Kassenbote beginnen, indem dies nächst dem Direktor die größte Vertrauensstellung ist, weil beide die größte Gelegenheit haben, mit den ihnen anvertrauten Geldern auf und davon zu gehen. Wobei ich gleich bemerke, daß ich jede Unterschlagung sehr unehrenhaft finde, und ich bin davon überzeuht, daß ich schon auf Grund dieser Auffassung auch für höhere Stellen im Bankfach geeignet bin, und es wird daher meine Aufgabe sein, mich emporzuarbeiten. In erster Linie habe ich mich um eine Anstellung bei der Bank als Kassenbote beworben, weil ich mir denke, daß es ein sehr schönes Gefühl sein muß, den ganzen Tag viel Geld bei sich zu haben, zwar gehört das Geld ja nicht mir, aber ich habe es doch bei mir, und es wird mir schon in den Augen der Welt eine ganz andere Stellung geben, wenn die Leute erfahren, wie viel Tausende täglich durch meine Finger gehen. Ich muß offen gestehen, daß ich mir in der letzten Zeit finanziell etwas heruntergekommen erscheine, da wird der Verkehr in der Bank mein Selbstgefühl wieder heben, und wenn ich sehe, wie auch dort das Gold von einer Hand in die andere geht, dann werde ich in Zukunft weniger darüber klagen, daß man auch mir stets eine offene Hand hinhält, selbst wenn ich die meinige noch so fest zumache.

Ich habe einmal gelesen, nichts auf der Welt ist beständig, alles ist dem Wechsel unterworfen. Ganz klar ist mir dieses Wort erst geworden, seitdem ich mich eingehend mit dem Wechselwesen beschäftigte und dabei lernte, daß es Prima-, Sekunda- und Tertia-Wechsel gibt, was natürlich mit den Primanern, Sekundanern und Tertianern nichts zu tun hat, indem diese meistens gar nichts zum Wechseln haben, als höchstens ihre Stimme. Und auf die hin wird ihnen kein Mensch einen Groschen borgen, wenn sie nicht wenigstens ein hohes C enthält. Außer den oben angeführten Wechseln gibt es auch Loco-Wechsel, was mit dem Ihnen Allen bekannten Wort Locus zusammenhängt. Aber schließlich gibt es auchh Kellerwechsel, die aber eigentlich schon gar keine mehr sind. Ich werde im Laufe der nächsten Zeit ja oft in die Lage kommen, das Geld für die Wechsel einzukassieren, und ich werde das stets mit der größten Freude tun, damit die Bank ihr Geld wiedererhält, wie ich überhaupt meinen ganzen Einfluß dahin geltend machen werde, daß unsere Bank nie Geld ausgibt, sondern nur einnimmt, wobei sie dann von sich sagen kann, was ich hab, das hab ich. Was schon deshalb nicht jeder von sich behaupten kann, weil er nichts hat und weil er sehr häufig auch das nicht hat, was er früher gehabt hat, was zwar sehr betrüblich, aber wie so vieles auf der Welt leider nicht zu ändern ist, indem auch hier alles dem Wechsel unterworfen ist, obgleich sich dieser Wechsel von dem anderen dadurch unterscheidet, daß er für mich in Zukunft kein Interesse hat. Und ohne Interesse geht es nun einmal nicht, was man schon daraus ersieht, daß viele Menschen die Interessen Prozente nennen, sobald es sich um Geldsachen handelt, wobei es gleichgültig ist, ob man pro Cente oder per Cente sagt, indem sie für den, der sich Geld leiht, stets zu hoch, für den Geldverleiher aber stets zu niedrig sind. Ein notwendiges Überl sind sie auf alle Fälle. Das sage ich, der ehemalige Sergeant Krause, und alles, was ich sage, ist eitel Gold.



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© Karlheinz Everts