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Ein buntes Blatt für Alle und Alles
No. 32 vom 1. Mai 1905


Krause in Zivil

Herausgegeben von Freiherrn von Schlicht

III.
Krause über die Polizei.

Indem mein Gesuch um Anstellung bei der Steuerbehörde abschlägig beschieden ist, weil bei derselben so viele alte Unteroffiziere vorgemerkt sind, daß es Jahrzehnte dauern würde, bis ich dort ankäme, und insonderheit, weil ich zu der Überzeugung gekommen bin, daß die Steuerbehörde doch nicht mein Fall wäre, was ich daran merkte, daß dieselbe meinen gewissenhaften Angaben über mein Einkommen keinen Glauben schenkte und mich einfach, ohne mich zu fragen, ein paar Stufen höher hinaufversetzte, wogegen jede Reklamation mir ebenso aussichtslos zu sein scheint, wie beim Militär eine ungerechtfertigte Beschwerde, während berechtigte Beschwerden stets den größten Erfolg haben und die strengste Bestrafung der Schuldigen nach sich zieht, also ich meine aus diesen und aus tausend anderen Gründen habe ich mich um eine Anstellung bei der hiesigen Polizei beworben. Was mir und meinem Charakter auch insofern am meisten entspricht, als Militär und Polizei ja gewissermaßen siamesische Zwillinge sind, die zwar durchgeschnitten sind, indem die eine in Kasernen, die andere in Polizeigebäuden wohnt, was man bei jeder festlichen Gelegenheit bemerken kann, indem diese zusammen dann darauf achten, daß die Festlichkeiten nicht zu festlich werden, und daß sich das Volk nur gerade soviel amüsiert, wie der Staat es für das Volk gut hält. Ich weiß, daß die Polizei sich in vielen Städten keiner besonderen Beliebtheit erfreut, und daß oft zwischen dieser Behörde und der Bevölkerung eine Spannung besteht, wie man sie sonst nur bei einem Bogen findet, der ja Gott sei Dank in den Kriegen der zivilisierten Völker abgeschafft ist, weil man mit ihnen nicht die gewünschten Erfolge erzielte, indem das für einen Krieg nun einmal unbedingt nötige Töten mit ihnen nicht schnell genug ging. Welche Spannung mich deshalb besonders wundert, weil nach meiner Ansicht die Polizei diejenige Behörde ist, die am meisten die Liebe und die Achtung des Volkes verdient. Ein Schutzmann gehört zu jenen Menschen, die ihr Geld in des Wortes wahrster Bedeutung nicht im Schlaf verdienen, sondern im Stehen, und das ist viel anstrengender als das Sitzen. Dazu kommt, daß das Gehalt der Schutzleute verhältnismäßig ein sehr geringes ist, und daß er für das wenige Geld oft sein Leben und seine Gesundheit aufs Spiel setzen muß, was absolut keine Spielerei ist, indem es sehr oft blutiger Ernst wird. Denn ein Schutzmann wandelt nicht auf Rosen, sondern auf dem Straßenpflaster, auf dem als einzige Blume Großstadtpflanzen wachsen, die sich von anderen Blumen durch ihren üblen Geruch auszeichnen, den sie in moralischer Hinsicht ausströmen, indem ihre Moral darin besteht, moralisch unmoralisch zu sein, was kein Mensch moralisch finden kann.

Trotz alledem ist der schlimmste Feind der Schutzmannschaft die öffentliche Meinung, gegen die sie vergebens ankämpft, wie die Russen gegen die Japaner. In dem Volke herrscht nämlich die Ansicht, daß die Polizei für das Publikum da ist, was aber ganz falsch ist, indem es gerade umgekehrt ist. Wovon sollte die Polizei leben und vor allen Dingen, wozu wäre sie auf der Welt, wenn es kein Publikum gäbe ? Dieses hat die heilige Pflicht, der Schutzmannschaft Arbeit und Tätigkeit zu verschaffen, und wenn es in seinem teilweise sehr mangelhaft ausgeprägten Pflichtbewußtsein dies vorübergehend vergißt, dann hat die Polizei nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, sich Arbeit zu verschaffen, indem es Arretierungen vornimmt, Haussuchungen anstellt und ähnliche Sachen mehr, denn dafür, daß die Polizei was tut, wird sie bezahlt. Und ferner: die Polizisten sind ernste, gereifte Männer, während das Publikum nach dem Ausspruch eines weisen Mannes zum größten Teil aus urteilslosen Kindern besteht, wobei es bekannt sein dürfte, daß es auch erwachsene Kinder gibt, und daß diese die schlimmsten sind, weil sie sich ebenso wie die wirklichen Kinder einbilden, keine Kinder mehr zu sein. Und gegen eine solche Einbildung des Publikums ist die Polizei machtlos, und sie erfüllt ihre heiligste Pflicht, wenn sie eine solche falsche Auffassung auf das schärfste bekämpft.

Über so manches beklagt sich das Publikum ohne jeden Grund, so über die Absperrungsmaßregeln, die ja jetzt so gut wie ganz abgeschafft sind, die aber in früheren Jahrzehnten alle Augenblicke vorkamen. Und warum regt das Publikum sich da auf ? Nur weil Fräulein Frieda ihre beste Freundin nicht besuchen konnte, weil das Kleid bei der Schneiderin nicht fertig wurde, weil ein Geschäftsmann nicht rechtzeitig seinen Eisenbahnzug erreichte oder weil ein Kaufmann den Abschluß eines Geschäftes versäumte. Das ist aber ganz falsch. Wer weiß, ob Fräulein Frieda sich nicht vielleicht über Paula sehr geärgert hätte, ob nicht der Zug entgleist wäre, in den sich der Kaufmann hineingesetzt hätte und ob der Kaufmann den Geschäftsabschluß später nicht sehr bereut hätte ? So hätte das Volk alle Ursache, der Polizei zu danken, anstatt sie zu schelten. Davon aber ganz abgesehen, sind die Absperrungsmaßregeln nur im Interesse des Publikums da, damit dieses in dem etwaigen Gedränge nicht zu Schaden kommt. Das aber sieht das Volk nicht ein, es klagt beständig, sogar wenn das Pferd eines berittenen Schutzmannes tänzelnder Weise jemand auf den Fuß tritt. Pferde müssen tänzeln, das weiß man schon aus dem Zirkus, und warum sollen sie beim Tanzen nicht jemand auf den Fuß treten, wo es doch selbst unter den Menschen so viele gibt, die beim Tanzen ihren Partner auf den großen Zeh treten. Oder soll man von einem Pferd eine bessere Tanzstundenerziehung erwarten, als von einem konfirmierten Jüngling ?

Alle Klagen gegen die Polizei sind ungerechtfertigt, so auch die über den Waffengebrauch. Erstens wird die Waffe überhaupt nicht mehr gebraucht, zweitens nur sehr selten, und dann besteht sie meistens nicht aus dem Seitengewehr, sondern aus einem Gummischlauch, an dessen Stelle in letzter Zeit häufig die Feuerspritze tritt, nachdem man diese bei festlichen Gelegenheiten ausprobiert hat, und dabei die Entdeckung gemmacht hat, daß die Feuerspritze dem Publikum sehr willkommen ist, einmal von wegen der mit dem kalten Wasser verbundenen Abkühlung, dann aber auch von wegen der Reinlichkeit, indem das Wort "bade zu Hause" nur für diejenigen einen Wert hat, die eine Badeeinrichtung haben, was bei den meisten Menschen nicht der Fall ist. Auch über die Ausschreitungen der Schutzleute bei den Verhaftungen wird geklagt, aber wenn die Zivilisten ausschreiten, indem sie die Gesetze überschreiten, warum sollen da nicht auch die Schutzleute ausschreiten, woran nicht sie selber schuld sind, sondern nur die Geduld, die so zart konstruiert ist, daß sie manchmal reißt, wofür die Schutzleute nichts können, indem sie sich ihre Geduld nicht selbst gemacht haben. So könnte ich alles, was man gegen die Schutzmannschaft einwendet, widerlegen, aber dieses Wenige wird Ihnen genügen, um Ihnen zu beweisen, daß alle Verdächtigunge haltlos sind.

So hoffe ich, demnächst als Mitglied jener Behörde, die Gewalt über uns hat, Ihnen gegenübertreten zu können, denn Gewalt geht vor Recht, das sage ich, der ehemalige Sergeant Krause, und alles, was ich sage, ist eitel Gold.



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© Karlheinz Everts