Nimm mich mit
für 5 Pfennig

Ein buntes Blatt für Alle und Alles
No. 31 vom 24. April 1905


Krause in Zivil

Herausgegeben von Freiherrn von Schlicht

II.
Krause über die Steuern.

Indem der Mensch mit seinen höheren Zwecken wächst, und indem ich nunmehr als neuaufgenommenes Mitglied des Kriegervereins die offizielle Erlaubnis erhalten habe, bei festlichen Gelegenheiten aus dem Grunde meiner Kehle heraus ordentlich Hurra rufen zu dürfen, was ich sonst zwar auch getan hätte, was aber ganz anders klingt, wenn es aus dem Munde eines hierzu staatlich konzessionierten Lebewesens kommt, also ich meine, nachdem ich mir nunmehr meine gesellschaftliche Position fest geschaffen habe, durfte ich auch nicht länger zögern, mich nach einer Zivilanstellung umzusehen, und so habe ich denn heute meine Papiere eingesandt und mich um eine Anstellung bei der Steuer beworben, wobei ich Ihren mißbilligenden Gesichtern anmerke, wie Sie sich darüber wundern, daß ich mich gerade bei dieser Behörde meldete, von der ich weiß, daß sie Ihnen nicht allzu übertrieben sympathisch ist, weil sie als einzige mit der Zeit insofern nicht fortgeschritten ist, als sie aus dem Mittelalter die Daumenschraube noch in die Neuzeit übernahm. Auch ich muß sagen, es hat in meinem Leben Stunden gegeben, in denen ich, wenn auch nicht gerade der Gottheit, so doch anderen Behörden näher stand, weil ich in den Zeitungen immer soviel Angriffe auf die Steuerbehörden las. Wenn ich ihr dennoch mein Herz zugewendet habe, so geschieht es aus zwei Gründen, einmal, weil es nach meiner Meinung meine Pflicht ist, sich der Schwachen und Wehrlosen anzunehmen, dann aber auch, weil die Steuerbehörde diejenige war, die mir, sobald ich Zivilist geworden war, den ersten Brief schrieb und mich ersuchte, mein Einkommen – das ich vorläufig noch nicht habe – gewissenhaft anzugeben.

Diese Pünktlichkeit hat mich mit Hochachtung erfüllt, und ich sagte mir: Krause, dort ist Dein Platz, da gehörst Du hin. Bei welcher Gelegenheit ich mir auch über die Steuern und über den Wert oder Unwert derselben, sowie über ihre Mannigfaltigkeit ein Bild zu machen versuchte. Wie Sie alle wissen, gibt es direkte und indirekte Steuern, außerdem unterscheidet man Staatssteuern und Kommunalsteuern, Kirchensteuern, Schulsteuern, Steuern für Theaterbillets, Hundesteuern, Vergnügungssteuern, eine Champagnersteuer, die mich genau so kalt läßt, wie der Champagner es sein muß, wenn man ihn trinkt, und wobei ich gleich bemerke, daß ich keinen trinke, weil ich keinen habe, weil mich noch nie einer darauf einlud, was aber keine zarte Anspielung sein soll, und außer diesen angeführten Steuern gibt es noch so viel andere Steuern, daß ich trotz meines eminenten Gedächtnisses sie nicht alle gegenwärtig habe. Woraus Sie schließen werden, daß es zu viel gibt, wohingegen ich als zukünftiger Steuerbeamter sage, es gibt noch lange nicht genug, schon deshalb nicht, weil sonst die Steuerbeamten noch mehr zu tun hätten als jetzt, und das wäre sehr gut, denn man verdient sich sein Gehalt für die Stunden, in denen man arbeitet, aber nicht für die Stunden, in denen man sich dem Luxus und dem Wohlleben hingibt, indem dieses zwar verwerflich ist, wenngleich es auch seine Reize hat, die ich zwar nicht kenne, die mich aber trotzdem reizen, was nun einmal die Eigentümlichkeit der Reize ist. Und die Steuern reizen mich auch, besonders diejenigen, die ich später bearbeiten werde, gewissermaßen auch diejenigen, die ich später selbst bezahle.

Ich weiß nicht, ob Ihnen das schöne Wort noch in Erinnerung ist, das ich Ihnen kürzlich aus dem reichen Schatz meines Wissens zum Besten gab: der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt.

Als zukünftiger Steuerbeamter möchte ich heute sogar behaupten, der brave Mann denkt überhaupt gar nicht an sich selbst, sondern nur an das große Ganze, nur an den Staat. Für den nur leben wir, für den nur haben wir zu sorgen und zu arbeiten. Was tut der Staat nicht alles für uns ? Er sorgt dafür, daß wir die Gesetze haben und Gefängnisse, daß wir keine Ausschreitungen machen, er hält uns ein Heer, in dem wir zu Menschen erzogen werden, er erlaubt uns, unentgeltlich die schöne, frische Luft des Deutschen Vaterlandes einzuatmen, er tut viel mehr für uns, als einem solchen Neuling im Zivilismus, wie ich es bin, augenblicklich einfällt, und da sollten wir nicht alles für ihn tun, was wir können ? Haben wir da ein Recht zu murren und zu klagen, wenn uns der Steuerzettel ins Haus gebracht wird ? Nein, wir müssen uns freuen, einmal weil wir daraus ersehen, daß der Staat auch nicht den Geringsten unter uns vergißt, daß er an dem Einkommen eines jeden reges Interesse hat, daß das fürsorgliche Auge des Staates über jedes seiner Kinder wacht. Das alles müßte uns froh und glücklich stimmen, denn es ist traurig, sich sagen zu müssen, ich habe niemanden, der sich für mein Wohlergehen interessiert, niemanden, der sich mit mir freut, wenn sich mein Einkommen plötzlich ganz bedeutend erhöht. Der Staat tut es, der ist selbstlos genug, nicht nur an sich, sondern auch an andere zu denken, und wenn der Staat von uns höhere Steuern verlangt, so tut er das nicht aus Egoismus, denn der liegt ihm ganz, ganz fern, sondern er tut es aus Liebe zu uns, damit wir nicht plötzlich anfangen, unser Geld für unnötige Dinge zum Fenster hinauszuwerfen. Wie das Heer die Erzieherin der männlichen Jugend, so ist die Steuerbehörde gewissermaßen die Erzieherin der Erwachsenen, indem sie diese vor finanziellen Ausschreitungen behütet und sie zur Sparsamkeit anhält. Früher habe ich darüber auch anders gedacht, jetzt aber begreife ich es nicht, wie man sich überhaupt für den zehnten Bruchteil einer Sekunde darüber aufregen kann, ob der Staat neue Steuern einführt, oder ob die Kommunalverwaltung die Steuern auf 100 oder auf 120 Prozent erhöht.

Wenn wir gerecht sind, so müssen wir uns fragen, was haben wir von dem Geld, das wir selbst für uns ausgeben ? Nichts. Hängt unser Lebensglück davon ab, ob wir etwas besser wohnen, besser essen und besser trinken, uns besser kleiden, uns Vergnügungen erlauben, deren Folge meist ein moralischer und physischer Katzenjammer ist ? Nicht darauf kommt es an, wie wir leben, sondern das ist die Hauptsache, daß wir überhaupt leben. Und dann vergessen Sie nicht, meine Herren, daß außer dem Staat mit seiner Einkommen- und Vermögens-, seiner Erbschafts-, Bier- und Branntweinsteuer noch andere um das Wohl jedes Einzelnen von uns tief besorgte Körperschaften da sind, die Gemeindesteuern, Grund- und Gebäudesteuern, Kirchensteuern, Schulsteuern, Wegebausteuern, Provinzial- und Kreissteuern und sonst noch was erheben; wohin Sie blicken, sehen Sie nichts als freundliche Fürsorge, daß keine Taler im Kasten klingen wie bei dem seligen Tetzel, bei dem man für sein Geld den Ablaßzetel kaufte und die Seele in den Himmel springen ließ, und wer keinen Kasten hatte, der konnte ja auch Strümpfe als Sparbüchsen nehmen, wozu die heutige Fabrikware sich weniger eignet, und darum ist es besser, wir geben unser Geld der Steuerbehörde zur Aufbewahrung.

Nein, meine Herren, Steuern müssen sein, je mehr, je lieber, das sage ich, der ehemalige Sergeant Krause, und alles, was ich sage, ist eitel Gold.



zu Krause's Seite

© Karlheinz Everts