Aufführung am Residenz-Theater zu Wiesbaden |
6., 7., 10. und 21.Febr. 1909 |
Besetzungsliste: | |
General a.D. Lange.
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Reinhold Hager |
„Wiesbadener Bade-Blatt” vom 5.2.1909:
(Residenz-Theater.) Zum ersten Male kommt morgen Samstag das neue Lustspiel „Der Kaisertoast” von Frhr. von Schlicht und Walter Turszinsky zur Aufführung. Das lustige Militärstück ist bereits am Thalia-Theater in Hamburg und an einer Reihe anderer Bühnen mit durchschlagendem Heiterkeitserfolg in Szene gegangen, frisch und lebendig wird auf dem Schauplatz der amüsanten Handlung, einer kleinen Pensionopolis, der Streit um den „Kaisertoast” geführt. In Hauptrollen sind beschäftigt: die Damen Noorman, Schenk, Schwarzkopf, van Horn und die Herren Bertram, Birkholz, Hager, Tautz und Herr Tachauer, in dessen Händen auch die Spielleitung liegt. Das unterhaltsame Werk wird Sonntag Abend wiederholt.
„Wiesbadener Tagblatt” vom 8.2.1909:
Residenz-Theater.
Samstag, den 6. Februar: „Der Kaisertoast”. Lustspiel in 3 Akten von Freiherr v. Schlicht und Walter Turszinsky. Spielleitung: Theo Tachauer.
Na — man soll nicht „so” sein. Und es hätte ja auch wenig Sinn und Nutzen, da irgendwelchen Ernst aufwenden zu wollen. Also eine sehr einfache und im Grunde sehr alte Geschichte. Einzige Anstrengung der Autoren, wie variieren wir sie soweit wieder neu, daß man sie als Eigenfabrikat auf die Bühne bringen kann.
Erster Akt: In einem kleinen Nest ist ein alter Oberst a.D. und Stammtischtyrann seit Jahren im Besitz des Vorrechts, den Kaisertoast halten zu dürfen. Eben ist wieder die Zeit, wo er memorierend den Stadtwall umwandelt. Die Stammtischmitglieder sind in Revokutionsstimmung und seufzen: Wenn nur ein General in unsere Stadt zu wohnen käme und dem Obersten das Präsidium abnähme. Bezeichnend für die komplizierte Technik des Stückes: da sie eben so seufzen, geht die Tür auf, ein Major a.D. erscheint und erklärt: Eben hab ich für einen Bekannten, einen General, Wohnung gemietet. In ein paar Tagen ist er da. Zweiter Akt: Natürlich streiten sich nun der General und der Major um den Kaisertoast. Die Einigungsintrigen werden in der Wohnung eines Bezirkskommandoleutnants, der als ewiger Fresser höchst individuell charakterisiert ist, geführt. Bezeichnend für die komplizierte Technik des Stückes: Eine Situation, in der der Leutnant eben erklärt: Wenn jetzt nur nicht der General kommt! Da klingelt es, und der Diener meldet: der General! Nicht zu vergessen: rapid werden die Umrisse der beiden Paare klar, die sich zum Schluß als glücklich Verlobte empfehlen werden. Ja, das alles können zwei geschickte Autoren in einem einzigen Akt fertigbringen. Der dritte Akt: Doch davon will ich lieber nichts verraten, um den Besuchern des Stückes nicht den Genuß an der geistvollen Lösung der schweren Schicksalsfrage: wer nun schließlich den Kaisertoast sprechen darf, vorwegzunehmen.
Zur weiteren Dekoration holen die Autoren für die Anspruchsvollen, denen die Kaisertoastaffäre allein am Ende nicht genügen sollte, aus der altbewährten Schwankrequisitenkammer noch folgende Nummern: eine böhmelnde Köchin, einen schauspielernden Kellner, einen altklugen Pikkolo, einen übermütigen, halb gezähmten Backfisch usw. usw. Manchem fleißigen Theaterbesucher wird das alles vielleicht sehr bekannt vorkommen. Das schadet nichts. Bewährte Rezepte können nicht oft genug gebraucht werden.
Von der Darstellung ist weiter nichts zu sagen. Von Aufgaben oder ähnlichem ist ja in solchen Stücken keine Rede. Da tut der Schauspieler eben einfach Dienst, wie auf einem Behörden- oder Kaufmannsbureau Kanzleidienst gemacht wird. Der eine mit etwas besserer, der andere mit etwas schlechterer Handschrift. Im Grunde ist's aber — solange nur ein gewisser, guter Durchschnitt der Arbeit gewahrt bleibt — egal, wer's tut. Am Samstag hatten also Dienst die Herren Bertram, Hager, Tachauer, Birkholz, Tautz u.a., und die Damen Noorman, Born, Schwarzkopf, Schenk und Harden. Das gutbesuchte Haus sah all die alten Erinnerungen aus anderen Schwänken mit wohlwollender Freundlichkeit wieder an.
J. K.
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© Karlheinz Everts