Aufführung am Hoftheater zu Darmstadt |
13., 22.Oktober 1908 |
Besetzungsliste: | |
General a.D. Lange.
|
Guido Lehrmann |
„Darmstädter Zeitung” vom 13.Okt. 1908 |
„Darmstädter Zeitung” vom 14.Okt. 1908:
Lustspiel in 3 Akten von Freiherr von Schlicht und
Walter Turszinsky
Freiherr von Schlicht schreibt gute Militärhumoresken, schon weniger gute Romane und — schlechte Theaterstücke. Wenn er geglaubt hat, nach dem leichten Geplänkel launigen Soldatenhumors dem Theaterbesucher nunmehr mit einer großen Kunstkanone kommen zu müssen, so hat er sich dabei aber verrechnet; sie war bloß blind geladen, und der erschreckte Zuschauer erholte sich bald, als er merkte, daß er nicht von scharfen Geistesgeschossen, sondern nur von einer gewöhnlichen Kartusche fader Plattheiten getroffen wurde. Auch der in den weitesten Kreisen unbekannte Mitkoch dieses Breies Blödsinns, Turszinsky, hat nichts von erfrischendem Beiguß würzigen Humors, vermischt mit einigen Körnchen attischen Salzes, dem Sud hinzugefügt. Oede, trostlose Oede breitet sich über die durch drei Akte und zwei Pausen hingezogene Geschichte von dem Kaisertoast aus. Der Inhalt ist so ärmlich wie möglich. In einer kleinen Provinzstadt, einer richtigen „Pensionopolis” führt der Oberst a. D. von Löwen ein strenges Regiment über die übrigen verabschiedeten Herren. Die Herrlichkeit hat aber mit dem Erscheinen eines pensionierten Generals ein Ende, und es fragt sich nun, wer an Kaisers Geburtstag den Kaisertoast halten soll, entweder der Oberst, der ihn schon auswendig gelernt hat, oder der General als der im Range höher stehende. Da keiner von beiden zurücktreten will, entsteht ein Konflikt, der aber schließlich sich so löst, daß keiner von beiden zu Worte kommt, sondern ein unglaublich frecher Leutnant vom Bezirkskommando. Daneben laufen ein paar Liebesgeschichten, bei deren einer sogar eine Dame der Gesellschaft auf die Leutnantsbude kommt und mit deren Besitzer soupiert. Natürlich „kriegt” man sich und der Oberst wird Intendant eines Hoftheaters. (!) Einige Dialoge sind recht nett, im übrigen aber ist der Humor etwas krampfhaft und gezwungen, woran auch einige Streiflichter auf Schlicking, Reichstagswahl usw. nichts ändern. Gespielt wurde besser, als das Stück überhaupt wert ist. In erster Linie gebührt die Palme Herrn Jürgas, der seinen Leutnant Stern mit einer prachtvollen Gewandtheit und, sagen wir es einmal derb, Schnoddrigkeit spielte, die ihm den uneingeschränkten Beifall sicherte. Herr Heinz vermochte dem polternden Obersten wirksame Züge zu verleihen und war namentlich im letzten Akte gut. Köstlich, wie immer, gab wieder Herr Wagner seinen Part, auch Herr Lehmann war am Platze. Von den mitspielenden Damen, Fräulein Heumann und Fräulein Holthaus, spielte erstere die vom Autor recht kümmerlich bedachte Frau von Breitenfeld so gut wie es ging, viel Freude wird ihr diese Rolle nicht gemacht haben. Frl. Holthaus brillierte wieder in Toiletten und reizend-natürlichem Spiel. Beide Damen müssen aber lauter sprechen, im Lustspiel wird nicht geheimnisvoll geflüstert. Frau Scherbarth und Frau Rudolph spielten ihre Episodenrollen angemessen, ebenso die Herren Barleben, Baumeister und Schneider. Her Holler möge die Farben aber nicht zu dick auftragen. Herr Löhr spielte etwas gelangweilt, wenn ihm die Rolle nicht paßte, kann ich es ihm auch nicht verdenken. Warum trägt er aber am Geburtstag Seiner Majestät nur die Ordensschnalle ohne Orden? Herr Tischler vermochte gestern mehr zu erwärmen wie sonst, obwohl sein verschminktes Gesicht arg störte. Fräulein Gothes gestriger Kellner stand ihrer kürzlichen Leistung in gleicher Eigenschaft in den „Lustigen Weibern” in nichts nach, sie war ganz famos. das nicht allzu stark besuchte Haus nahm die Neuheit freundlich auf, allzu oft wird aber der „Kaisertoast” nicht „steigen”.
Darmstadt, 14.Oktober K.F.
zurück
© Karlheinz Everts